Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2022, Az. 29 W (pat) 531/21

29. Senat | REWIS RS 2022, 7381

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Gegenstand

Markenbeschwerdesache – "Form einer Oberbekleidung mit Kragen (Wort-/Bildgestaltung)" - fehlende Unterscheidungskraft – dreidimensionale Gestaltung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 213 244.1

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2022 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und den Richter Posselt

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die dreidimensionale Gestaltung

Abbildung

2

ist am 30. April 2018 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister mit folgender Beschreibung:

3

„Dreidimensionale Marke: Oberbekleidung mit Kragen, der einen Stehkragen als [X.] und einen in Form eines daran angesetzten, abstehenden [X.] ausgebildeten Ober- und Unterkragen besitzt.“

4

angemeldet worden für die Waren der

5

[X.]: [X.]; Schnittmuster; Schnittmuster für die Schneiderei; Schnittmuster zur Herstellung von Bekleidungsstücken;

6

[X.]: [X.]; Abendbekleidung; Abendkleider; Abendmäntel; [X.]; Aikido-Anzüge; [X.]; [X.]; Anoraks; Anzüge; Anzüge für Abendgesellschaften; Anzüge für [X.]; Arbeitsanzüge; Arbeitskleidung; Aus Pelzen angefertigte Bekleidungsstücke; Babyausstattung [Bekleidungsstücke]; [X.]; Bedruckte T-Shirts; Bekleidung aus Kaschmir; Bekleidung aus Lederimitat; Bekleidung aus Wolle; Bekleidung für Autofahrer; Bekleidung für Babys; Bekleidung für Brautjungfern; Bekleidung für [X.], Herren und Kinder; Bekleidung für das Eiskunstlaufen; Bekleidung für die Taufe; Bekleidung für Kinder; Bekleidung für Kleinkinder; Bekleidung für Motorradfahrer aus Leder; Bekleidung für Mädchen; Bekleidung für Sportler; Bekleidungsstücke; Bekleidungsstücke aus Leder; Bekleidungsstücke aus Leinen; Bekleidungsstücke aus Papier; Bekleidungsstücke aus Plüsch; Bekleidungsstücke aus Seide; Bekleidungsstücke für den Kampfsport; Bekleidungsstücke für den Reitsport [ausgenommen Reithelme]; Bekleidungsstücke für den Sport; Bekleidungsstücke für den Theatergebrauch; Bekleidungsstücke für [X.]; Bekleidungsstücke für Jungen; Bekleidungsstücke für Ringkämpfe; Bekleidungsstücke für Schwangere; Blaumänner [Overalls]; Blazer; Blousonjacken; Blousons; Blusen; Brautkleider; Chaps [Bekleidungsstücke]; [X.]; [X.]; Cocktailkleider; [X.]anzüge; [X.]bekleidung; [X.]kleider; [X.]oberbekleidung; Daunenjacken; Daunenwesten; Dicke Jacken; Dreiteilige Anzüge [Bekleidungsstücke]; Einteilige Anzüge; Einteilige Arbeitsanzüge; Einteilige Bekleidungsstücke für Säuglinge und Kleinkinder; Eislaufbekleidung; Festkleider für [X.]; Feuchtigkeitsabsorbierende Sporthemden; [X.]hemden; [X.]westen [Anglerwesten]; Fleece-Oberteile; Fleecebekleidung; Fleecewesten; Formelle Abendgarderobe; Formelle Kleidung; Freizeitanzüge; Freizeithemden; Freizeitjacken; Freizeitkleidung; Fußballhemden; Fußballtrikots; Gepolsterte Shirts für den Sport; Gestrickte Bekleidungsstücke; Gestrickte Jacken; Gewebte Hemden; Gewobene Bekleidungsstücke; Gilets [Westen]; Golfbekleidung; Golfbekleidung [ausgenommen Golfhandschuhe]; [X.]; Golfhosen, -hemden und -röcke; Gymnastikanzüge; Gymnastikbekleidung; Hauskleidung; [X.]; [X.]; [X.] mit Knopfleiste; Hemden; Hemden für Anzüge; Hemden für den Sport; Hemden mit Kragen; Hemden mit offenem Kragen; Hemden mit verdeckter Hemdknopfleiste; Hemden zum Schlafen gehen; [X.]; Herrenanzüge; [X.]; Herrenoberbekleidung; Herrenwesten; Hochzeitskleider; Hosenanzüge; Jacken; Jacken als Sportbekleidung; Jacken aus Pelz; Jacken aus Polar-Fleece; Jacken für Angler; Jacken mit Ärmeln; Jacken ohne Ärmel; Jacken zum Snowboard fahren; Jacken zur Abwehr von Regen; Jacken, Mäntel, Hosen und Westen für [X.] und Herren; Jagdwesten; Jeansbekleidung; Jeansjacken; Jogging-Garnituren [Bekleidungsstücke]; Jogginganzüge; Jogginganzüge aus [X.]; [X.]; [X.] [weite Tuchjacken]; [X.]; Kampfsportanzüge; Kampfsportbekleidung; [X.]; Kittel; Kittel zu Arbeitszwecken; Kleider; Kleider aus Leder; Kleider aus Lederimitationen; Kleider für Brautjungfern; Kleider für Krankenschwestern; Kleider für Säuglinge und Kleinkinder; Kleidung für den Freizeitbereich; Konfektionierte Kleidereinlagen; Konfektionskleidung; Kordhemden; Kostüme für [X.]; Kragen [Bekleidung]; Kragen für Kleider; Kurzärmelige Hemden; Kurzärmelige Shirts; Kurzärmelige T-Shirts; Kurzärmlige Hemden; Kutten [Bekleidung]; Lange Jacken; Langärmelige Hemden; Lichtreflektierende Jacken; Muumuus [[X.] Kleider]; Mäntel für [X.]; Mäntel für Herren; Nachtwäsche [Bekleidung]; Oberbekleidung; Oberbekleidung für [X.]; [X.]; [X.] für Babys; [X.] für Jungen; [X.] für Kinder; Overalls [Blaumänner]; Overalls zu Arbeitszwecken; Pelze [Bekleidung]; Polohemden [Bekleidung]; Pelzmäntel und –jacken; [X.]; [X.]; Safari-Jacken; Schlafanzüge [Trikotoptik]; Shirts mit Stehkragen; Shirts und Höschen; Smokings [[X.]]; [X.]; [X.] [Bekleidungsstücke]; Sportbekleidung [ausgenommen Golfhandschuhe]; Steppjacken [Bekleidungsstücke]; Strickwaren [Bekleidung]; T-Shirts; Taekwondo-Anzüge; Tops [Bekleidungsstücke]; Trachten [Bekleidungsstücke]; Trikotkleidung; Trikots; Warm-Up-Jacken; Wasserabweisende Bekleidungsstücke; Wasserdichte Anzüge für Motorradfahrer; Wasserdichte [X.]; Wasserfeste Jacken; Wasserfeste Oberbekleidung für die Seefahrt [Ölzeug]; Weiße Bekleidung für Köche; Weiße Kittel für Krankenhauszwecke; Wetterfeste Jacken; Winddichte Bekleidungsstücke; Windfeste Anzüge; Witterungsbeständige Oberbekleidung; Wärmeisolierende Bekleidungsstücke; [X.]; Ärmellose Trikots; Über Bekleidungsstücken getragene koreanische Outdoor-Jacken [Magoja];

7

Klasse 28: Bekleidung für Puppen; Bekleidung für Spielzeug; Bekleidungsstücke für [X.] Puppen; Bekleidungsstücke für Spielzeugfiguren; Bekleidungsstücke für Teddybären.

8

Mit Beschluss vom 16. Juni 2021 hat die Markenstelle für [X.] des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen.

9

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Kragenlösung zwar auffällig anmute, die Eigenart und Originalität dieses Kragens angesichts der Formenvielfalt im Bereich der Mode jedoch nicht ausreiche, um die Schutzfähigkeit zu begründen. Die Herkunftsfunktion einer dreidimensionalen Marke könne nur durch eine erhebliche Abweichung von der bestehenden Gestaltungsvielfalt erfüllt werden. Das bloße Abweichen von der Norm oder Branchenüblichkeit genüge nicht. Das angemeldete dreidimensionale Zeichen stelle sich aber – wie die recherchierten Beispiele zeigten - als eine der zahlreichen auf dem Markt vorhandenen Varianten von Kragenformen dar. In diesen üblichen Formenschatz reihe sich die vorliegende dreidimensionale Marke ohne weiteres ein, so dass der dem Stehkragen angesetzte kleine runde und abstehende Streifen in erster Linie nur als dekorativ oder auch zweckmäßig, aber nicht betriebskennzeichnend angesehen werde. Hierbei sei auch dem Kriterium Rechnung zu tragen, dass der Rückbezug auf historische Formen durchaus auch als besonderes Stilmittel gewählt werde. Schließlich spreche auch einiges dafür, dass es sich bei dem Anmeldezeichen um eine freihaltebedürftige Gestaltung handle, was aber im Hinblick darauf, dass bereits das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft entgegenstehe, dahingestellt bleiben könne.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, die sie nicht begründet hat.

Der Senat hat zusammen mit der Ladung vom 13. Juli 2022 zur mündlichen Verhandlung seine vorläufige Rechtsauffassung dargelegt.

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 16. Juni 2021 aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, die angemeldete Kragenform sei neu und entspreche dem Architekturstil des Neoklassizismus. Es handle sich um eine Kragenform, die sie sozusagen aus der historischen Entwicklung in der Modebranche kreiert habe. Ferner macht sie geltend, dass einige auf dem Markt befindliche Kragenformen Nachahmungen der angemeldeten Gestaltung darstellten. Ihre [X.] habe sie nämlich nach Anmeldung ihrer Marke anderen Designern bzw. Modelabels angeboten, die diese dann ohne ihre Zustimmung verwendet hätten.

Im Amtsverfahren hat sie zudem vorgetragen, dass das dreidimensionale Anmeldezeichen unterscheidungskräftig sei, weil es von der branchenüblichen Norm erheblich abweiche. Diese Abweichung von der Branchenüblichkeit werde von den relevanten Kundenkreisen nicht nur als bloßes Gestaltungsmerkmal oder aber als Ausdruck des Bemühens, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu gestalten, gesehen, sondern als Herkunftshinweis. Heutige, gebräuchliche Kragenformen seien auf etwa vierzehn typische Kragenformen reduziert. Diese stellten die Branchenüblichkeit bei dieser Art des [X.] bei einem Bekleidungsstück dar. Im Bereich der Haute Couture möge es bei einigen [X.] zwar davon abweichende Kragenformen geben. Diese seien jedoch entweder Rückbezüge auf historische Formen, die auf die Haute Couture beschränkt blieben, nicht den Weg in die Alltagsmode fänden und daher oft auch gar nicht der Allgemeinheit bekannt würden, oder aber sie entsprächen eben den Grundformen, da insofern auch nur eine begrenzte Anzahl von [X.] existierten. Von diesen klassischen Kragenformen weiche die beanspruchte Form als „Fliegender Kragen“ deutlich ab. Die Kragenform der Anmeldung bestehe aus einem als [X.] dienenden Stehkragen mit einem darauf angesetzten, runden Streifen oder Ringscheibensegment, der/das gleichmäßig breit sei und somit gleichmäßig vom Stehkragen abstehe. Es handele sich um eine Abwandlung des gezeigten Stehkragens, der jedoch durch die aufgesetzten Streifen bzw. das aufgesetzte Ringscheibensegment gerade die Schlichtheit des Stehkragens verliere. Die runde Form des aufgesetzten Streifens widerspreche stark allen Kragenformen, die aus zwei Ecken bestünden, wie dem Kentkragen und seinen Abwandlungen. Im Gegensatz zu einem Reverskragen, Schalkragen, Matrosenkragen und [X.] liege der Umschlag der Stoffseite auch nicht auf der Brust auf, sondern stehe vom Hals ab. Im Gegensatz zum Roll- und Troyerkragen sei der Hals nicht komplett mit Stoff umfasst, sondern der runde, aufgesetzte Stoffstreifen stehe vom Hals ab, ohne dabei wie eine aufwendige Halskrause zu wirken, die im 17. Jahrhundert modern gewesen sei und teilweise noch in [X.] Kirchen als liturgische Kleidung verwendet werde. Durch diese starken Unterschiede in der Gestaltung dieses [X.] falle die Kragenform daher aus dem verkehrsüblichen Rahmen und stelle eine besondere Eigenart und Originalität dar. Diese vermittle bereits aus diesem Grund einen betrieblichen Herkunftshinweis. Die erhebliche Abweichung vom verkehrsüblichen Rahmen sei auch nicht nur Ausdruck einer besonderen ästhetischen Gestaltung. Dabei sei zu beachten, dass es im Bereich der Bekleidung bereits Kragen gebe, die mit einer bestimmten Herkunft verknüpft würden. So sei der [X.] bekannt, der nach dem Modehaus [X.] benannt sei. Der Verkehr sei also daran gewöhnt, dass im [X.] bestimmte Bekleidungsstücke und auch Teile davon aus einem bestimmten Unternehmen stammten und auf die betriebliche Herkunft verwiesen. Daher sei auch die in der Markenanmeldung beanspruchte Kragenform geeignet, aufgrund ihrer Originalität und Eigenart und vor dem Hintergrund, dass im Verkehr auch eine bestimmte Kragenform als Herkunftshinweis erkannt werde, als Herkunftshinweis zu dienen.

Die Parallelanmeldung des dreidimensionalen Zeichens beim [X.] ([X.]), die die Priorität der verfahrensgegenständlichen Markenanmeldung in Anspruch nimmt, wurde mit Entscheidung des [X.] vom 3. August 2020 vollständig zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Entscheidung der 5. Beschwerdekammer vom 25. Februar 2021 zurückgewiesen und die gegen diese Entscheidung erhobene Klage hat die Fünfte Kammer des Gerichts der Europäischen Union ([X.]) mit Urteil vom 23. März 2022 abgewiesen. Die Anmelderin hat mit Schriftsätzen vom 20. Mai 2022 - die sie in der mündlichen Verhandlung in Kopie zum hiesigen Verfahren eingereicht hat - Rechtsmittel zum [X.] eingelegt und die Zulassung des Rechtsmittels wegen für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsamen Fragen beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Eintragung der dreidimensionalen Gestaltung als Marke steht das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher gemäß § 37 Abs. 1 [X.] zu Recht die Eintragung versagt.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.]H [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.], 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.]H [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [BioID]; [X.] 2016, 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Die Prüfung selbst, ob das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft vorliegt, darf sich dabei aber nicht auf ein Mindestmaß beschränken, sondern muss streng, vollständig, eingehend und umfassend sein (vgl. [X.]H GRUR 2019, 1194 Rn. 28 AS/[X.] – #darferdas? unter ausdrücklicher Bezugnahme auf [X.]H GRUR 2003, 604 Rn. 59 – Libertel).

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.]H GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] 2018, 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] 2013,1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.]H GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/[X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Markenform allein zu prüfen, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren einen Herkunftshinweis sieht. Eine dreidimensionale Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird allerdings vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wort- oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Während ein weder beschreibendes noch rein werbemäßiges Wort oder Bild die erforderliche Herkunftsfunktion in der Regel ohne Weiteres erfüllen kann, wird die Form einer Ware in der Regel zunächst nur als funktionelle oder ästhetische Gestaltung, nicht aber als Hinweis auf den betrieblichen Ursprung der Ware verstanden. Die Form der Ware identifiziert also in erster Linie die Ware selbst, nicht aber deren betriebliche Herkunft ([X.]H GRUR 2003, 514 – Linde, [X.]; [X.] 2011, 148 – [X.]). Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung nicht auf die betriebliche Herkunft (vgl. [X.]H GRUR Int. 2019, 812 Rn. 32 – [X.]/[X.] [[X.] - [X.]]; GRUR Int. 2005, 135 Rn. 30 – [X.]; [X.] 2017, 1262 Rn. 18 – [X.]; [X.], 138 Rn. 24 f. – [X.]). Einer Marke, die in der Form einer Ware besteht, kommt nur dann Unterscheidungskraft zu, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (vgl. [X.]H [X.], Rn. 31 – Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842 Rn. 26 – [X.]/[X.]; [X.] 2017, 1262 Rn. 19 – [X.]). Mit dem Merkmal der erheblichen Abweichung ist jedoch nur gemeint, dass die Besonderheiten, die die beanspruchte Form gegenüber üblichen Gestaltungen aufweist, geeignet sein müssen, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden (vgl. [X.]H a. a. [X.] Rn. 33 – [X.]/[X.] [[X.] - [X.]]; [X.] 2017, 1262 Rn. 19 – [X.]; [X.], 71 Rn. 24 – Fronthaube; [X.], 679 Rn. 17 – [X.]). Bloße Varianten handelsüblicher Formen werden in der Regel nicht als Herkunftshinweis aufgefasst (vgl. [X.]H GRUR Int. 2006, 842 Rn. 29 f. – [X.]/[X.]; [X.] 2010, 138 Rn. 27 – [X.]).

Diese Rechtsprechung ist auch dann anwendbar, wenn ein Anmeldezeichen nur einen Teil der beanspruchten Waren darstellt (vgl. [X.]H a. a. [X.] Rn. 33 – [X.]/[X.] [[X.] - [X.]]).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten dreidimensionalen Gestaltung im vorliegenden Warenkontext zu verneinen. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen.

a) Die beanspruchten Waren der Klassen 25 und 28 richten sich an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Die Waren der [X.], also die Schnittmuster, werden neben den Fachkreisen aus dem Bereich der Schneidereien auch von Hobbyschneiderinnen und –schneidern bzw. vom an Näharbeiten interessierten Publikum nachgefragt.

b) Maßgeblich ist somit, ob diese angesprochenen Verkehrskreise unter Berücksichtigung der ihnen bekannten Gestaltungen auf dem Markt die konkrete Gestaltung lediglich als bloßes Design ansehen, das sich im Rahmen handelsüblicher Formen bewegt, oder ob sich die Gestaltung derart von der Norm und der Branchenüblichkeit abhebt, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dieser einen Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem Unternehmen erkennen.

Die beanspruchte Form einer Oberbekleidung mit Kragen zeigt einen [X.] in Form eines Stehkragens sowie ein Ringscheibensegment, das quer zu dem [X.] aufgebracht ist. Bei dem [X.] handelt es sich – wie die Anmelderin selbst vorträgt – um eine übliche Gestaltung. Das Ringscheibensegment, das von der Anmelderin auch als auch „fliegender Kragen“ bezeichnet wird, mag kreativ und ansprechend gestaltet sein, es weist aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weder als solches noch nach dem maßgeblichen Gesamteindruck in Kombination mit dem [X.] derartige Besonderheiten auf, die den Verkehr dazu veranlassen würden, darin einen betrieblichen Herkunftshinweis zu erblicken. Ergänzend wird auch auf die Entscheidung der 5. Beschwerdekammer des [X.] vom 25. Februar 2021 sowie die Entscheidung des [X.] vom 23. März 2022 in Sachen der Unionsmarkenanmeldung 017975716 Bezug genommen.

aa) Für die Beurteilung der Frage, ob der Verkehr eine Produktgestaltung als branchenüblich ansieht, ist in erster Linie auf den betroffenen [X.] abzustellen (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 24 – Schokoladenstäbchen III; [X.], 138 Rn. 24 - [X.]). Hierbei können allerdings auch Gestaltungsformen aus benachbarten [X.] berücksichtigt werden, wenn aufgrund der konkreten Umstände mit einer Übertragung der Verkehrsanschauung auf den betroffenen [X.] zu rechnen ist (vgl. [X.] 2017, 730 Rn. 25 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 26 f. - [X.]).

In der hier betroffenen Bekleidungsbranche werden jährlich Kollektionen mit immer wieder wechselnden und neuen Modetrends vorgestellt bzw. auf den Markt gebracht. Dabei sind verschiedenste Kragenformen, auch als „ungewöhnlich“ bezeichnete bzw. angepriesene, weit verbreitet. Neben den im [X.]n Verfahren eingeführten Kragengestaltungen - auf die der Senat in dem Ladungszusatz Bezug genommen hat - belegen die von der Markenstelle recherchierten Formen unter

- https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=%22au%C3%9Fergew %C3%B6hnliche+Kragenformen);

- https://www.pinterest.ie/pin/504051383271628509/?d=t&mt=signup;

- https://www.pinterest.de/katzkowski/kragenl%C3%B6sungen/;

- https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=%22au%C3%9Fergew %C3%B6hnliche+Kragen);

diese Vielfalt von Grundformen und deren Varianten. Der Einwand der Anmelderin, heutige gebräuchliche Kragenformen seien auf etwa vierzehn typische Formen reduziert, verfängt daher nicht.Soweit die Beschwerdeführerin ferner einige auf dem Markt befindliche Kragenformen für Nachahmungen ihrer angemeldeten Gestaltung hält, ist dieser Vortrag ebenfalls unbehelflich. Denn bei der Feststellung der branchenüblichen Gestaltungen ist auf den maßgeblichen Anmeldezeitpunkt abzustellen, so dass die erst danach entstandenen Formen das Branchenumfeld gar nicht zu beeinflussen vermochten. Die Beschwerdeführerin selbst hat nämlich erklärt, dass sie ihre [X.] erst nach Anmeldung ihrer Marke anderen Designern bzw. Modelabels angeboten habe. Das in der mündlichen Verhandlung von der Anmelderin - als Beispiel für eine Nachahmung - gezeigte Modell ist jedenfalls von der Markenstelle zum Beleg der Gestaltungsvielfalt nicht herangezogen worden.

Schließlich ist hinsichtlich der Feststellung der Norm und Branchenüblichkeit auch zu berücksichtigen, dass mehrere [X.] beansprucht werden (z. B. Bekleidungsstücke, Bekleidungsstücke für den Theatergebrauch), unter die Kleidungsstücke für Theater- und Kostümzwecke fallen oder subsumiert werden können, so dass insoweit aus nahezu allen Epochen der Mode Kragenformen herangezogen werden können und müssen.

bb) Zwar unterscheidet sich der angemeldete Kragen in dem Ringscheibensegment von anderen zum Anmeldezeitpunkt auf dem Markt befindlichen Formen. Angesichts der unübersehbaren Formenvielfalt wird das Publikum aber auch neue Formen regelmäßig nur dem Bemühen um eine neuartige, sich von anderen Waren dieser Art abhebende, gegebenenfalls auch originelle Gestaltung zuschreiben. Dieses Verständnis des Verkehrs ist auch vorliegend zu erwarten. Die angemeldete Warenform weicht nämlich nicht erheblich von den auf dem Gebiet der Schnittmuster, (Ober)Bekleidung sowohl für Menschen als auch für Puppen oder Stofftiere branchenüblichen Produktformen für Oberbekleidung ab. Sie ist – wie ein Vergleich ergibt - nicht derart ungewöhnlich, dass daraus der Schluss gezogen werden könnte, der Verkehr werde in ihr mehr als nur eine weitere Kragengestaltung sehen. Die Originalität sowie auch die Neuheit eines Anmeldezeichens stellen im Übrigen – worauf die Anmelderin bereits mehrfach hingewiesen wurde - keine maßgeblichen Kriterien für deren Unterscheidungskraft dar ([X.] GRUR 2011, 425 – Goldhase, bestätigt durch [X.]H [X.], 925 – Goldhase).

cc) Soweit die Anmelderin schließlich geltend macht, der Verkehr sei daran gewöhnt, dass im [X.] bestimmte Bekleidungsstücke und auch Teile davon aus einem bestimmten Unternehmen stammten und auf die betriebliche Herkunft verwiesen, kann aus diesem Vorbringen nicht auf eine entsprechende Branchenübung geschlossen werden, durch besondere Kragengestaltungen Herkunftshinweise zu geben. So hat die Anmelderin solche Kennzeichnungsgepflogenheiten und die Bekanntheit eines bestimmten „[X.]s“ pauschal behautet, ohne Belege hierfür zu nennen. Dem Senat ist eine solche Branchenübung nicht bekannt und er vermochte insbesondere keinerlei Nachweise für die Eignung der Form eines „[X.]s“ als betrieblicher Herkunftshinweis zu finden. Auch entsprechende Marken- oder Designrechte an diesem Kragen waren nicht recherchierbar.

dd) Im Hinblick auf die bereits zum Anmeldezeitpunkt bestehende erhebliche Formenvielfalt wird der Verkehr in der hier beanspruchten Kragenform in seinem Gesamteindruck in Bezug auf die Waren der [X.], bei denen es sich überwiegend um Oberbekleidung bzw. um solche Kleidungsstücke handelt, die mit einem Kragen versehen sind bzw. sein können, nur eine weitere Variante typischer modischer Kragen sehen. Da es auch auf dem Gebiet der Puppen- und Teddybekleidung eine enorme Formenvielfalt gibt, gilt diesbezüglich Entsprechendes. Soweit diejenigen Waren der [X.], die keine Oberbekleidung darstellen und keinen Kragen aufweisen können (so z. B. Chaps, Golfhosen und –röcke), mit der als Marke beanspruchten Oberbekleidung mit Kragenform „gekennzeichnet“, mithin damit verbunden oder zusammen verpackt sind, wird der Verbraucher darin lediglich ein [X.] sehen, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis. In Bezug auf die Waren der [X.] gibt das Anmeldezeichen die Waren, also die Schnittmuster, wieder, anhand derer die Kragenform der Bekleidungsstücke geschneidert werden kann.

Die dreidimensionale Gestaltung ist daher nicht geeignet, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden.

Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.

3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum [X.] ([X.]) oder eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ([X.]H) waren weder von der Beschwerdeführerin angeregt worden noch waren sie geboten. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung steht nicht im Raum (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Die der Entscheidung zugrundeliegenden [X.] entsprechen der im Eingang zitierten langjährigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.]H zu [X.]. Aus diesem Grund war auch eine Vorlage an den [X.]H - selbst unter Berücksichtigung der im [X.]n Parallelverfahren von der Anmelderin beantragten Zulassung eines Rechtsmittels zum [X.]H und deren Begründung - nicht erforderlich.

Meta

29 W (pat) 531/21

14.09.2022

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2022, Az. 29 W (pat) 531/21 (REWIS RS 2022, 7381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7381

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