Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. 1 StR 573/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6726

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Gegenstand

Vermögensschaden beim Betrug: Minderwert des Rückzahlungsanspruchs der darlehensgebenden Bank infolge einer Täuschung über die Bonität des Kreditnehmers


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2016 aufgehoben,

a) mit den Feststellungen, soweit der Angeklagte [X.]und der Mitangeklagte [X.]          wegen Betruges in zwei Fällen verurteilt worden sind;

b) soweit der Angeklagte [X.]wegen der Taten zu [X.] 5. b., d. und f. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist;

c) im den Angeklagten [X.]betreffenden Gesamtstrafausspruch.

2. Auf die Revision des Angeklagten M.    wird das oben genannte Urteil – soweit es ihn betrifft – mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]      wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]        wegen Betruges in zwei Fällen, wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, wegen beharrlicher Zuwiderhandlung gegen eine [X.] in zwei Fällen und wegen vorsätzlich falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Den Angeklagten M.    hat es wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]hat es wegen Betruges in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig gewordener Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten [X.]       und M.     mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts und Verfahrensrügen gestützten Revisionen, die in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg haben. Die Aufhebung war auf die hier allein wegen der Betrugstaten erfolgten Verurteilung des Mitangeklagten [X.]zu erstrecken. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]      war zu verwerfen.

[X.]

Die Revision des Angeklagten [X.]

3

1. Die vom Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung des § 229 StPO erweist sich aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen als unbegründet.

4

2. Die Sachrüge ist jedoch teilweise begründet.

5

a) Der Schuldspruch wegen Betruges in zwei Fällen hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

aa) Nach den Feststellungen des [X.]s stellte der Angeklagte [X.]        im Januar 2011 gemeinsam mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]  über den als Kreditvermittler tätigen Angeklagten [X.]einen Kreditantrag bei der [X.]. Hierzu legten sie gefälschte Ausweispapiere und Gehaltsbescheinigungen für eine erfundene Person namens S.     vor, die sie als Kreditnehmer ausgaben. Der [X.] war darauf gestützt, dass der Kreditnehmer plane, ein Doppelhaus auf einem noch zu kaufenden Grundstück zu errichten. Während der Angeklagte M.    spätestens Ende Februar 2011 billigend in Kauf nahm, dass die Gehaltsnachweise gefälscht waren, vertraute das Kreditinstitut auf die Angaben zum Kreditnehmer und dessen Bonität. Im darauf folgenden März und April kam es deswegen zum Abschluss von vier Darlehensverträgen über insgesamt 310.000 €. Im April erwarb „der nicht existente S.      “ das Grundstück. Er hatte schon zuvor mit der von dem Angeklagten [X.]      geführten Grundstücksverwaltungsgesellschaft W.    b.[X.] einen Bauvertrag geschlossen, der vorsah, dass das Doppelhaus gegen eine Pauschalvergütung von 274.000 € errichtet werden sollte. Im Mai 2011 ließ sich das Kreditinstitut eine Buchgrundschuld in Höhe von 310.000 € an dem Baugrundstück eintragen. Zwischen Juni 2011 und März 2012 wurden in mehreren Tranchen insgesamt 277.536 € von der Darlehenssumme auf [X.] ausgezahlt. Von dort veranlasste der Angeklagte [X.]     die Weiterleitung der Gelder auf von ihm kontrollierte Konten. Einen Teil des Geldes leitete er an den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]        weiter, auch dem Angeklagten [X.]zahlte er eine Summe als Provision aus. Auf das Geld hatten es die Angeklagten abgesehen. Die Darlehen wurden nur in Höhe von 3.139,94 € getilgt, weswegen die Verträge von der [X.] gekündigt wurden. Das Doppelhaus war zu diesem Zeitpunkt zwar errichtet, befand sich aber noch in einem Rohbauzustand.

7

Im September 2012 stellten die Angeklagten [X.]        und [X.] über den Angeklagten [X.]als Vermittler erneut einen Kreditantrag bei der [X.]. Auch diesem Antrag lag zugrunde, dass auf einem Grundstück ein Doppelhaus errichtet werden sollte. Als Kreditnehmer trat der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindliche gesondert Verfolgte [X.].     auf, der vom Angeklagten [X.]        mit einer Legende als gutverdienender zukünftiger Bauherr versehen worden war. [X.].      legte zu der Legende passende gefälschte Gehaltsbescheinigungen vor, aber auch den von ihm geschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück und einen Bauvertrag mit der Grundstücksverwaltungsgesellschaft W.     b.[X.], wonach diese das Haus für eine Vergütung in Höhe von 318.000 € errichten sollte. Das Kreditinstitut vertraute auf die Bonität des Kreditnehmers und schloss mit ihm im September 2012 zwei Darlehensverträge über zusammen 284.000 € ab. Nach der Eintragung einer Buchgrundschuld über 334.000 € im November 2012 wurden im Folgemonat 198.000 € von der Darlehenssumme ausgezahlt. Nachdem keine Tilgung erfolgte, kündigte das Kreditinstitut im Februar 2013 das Darlehen. Das besicherte Grundstück war zu diesem Zeitpunkt nur mit einem Fundament versehen.

8

In beiden Fällen konnte durch die Zwangsversteigerung der Grundstücke durch die [X.] nur ein deutlich unter der ausgezahlten Darlehenssumme liegender Erlös erzielt werden. In der Differenz zwischen ausgezahltem Darlehen und Erlös zuzüglich im ersten Fall geleisteter Tilgungen liegt nach der Wertung des [X.]s der Vermögensschaden.

9

bb) Der [X.] hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:

"Die Urteilsfeststellungen bieten keine ausreichende Grundlage für die Wertung des [X.]s, der [X.] sei in den Fällen [X.] 1. und 2. ein Vermögensschaden entstanden.

Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwertes seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr. vgl. nur Senat, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 [X.], [X.], 286 – 288 m.w.N.). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung ([X.], Beschluss vom 14. April 2011 – 2 [X.], [X.], 638, 639). Ob und in welchem Umfang die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden [X.] mit dem Rückzahlungsanspruch des [X.] zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind. Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach insoweit kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und – ohne dass der Schuldner dies vereiteln könnte – mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind (vgl. Senat, aaO; [X.], Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 [X.], [X.], 150). Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs, etwa infolge einer Täuschung über die Bonität, kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 [X.], [X.], 268 m.w.N.).

Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht, wenn es zur Bezifferung der Schäden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auf den Vermögensverlust abstellt, der dem geschädigten Finanzinstitut durch die Auszahlung der Immobilienkredite (im Fall 1: 277.536 [X.] und im Fall 2: 198.000 [X.]) abzüglich des erzielten [X.] und der geleisteten Tilgungen entstanden ist, und den es im Fall [X.] 1. mit 131.396,06 [X.] (…) und im Fall [X.] 2. mit 121.000,00 [X.] (…) beziffert hat. Die [X.] hätte vielmehr den Wert der [X.] unter Berücksichtigung der Werthaltigkeit der als Sicherheit bestellten Grundschulden (…) zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ermitteln müssen. Nur soweit jeweils ein täuschungsbedingter Minderwert des gesicherten Darlehensrückzahlungsanspruchs vorliegt, ist die Annahme eines Schadens – ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des [X.] (noch) ankommt – gerechtfertigt.

Nach den Urteilsfeststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die für die [X.] in den Fällen [X.] und [X.] im Grundbuch eingetragenen Grundschulden (…) voll werthaltig waren und der Bank dadurch kein Vermögensschaden entstanden ist.

Gegen das Vorliegen eines Vermögensschadens spricht insbesondere im Fall [X.] 1. der Umstand, dass der Verkehrswert des Objekts im Rahmen der Versteigerung auf 250.000,00 [X.] festgesetzt wurde (…). Dass die Zwangsversteigerung letztendlich als Erlös nur 143.000,00 [X.] erbrachte (…), belegt nicht, dass der Rückzahlungsanspruch der [X.] gegen den Kreditnehmer nicht werthaltig war.

Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte hinsichtlich der Vermögensschäden aufgrund nicht ausreichender Sicherheiten überhaupt Tatvorsatz (§ 16 StGB) hatte. Denn die Verkehrswerte der Grundstücke wurden erst ein (…) oder zwei (…) Jahre nach Eintragung der Grundschulden und im Rahmen der Zwangsversteigerung festgesetzt. Das [X.] verhält sich nicht dazu, ob der Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, dass die [X.] durch die im Grundbuch eingetragenen Grundschulden ausreichend abgesichert war.

Wegen der [X.] der Feststellung kann deshalb der Schuldspruch wegen Betrugs in zwei Fällen zum Nachteil der [X.] keinen Bestand haben, so dass es auf die insoweit erhobenen Verfahrensrügen (…) nicht mehr ankommt.

Um dem neuen Tatgericht neue, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, sind die Urteilsfeststellungen zu den Tatkomplexen [X.] 1. und 2. insgesamt aufzuheben."

cc) Dem schließt sich der Senat an. Danach kommt es auf die beiden Verfahrensrügen, die nur die Verurteilung wegen Betruges betreffen, nicht mehr an. Da der aufgezeigte sachlich-rechtliche Mangel im Hinblick auf das Vorliegen eines Vermögensschadens auch den Mitangeklagten [X.] betrifft, war die Aufhebung – entsprechend dem Antrag des [X.]s – gemäß § 357 StPO auf dessen Verurteilung zu erstrecken. Damit konnte aber auch dessen tateinheitliche Verurteilung wegen Urkundenfälschung keinen Bestand haben.

b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen, davon zwei Fälle im Versuch, hat hinsichtlich der den Veranlagungszeitraum 2012 betreffenden Verurteilungen wegen der drei Taten der Hinterziehung von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer keinen Bestand. Auf die vom [X.] beantragte Schuldspruchberichtigung, dass vier der sechs Fälle nur versucht waren, wovon das [X.] in den Gründen auch ausgegangen ist, kam es danach nicht mehr an.

aa) Nach den Feststellungen war der Angeklagte [X.]       Geschäftsführer der Firma Grundstücksverwaltungsgesellschaft W.   b.[X.], die u.a. Bauleistungen erbrachte und in den Jahren 2011 und 2012 steuerbare Umsätze in Höhe von 205.130,92 € (2011) bzw. 342.234,79 € (2012) erzielte. Der Gewinn der Gesellschaft betrug 61.539 € in 2011 und 102.670,20 € in 2012. Unter Abzug von geschätzten Pauschbeträgen ergab sich sodann ein zu versteuerndes Einkommen des Angeklagten in Höhe von 60.000 € in 2011 und 101.000 € in 2012. Der Angeklagte gab aber jeweils keine Einkommensteuer-, Gewerbe- oder Umsatzsteuererklärung ab. Vor Abschluss der jeweiligen Veranlagungsarbeiten für die Einkommen- und Gewerbesteuer wurde dem Angeklagten am 24. Oktober 2013 die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens betreffend diese Steuerarten und Veranlagungszeiträume bekannt gegeben. Bereits am 11. Juni 2012 war gegen ihn das „Privatinsolvenzverfahren“ eröffnet worden.

Die [X.] hat ihrer Würdigung zugrunde gelegt, dass der Angeklagte mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar nicht mehr selber Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen hätte abgeben können. Er sei aber verpflichtet gewesen, den Insolvenzverwalter bei der Abgabe zu unterstützen. Gegen diese Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht habe er verstoßen, weswegen die Steuererklärungen unterblieben seien. Das sei ihm zuzurechnen.

bb) Die Ansicht des [X.]s, der Verstoß gegen eine insolvenzrechtlich begründete Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht – der im Übrigen beweiswürdigend durch nichts belegt ist – erfülle ohne weiteres den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], geht fehl. [X.] ist nur pflichtwidriges Unterlassen gegenüber den Finanzbehörden. Nach ständiger Rechtsprechung kann Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist ([X.], Urteil vom 9. April 2013 – 1 [X.], Rn. 52, 64, [X.]St 58, 218, 227, 231 mwN) und nicht derjenige, der nur „bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“ ([X.] aaO).

Eine eigene [X.] gegenüber dem Finanzamt nimmt das [X.] für den Angeklagten nicht an. Dafür, dass der Insolvenzverwalter oder sonst ein nach § 34 Abs. 3 [X.] [X.]iger pflichtwidrig die Abgabe der Steuererklärungen unterlassen hat, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Auf die Frage, ob dem Angeklagten eine fremde Pflichtverletzung zuzurechnen wäre, kommt es danach nicht mehr an.

(1) Der rechtsfehlerhafte Ansatz wirkt sich aber für die den Veranlagungszeitraum 2011 betreffenden ausgeurteilten Steuerhinterziehungen nicht aus. Zur Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen war der Angeklagte bis zum 31. Mai 2012 und mithin bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst verpflichtet.

Da er trotz steuerbarer Umsätze keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgab, ließ er die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf dieser Frist wurde die Umsatzsteuer verkürzt, weil die Umsatzsteuerjahreserklärung als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, § 168 Satz 1 [X.]. Mit dem Verstreichenlassen dieses Fälligkeitszeitpunktes ist die Umsatzsteuerhinterziehung vollendet und zugleich beendet ([X.], Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 1 [X.], [X.], 82 mwN).

Für die Einkommen- und Gewerbesteuer war der Angeklagte ebenfalls noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst zur Abgabe der Erklärungen verpflichtet. Mit dem Verstreichenlassen der Erklärungsfrist am 31. Mai 2012 ist er in das Stadium des Versuchs der Einkommen- bzw. Gewerbesteuerhinterziehung eingetreten. Der vom [X.] angenommene Übergang der [X.] auf den Insolvenzverwalter ist nach den Feststellungen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 11. Juni 2012 und mithin vor Vollendung der Taten (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2002 – 5 [X.] Rn. 11, [X.], 437) eingetreten. Das [X.] hat insoweit auch nur wegen Versuchs verurteilt. Rechtlich zutreffend ist es davon ausgegangen, dass vor dem Abschluss der Veranlagungsarbeiten am 1. November 2013 und mithin ebenfalls noch vor Vollendung der Taten, die strafbewehrten [X.]en durch die Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens suspendiert worden sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. April 2001 – 5 StR 587/00, Rn. 28, [X.]St 47, 8, 13 f. und vom 23. Januar 2002 – 5 [X.], Rn. 9 ff., [X.], 437).

(2) Für den Veranlagungszeitraum 2012 wirkt sich der Rechtsfehler aber aus. Denn es gilt Folgendes:

Die [X.] liefen erst mit Ablauf des 31. Mai 2013 und somit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Zwar bleibt offen, ob es sich bei dem eröffneten Insolvenzverfahren um ein Regelinsolvenzverfahren handelte, worauf die Erwähnung des Insolvenzverwalters und § 80 Abs. 1 [X.] hindeutet. Dann hätte der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten des handlungsunfähigen Schuldners zu erfüllen (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 2012 – [X.], [X.]E 239, 15; [X.]/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; [X.], Amtliches [X.]-Handbuch, 2017, AE[X.] zu § 251 Nr. 4.2; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. August 1994 – [X.], [X.]E 175, 309, [X.], 1995, 194 zum Konkursverwalter). Die Bezeichnung als "Privatinsolvenzverfahren" und die offen zu Tage getretenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung weisen allerdings eher auf das Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. [X.] hin. In diesem vereinfachten Insolvenzverfahren kam dem gemäß § 313 Abs. 1 aF [X.] mit Eröffnung des Verfahrens zu bestellenden Treuhänder jedoch eine dem Insolvenzverwalter entsprechende Stellung zu ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, 243. Lieferung, § 34 [X.] Rn. 80a; [X.]/[X.] in MünchKomm [X.], 3. Aufl., § 313 Rn. 9) und er hatte die steuerlichen Pflichten des handlungsunfähigen Schuldners zu übernehmen ([X.], Urteil vom 28. August 2014 – 8 K 3677/13 E, Z[X.] 2015, 323; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO; [X.]/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; [X.], Amtliches [X.]-Handbuch, 2014, AE[X.] zu § 251 Nr. 12.3 [X.]. Nr. 4.2, vgl. ebenso in der früheren Fassung des AE[X.]).

Die [X.]en oblagen damit zum Abgabezeitpunkt nicht mehr dem im Rechtssinne handlungsunfähigen Angeklagten [X.]       als Schuldner, sondern – abhängig von der Art des Insolvenzverfahrens – entweder dem Insolvenzverwalter oder dem Treuhänder als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 [X.]. Das gilt auch für Steuerabschnitte, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen ([X.], Beschluss vom 19. November 2007 – [X.]/07, [X.]/NV 2008, 334; Urteil vom 23. August 1994 – [X.], [X.]E 175, 309, [X.], 1995, 194).

Ob den Angeklagten [X.]       selbst bis zur Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens eine [X.] getroffen hat, kann nach den Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Danach bleibt offen, ob das Insolvenzverfahren abgeschlossen bzw. bereits in das [X.] übergegangen ist. Für dieses Verfahren nimmt der Treuhänder nicht die Stellung eines Vermögensverwalters nach § 34 Abs. 3 [X.] ein ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, 243. Lieferung, § 34 [X.], Rn. 80a; [X.]/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; vgl. auch [X.] aaO).

Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen der den Veranlagungszeitraum 2012 betreffenden Steuerhinterziehungstaten. Davon wird auch die Verurteilung wegen unterlassener Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung erfasst, denn nach den Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Umsatzsteuerschuld für die vom Angeklagten statuarisch und faktisch beherrschte Grundstücksverwaltungsgesellschaft W.    b.[X.] auch den Wirkungen des Insolvenzverfahrens unterlag.

[X.]

Revision des Angeklagten M.

Wie vom [X.] beantragt, bleibt die Rüge der Verletzung des § 229 StPO zwar ohne Erfolg, jedoch führt die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

Das Vorliegen eines Vermögensschadens für beide Fälle ist aus den oben dargelegten Gründen nicht belegt, so dass es jeweils schon am Erfordernis eines Betruges als Haupttat fehlt. Weiterhin hat der [X.] Folgendes ausgeführt:

"Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt vorsätzlich gehandelt hat. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass sein Beitrag sich als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird ([X.], Beschluss vom 3. Februar 2016 – 4 StR 379/15 m.w.N.). Hier ist weder festgestellt noch belegt, dass der Angeklagte wusste oder für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass die gewährten Sicherheiten nicht werthaltig waren."

Dem schließt sich der Senat an. Er hebt die Feststellungen insoweit insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht neue widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

                                   

Ri[X.] Bellay ist aufgrund
urlaubsbedingter Abwesenheit
an einer Unterschriftsleistung
gehindert.

Graf     

        

Jäger     

        

Graf   

        

Cirener     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 573/16

10.08.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 4. Mai 2016, Az: 500 KLs 35/15

§ 263 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. 1 StR 573/16 (REWIS RS 2017, 6726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6726

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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