Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2005, Az. StB 15/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 1083

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[X.][X.] StE 4/02-5 StB 15/05 vom 28. Oktober 2005 in dem Strafverfahren gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 28. Oktober 2005 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen: Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] in [X.] vom 26. August 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe: [X.] Der Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 27. November 2001 am 29. November 2001 we-gen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Zu-sammenhang mit den [X.] vom 11. September 2001 in Untersuchungshaft genommen. Nachdem der [X.] gegen ihn Anklage zum [X.] in [X.] erhoben hatte, änderte dieses am 17. September 2002 den [X.] dahin ab, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum [X.] dringend ver-dächtig sei. Am 19. Februar 2003 verurteilte das [X.] den Ange-klagten wegen Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jah-- 3 - ren. Gleichzeitig beschloss es die Fortdauer der Untersuchungshaft. Nachdem der Senat das Urteil vom 19. Februar 2003 am 4. März 2004 aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen hatte ([X.], 1259), änderte dieses mit Beschluss vom 7. April 2004 den Haftbefehl dahin ab, dass der Angeklagte lediglich noch der Mitgliedschaft in einer terroristi-schen Vereinigung dringend verdächtig sei; gleichzeitig setzte es den [X.] gegen Auflagen außer Vollzug. Das [X.] hat den [X.] nunmehr am 19. August 2005 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und gleichzei-tig den Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Das Urteil haben der Angeklagte und der [X.] mit der Revision angefochten. Der Angeklagte hat außerdem den Antrag gestellt, ihn erneut vom Vollzug der [X.] zu verschonen. Dieses Begehren hat das [X.] als Haftprü-fungsantrag ausgelegt und mit Beschluss vom 26. August 2005 zurückgewie-sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom [X.] 2005. Der Angeklagte macht namentlich geltend, ein dringender Tatver-dacht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sei gegen ihn nicht begründet und im Übrigen fehle es an neuen, nach dem [X.] vom 7. April 2004 hervorgetretenen Umständen, die es erfor-derlich machten, den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen. Das [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen. I[X.] Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den erneuten Vollzug der Untersuchungshaft liegen vor. - 4 - 1. Der Angeklagte ist der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das [X.] hat ihn nach § 129 a Abs. 1 StGB aF schuldig gesprochen, also die Überzeu-gung seiner Täterschaft gewonnen. Durch ein verurteilendes Erkenntnis wird der dringende Tatverdacht - in aller Regel - hinreichend belegt, ohne dass dies bei der Entscheidung nach § 268 b StPO gesonderter Prüfung und Begründung bedarf ([X.], 276, 277). Hinzu kommt hier, dass die Beweiswürdi-gung und Überzeugungsbildung des [X.]s, die zur Verurteilung des Angeklagten geführt hat, auf die eingelegten Revisionen allein noch der Überprüfung auf Rechtsfehler unterliegt. Diesen Verfahrensstand hat der Senat bei der Bewertung des Tatverdachts gegen den Angeklagten zu berücksichti-gen. Er könnte daher von der diesbezüglichen Beurteilung des [X.] nur dann abweichen, wenn bereits jetzt erkennbar wäre, dass dessen Beweiswürdigung revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhalten kann (vgl. [X.], 276). Dies ist nicht der Fall. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Das [X.] hat die Grundzüge seiner Über-zeugungsbildung im Beschluss vom 26. August 2005 dargelegt. Den [X.] kann nicht entnommen werden, dass seine Beweiswürdigung zwingend oder mit großer Wahrscheinlichkeit durch Rechtsfehler beeinflusst ist. 2. Gegen den Angeklagten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) sowie der Haftgrund nach § 112 Abs. 3 StPO. Dies hat das [X.] in seinen Haftentscheidungen vom 7. April 2004 sowie 19. und 26. August 2005 im Einzelnen zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus dem sonstigen Akteninhalt werden Umstände erkennbar, die geeignet wären, der Beurteilung des [X.]s die Grundlage zu entziehen. - 5 - 3. Mit der Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von [X.] ist ein neuer Umstand hervorgetreten, der es erforderlich machte, den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO). Zwar weist der Beschwerdeführer im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass [X.] die Verurteilung zu einer Strafe, mit deren Verhängung der Angeklagte be-reits zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls rechnen konnte, in aller Regel nicht als neu hervortretender Umstand in diesem Sinne verstan-den werden kann. Vielmehr kann ein durch das Urteil gesteigerter [X.], der die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls erfordert, im Allgemeinen nur dann bejaht werden, wenn die verhängte Strafe deutlich über der vom Ange-klagten zu erwartenden liegt, und der Haftbefehl daher schon nicht außer Voll-zug gesetzt worden wäre, wenn das Haftgericht von vornherein eine Strafe in dieser Höhe in Betracht gezogen hätte (vgl. etwa [X.] 1999, 322 f.; OLGSt § 116 StPO Nr. 4; OLG Düsseldorf StV 2000, 211 m. Anm. [X.]; [X.] 2002, 142, 143; [X.] StV 2003, 512 f.; [X.], 31; 2004, 493). So liegt es indessen hier. Soweit sich der [X.] demgegenüber darauf beruft, dass das [X.] bei seiner Entscheidung vom 7. April 2004, mit der es den Haftbefehl geändert und gleichzeitig außer Vollzug gesetzt hat, die Fluchtgefahr unter anderem darauf gestützt hat, dass der Angeklagte auch bei einer Verurteilung allein wegen Mit-gliedschaft in einer terroristischen Vereinigung mit "einer ganz erheblichen mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen" habe, und mit einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren nunmehr genau eine solche Strafe verhängt worden sei, verkennt er, dass allein mit dem Begriff "der ganz erheblichen mehrjährigen Freiheitsstrafe" ein konkretes Strafmaß nicht hinreichend bestimmt umschrie-ben ist. Im Hinblick auf den durch § 129 a Abs. 1 StGB aF eröffneten Strafrah-men von Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und zehn Jahren kann hiermit für - 6 - sich vielmehr ein höchst unterschiedliches Verständnis verbunden werden. Hierauf weist der [X.] mit Recht hin. Maßgeblich ist daher, dass das [X.] durch seine weiteren Ausführungen seine [X.] davon, was unter einer ganz erheblichen mehrjährigen Freiheitsstrafe im konkreten Fall zu verstehen sei, für einen mit den einschlägigen rechtlichen Zusammenhängen Vertrauten deutlich klargestellt hat. Denn es hat die [X.] maßgeblich darauf gestützt, dass der Ange-klagte sich im Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits seit zwei Jahren und vier Monaten in Untersuchungshaft befinde, so dass im Falle einer Verurteilung wegen der Straftat, für die der dringende Tatverdacht noch bestehe, die zu er-wartende Freiheitsstrafe zu einem nicht unbeträchtlichen Teil bereits durch [X.] der Untersuchungshaft als verbüßt anzusehen sei. Das [X.] hat den weiteren Vollzug des Haftbefehls damit erkennbar aus [X.] ausgesetzt, um zu vermeiden, dass die im Falle einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraus-gesetzte Mindestverbüßungsdauer nicht schon weitgehend durch die [X.] (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) erreicht oder gar über-schritten wird. Damit wird deutlich erkennbar, dass das [X.] in diesem Zeitpunkt - wie es im Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat - für den Fall der Verurteilung eine Freiheitsstrafe von allenfalls vier bis fünf Jahren in Erwägung gezogen hatte. Den [X.], der für den Angeklagten von dem bei einer derartigen Strafe nach Anrechnung der Untersuchungshaft noch zu verbüßenden [X.] ausging, hatte es durch die ihm mit der [X.] erteilten Weisungen als hinreichend kompensiert angesehen. Diese Einschätzung des [X.]s war auch für den anwaltlich beratenen Angeklagten nicht zu verkennen. - 7 - Auf dieser Grundlage geht das [X.] zutreffend davon aus, dass mit der nunmehr verhängten Freiheitsstrafe eine wesentlich schärfere Sanktion ausgesprochen wurde, als sie der Angeklagte bei Außervollzugset-zung des Haftbefehls erwarten konnte. Seine Einschätzung, dass hierdurch die Fluchtgefahr in einer Weise erhöht worden sei, dass ihr die dem Angeklagten nach § 116 Abs. 1 StPO erteilten Weisungen nicht mehr hinreichend entge-genzuwirken vermögen, ist nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen nicht zu beanstanden. Danach hält die Entscheidung des [X.]s, den Angeklagten wieder in Untersuchungshaft zu nehmen, den Angriffen der Beschwerde Stand, ohne dass es auf die weiteren Ausführungen ankommt, die das [X.] zur Rechtfertigung seiner Entscheidung in den Nichtab-hilfebeschlüssen nachgeschoben hat. 4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft ist trotz ihrer nunmehr er-reichten Dauer von zwei Jahren und sieben Monaten im Hinblick auf die Be-deutung des Verfahrens und die verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren noch nicht unverhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). [X.]

[X.]

Meta

StB 15/05

28.10.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2005, Az. StB 15/05 (REWIS RS 2005, 1083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1083

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