Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2016, Az. IV ZR 226/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12257

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[X.]:[X.]:BGH:2016:270416UIVZR226.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 226/14

Verkündet am:

27. April 2016

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch
die Vorsitzende Richterin [X.],
die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 8.
April 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
[X.]eite
wird das Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Mai
2014
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]eite (Versicherungsnehmer: im Folgenden [X.])
be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Le-bensversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags [X.]
mit [X.] zum 1.
Juni
1999
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem so genannten [X.] des §
5a [X.] in der seinerzeit 1
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gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Mit Schreiben vom 24.
Juni 2002 kündigte d.
[X.]
den Vertrag; der Versiche-rer
zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 14.
Dezember 2009
erklärte [X.]
den Widerspruch gemäß
§
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt [X.]
Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der
bereits erbrachten Zahlun-gen.

Nach Auffassung [X.]
ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der [X.] noch erklärt werden können.

Der Versicherer
hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt [X.]
das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherungsvertrag sei [X.] zustande gekommen. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsge-mäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil eine Widerspruchsbeleh-3
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rung mit Übersendung des Versicherungsscheins nicht erteilt wurde. Der Vertrag sei
aber gemäß §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F.
ein Jahr nach [X.] der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein
Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812
Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB kann [X.]
nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs [X.]
nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] ist der Versicherungsvertrag im sogenann-ten [X.] geschlossen worden, weil nicht festgestellt werden konnte, dass [X.] bei Antragstellung auch die Verbraucherinformatio-nen
erhalten hat. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
belegt dies die Bestätigung im Versicherungsantrag gerade nicht. Es ist daher revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht aus der unterbliebenen Reaktion des [X.] auf die später im Versiche-rungsschein enthaltene Information, ihm sei bei Antragstellung eine [X.] ausgehändigt worden, keine Schlüsse gezogen hat (vgl. auch Senatsurteil vom 23.
September 2015
IV ZR 227/14, juris Rn.
14).
D. [X.] hat zu diesem Vertrag unstreitig eine Widerspruchsbeleh-9
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rung nicht erhalten, so dass keine ordnungsgemäße Belehrung im Sinne von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] erfolgt ist.

Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen [X.]sbelehrung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der
ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d.
[X.]
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wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die
vorherige Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.).

[X.]) Das Widerspruchsrecht des [X.] ist auch nicht entspre-chend den Regelungen des Gesetzes über den Widerruf von [X.] und ähnlichen Geschäften und des [X.] 13
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nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung mit Auszahlung des Rückkaufswertes erloschen (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 27.
Ja-nuar 2016

IV ZR 488/14, juris Rn.
19).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.]
(dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der [X.] war bei Erhebung der Klage im De-zember 2010
noch nicht verjährt. Die maßgebliche regelmäßige dreijäh-rige Verjährungsfrist des §
195 BGB konnte erst mit Schluss des Jahres 2009
beginnen, da d.
[X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß §
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchs-rechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeit-punkt hatte d.
[X.]
Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015

IV ZR 103/15, [X.], 700 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d.
[X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).
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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 ([X.], [X.], 1101
Rn.
36
ff.; [X.], [X.], 1104
Rn.
34
ff.) sowie vom 11.
November 2015
(IV ZR 513/14, [X.], 33
Rn.
31
ff.) zu beachten haben.

[X.]

[X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.01.2012 -
9 O 586/10 -

OLG Köln, Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 36/12 -

20

Meta

IV ZR 226/14

27.04.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2016, Az. IV ZR 226/14 (REWIS RS 2016, 12257)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12257

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

IV ZR 76/11

IV ZR 488/14

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 448/14

IV ZR 513/14

20 U 36/12

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