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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Rohmilch; strengerer Hygienemaßstab im nationalen Recht als die europäische Bestimmung
Der Kläger führt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Schwerpunkt Milcherzeugung. Am Standort des Stammbetriebs hat er einen Milchautomaten zur Abgabe von Rohmilch an Kunden ("Milch-ab-Hof-Abgabe") aufgestellt. [X.]. zwei Kilometer entfernt befindet sich eine zweite Betriebsstätte mit dem Stallgebäude für die Unterbringung der Milchkühe und der Melk-Technik. Mit Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 untersagte das zuständige Landratsamt dem Kläger, Rohmilch aus dem Milchautomaten abzugeben und in den Verkehr zu bringen. Das Landratsamt stützte sein Einschreiten auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und führte zur weiteren Begründung aus, die Milchabgabe am Standort des Stammbetriebs verstoße gegen § 17 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung - [X.]), weil sie nicht am Ort der Milcherzeugung erfolge und deshalb nicht als "Abgabe im [X.]" im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] anzusehen sei. Den Widerspruch des [X.] wies das [X.] mit Bescheid vom 6. Juli 2010 zurück. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil zur Begründung ausgeführt: Die Untersagungsverfügung sei rechtmäßig. Zwar finde sie ihre Ermächtigung nicht in § 39 Abs. 2 LFGB, sondern wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr. 882/2004. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage sei hier aber zulässig; denn da sich die Vorschriften hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen und der Rechtsfolgen nicht erheblich unterschieden, werde weder der angefochtene Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert noch die Rechtsverfolgung für den Kläger erschwert. Die Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des [X.] verstoße gegen § 17 [X.]. Die Bestimmung sei unionsrechtskonform; die nationale Regelungskompetenz ergebe sich aus Art. 10 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] begrenze die [X.] räumlich auf den [X.]. Weise ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten auf, sei das die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen werde. Für diese Auslegung sprächen vor allem der Wortlaut und der hygienerechtliche Schutzzweck der Norm. Ein Transport der Rohmilch erhöhe das Risiko einer bakteriellen Verunreinigung und sei daher zu unterbinden. Die angefochtene Verfügung leide auch nicht an einem Ermessensfehler. Als geeignete und erforderliche Maßnahme im Sinne des Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 882/2004 sei hier allein die Untersagung der streitigen Milchabgabe in Betracht gekommen. Das Verbot erweise sich schließlich nicht als unverhältnismäßig.
Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Berufungsurteil hat keinen Erfolg. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.
1. Der Kläger hält für klärungsbedürftig,
"ob im Sinne der gebotenen europarechtsgemäßen Auslegung des nationalen Rechts § 17 Abs. 4 [X.] dahin-gehend auszulegen ist, dass unter Einhaltung der [X.] Hygienestandards eine Milchabgabe im [X.] erlaubt ist".
Er meint, dass die berufungsgerichtliche Auslegung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit den Zielvorstellungen der Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004 nicht im Einklang stehe, weil der Verwaltungsgerichtshof einen strengeren Hygienemaßstab zugrunde gelegt habe als ihn die [X.] Bestimmungen vorgäben. Aus der Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004 ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die unmittelbare Abgabe von Rohmilch an den Verbraucher dort zu erfolgen habe, wo das Milchvieh gehalten werde.
Damit zeigt der Kläger keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die aufgeworfene Frage lässt sich anhand der unionsrechtlichen Vorschriften ohne weiteres beantworten und erfordert deshalb nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, Rohmilch werde nur dann im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] "im [X.]" abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolge, verstößt nicht gegen die Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs ([X.]. L 139 S. 55; zuletzt geändert durch Verordnung
Einem Mitgliedstaat ist es auch nicht verwehrt, bei einer Regelung im Sinne von Art. 10 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004 ein höheres Gesundheitsschutzniveau oder einen strengeren Hygienemaßstab zugrundezulegen als ein anderer Mitgliedstaat. Mit der Ermächtigung zum Erlass einzelstaatlicher Vorschriften für die [X.] an Verbraucher bringt der [X.] Verordnungsgeber zum Ausdruck, dass diese Materie nicht Gegenstand einer Harmonisierung auf Unionsebene ist. Es obliegt daher der Einschätzung und Beurteilung des einzelnen Mitgliedstaates, ob und inwieweit es im Interesse eines hohen [X.] und Verbraucherschutzniveaus (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung <[X.]> Nr. 853/2004) geboten ist, die Abgabe von Rohmilch zu untersagen oder einzuschränken. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass der Regelungszweck von § 17 Abs. 1 und Abs. 4 [X.] darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind ([X.] unter Hinweis auf die amtliche Begründung zu § 17 [X.], [X.]. 327/07 S. 170). Er hat weiter festgestellt, es liege in der Natur von Rohmilch, dass sie Bakterien enthalten könne, die die Gesundheit der Verbraucher schädigen könnten, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC oder Listerien. Ein Anfangskeimgehalt der Milch könne sich aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhten die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen [X.]. Darüber hinaus könne eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen ([X.] f.). Ausgehend von diesen Feststellungen, die der Kläger mit seiner Beschwerde nicht angegriffen hat, ist nicht ersichtlich, dass § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] in der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr von Art. 10 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 853/2004 gedeckt ist.
2. Die zweite von dem Kläger aufgeworfene Frage,
"ob ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage dann möglich ist, wenn die in Betracht kommenden [X.] sich in Bezug auf die gesetzlich vorgegebenen Handlungsmöglichkeiten unterscheiden",
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Die Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat für den Streitfall keine relevanten Unterschiede zwischen § 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr. 882/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz ([X.]. [X.]; zuletzt geändert durch Verordnung
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Meta
13.07.2015
Bundesverwaltungsgericht 3. Senat
Beschluss
Sachgebiet: B
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 16. Juni 2014, Az: 9 S 1273/13, Urteil
§ 17 Abs 4 S 1 Nr 1 Tier-LMHV, Art 10 Abs 8 Buchst a EGV 853/2004
Zitiervorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.07.2015, Az. 3 B 49/14 (REWIS RS 2015, 8309)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 8309
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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