Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2020, Az. IX ZB 26/19

9. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 2048

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Gegenstand

Vergütung des Insolvenzverwalters: Inflationsausgleich bei Bemessung der Vergütung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 13. Mai 2019 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.506,26 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Insolvenzgericht bestellte den weiteren Beteiligten mit Beschluss vom 18. November 2011 zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Der weitere Beteiligte erstattete am 17. Juli 2018 die Schlussrechnung und beantragte, seine Vergütung als Insolvenzverwalter festzusetzen. Er machte geltend, die für die Regelvergütung maßgeblichen Staffelstufen des § 2 Abs. 1 [X.] seien [X.] um 17,92 vom Hundert zu erhöhen, weil der Erzeugerpreisindex für unternehmensnahe Beratungsdienstleistungen im [X.] gegenüber dem [X.] um 17,92 vom Hundert gestiegen sei. Zudem beantragte er, Zuschläge auf die Regelvergütung in Höhe von 85 vom Hundert festzusetzen.

2

Mit Beschluss vom 10. August 2018 setzte das Insolvenzgericht die Vergütung des weiteren Beteiligten auf der Grundlage eines Zuschlags von 46,17 vom Hundert fest und lehnte den verlangten Inflationsausgleich ab. Gegen diesen Beschluss hat der weitere Beteiligte sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Vergütungsantrag weiterverfolgt. Das [X.] hat - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte sein Begehren einer [X.]en Anpassung der Vergütung weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1132 ff veröffentlicht ist, hat - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt, eine [X.]e Anpassung der Vergütung komme nicht in Betracht. Es fehle an einer Kompetenz der Gerichte. Zwar müsse die dem Insolvenzverwalter zustehende Vergütung insgesamt einen seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessenen Umfang erreichen. Dieses verfassungsrechtliche Gebot richte sich in erster Linie an den Verordnungsgeber.

5

Dem Verordnungsgeber stehe ein Prognose- und Anpassungsspielraum für die Regelung der Vergütung von Insolvenzverwaltern zu. Aufgrund dieses Spielraums könne die [X.] erst dann als verfassungswidrig angesehen werden, wenn der [X.] Zeitraum für eine Anpassung verstrichen sei. Bislang fehle es jedoch an einer entsprechenden Fristsetzung durch den [X.].

6

Im Übrigen sei eine verfassungskonforme Auslegung der Verordnung dahin, dass die Vergütungssätze mit einem etwa aus einem Erzeugerpreisindex für Dienstleistungen abgeleiteten Faktor zu vervielfältigen seien, rechtlich nicht möglich. § 2 Abs. 1 [X.] schreibe feste Regelsätze vor. Daraus folge, dass der Verordnungsgeber für den Regelfall eine Vergütung in einem genau bestimmten Verhältnis zur Insolvenzmasse vorsehe. Daher komme eine Anpassung des § 2 Abs. 1 [X.] nicht in Betracht; bei einer Unangemessenheit der Vergütung wäre diese Bestimmung schlechthin unanwendbar und es wäre § 612 Abs. 2 BGB heranzuziehen.

7

In jedem Fall komme eine Nichtanwendung des § 2 [X.] nur dann in Betracht, wenn die bestehende Vergütungsregelung im zu entscheidenden Einzelfall zu unangemessenen Folgen führe. Hierzu habe der Insolvenzverwalter nichts vorgetragen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 [X.] einschließlich der tätigkeitsbezogenen Zuschläge gewährte Vergütung im vorliegenden Einzelfall im Verhältnis zu den entfalteten Tätigkeiten unangemessen niedrig sei.

8

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

9

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde, dass die gesetzlichen Bestimmungen für die Insolvenzverwaltervergütung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2014 - [X.], [X.], 138 Rn. 10 mwN; vom 12. September 2019 - [X.], [X.], 2021 Rn. 13). § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass die dem Verwalter zustehende Vergütung insgesamt einen seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessenen Umfang erreichen muss ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2014, aaO mwN). Ob die Ausgestaltung der Vergütung nach der [X.] diesen Anforderungen genügt, richtet sich im Ausgangspunkt nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, für das der Insolvenzverwalter eine Vergütung beansprucht. Die Insolvenzverwaltervergütung ist als Tätigkeitsvergütung ausgestaltet ([X.], Beschluss vom 22. November 2018 - [X.], [X.], 82 Rn. 24 mwN), so dass für die Angemessenheit der Vergütung grundsätzlich nur die Verhältnisse bei Ausübung der Tätigkeit erheblich sein können. [X.] ist dabei entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Vergütungsrechts (vgl. § 61 [X.], § 134 Abs. 2 GNotKG, vgl. auch § 71 GKG, § 63 [X.]) grundsätzlich an den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ([X.], Beschluss vom 12. September 2019 - [X.], aaO; vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. Januar 2004 - [X.], [X.]Z 157, 282, 300 zur Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 [X.] in der bis 6. Oktober 2004 geltenden Fassung).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht die Vergütung des Beteiligten rechtsfehlerfrei ausgehend von den Regelsätzen des § 2 Abs. 1 [X.] bestimmt. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Regelsätze des § 2 Abs. 1 [X.] zu einer unangemessen niedrigen Vergütung für die Tätigkeit des Beteiligten in dem am 18. November 2011 eröffneten Insolvenzverfahren führen.

aa) Die von der Rechtsbeschwerde für das [X.] geltend gemachten Veränderungen gegenüber dem Stand seit Inkrafttreten der [X.] am 1. Januar 1999 rechtfertigen keine Erhöhung der dem weiteren Beteiligten zugesprochenen Vergütung. Wie der [X.] mit Beschluss vom 17. September 2020 ([X.], [X.]) für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Jahr 2016 entschieden und näher begründet hat, genügen hierzu für sich genommen weder die Geldentwertung noch der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Anstieg der Erzeugerpreise für Beratungsdienstleistungen. Für ein im [X.] eröffnetes Insolvenzverfahren gilt nichts anderes.

Zudem hat der [X.] - wenn auch im Fall eines am 15. Oktober 2009 eröffneten Insolvenzverfahrens - bereits ausgesprochen, dass die Erhöhung des [X.] für [X.] unter Zugrundelegung der [X.] 100 für das [X.] von Januar 1999 bis Juni 2014 von 83,9 auf 106,7 nicht genüge, um eine [X.]e Anpassung der Vergütung zu rechtfertigen ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2014 - [X.], [X.], 138 Rn. 14). Die vom Beschwerdeführer für das [X.] gegenüber dem [X.] behauptete Veränderung eines Erzeugerpreisindexes für unternehmensnahe Beratungsdienstleistungen um 17,92 vom Hundert bleibt hinter der Veränderung des [X.] bis zum Jahr 2014 zurück.

bb) Wie der [X.] mit Beschluss vom 17. September 2020 ([X.]) für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Jahr 2016 weiter ausgeführt und näher begründet hat, erfordert eine Überprüfung der Vergütungsregelungen im Hinblick auf den verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf eine angemessene Vergütung, dass dem Gericht Tatsachen zur Entwicklung der Einkommenssituation für Insolvenzverwalter unterbreitet werden. Diese Prüfung muss zudem sämtliche Umstände einbeziehen, die für die Festsetzung der Vergütung und die Einnahmen und Ausgaben des Insolvenzverwalters erheblich sind. Die Rechtsbeschwerde enthält hierzu keine Ausführungen und zeigt auch keine nähere Darlegung des weiteren Beteiligten auf.

Grupp     

        

Gehrlein     

        

Schoppmeyer

        

Röhl     

        

Selbmann     

        

Meta

IX ZB 26/19

17.09.2020

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Köln, 13. Mai 2019, Az: 13 T 167/18, Beschluss

Art 12 Abs 1 GG, § 63 Abs 1 S 1 InsO, § 2 Abs 1 InsVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2020, Az. IX ZB 26/19 (REWIS RS 2020, 2048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2048

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