Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 170/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3695

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR
170/13
Verkündet am:

29.
Juli 2014

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 11. Juli 2014 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch
den
Vorsitzenden
[X.]
Dr.
Bergmann
und
den [X.]
Dr. Strohn, die
Richterinnen Caliebe, [X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 20. Zivilse-nats des [X.] vom 13. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 4. Juli 2001 als aty-pisch stiller Gesellschafter an der [X.] mit einem Gesamtbetrag von 61.400 DM und einem Agio von 5 %, und zwar in der Beteiligungsvariante bei der die Einlage in Raten bezahlt wird, mit einem Betrag in Höhe von 26.400
DM.
Mit der Behauptung, der Vermittler, dessen Verhalten sich die [X.] zurechnen lassen müsse, habe ihn falsch beraten, ferner weise der für seine 1
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Anlageentscheidung maßgebliche Emissionsprospekt Stand 2001/2002 zahlrei-che, von
ihm im Einzelnen dargelegte Fehler auf und die [X.] sei ihm [X.] zum Schadensersatz verpflichtet, hat der Kläger von der [X.] [X.] entgangenen Gewinns in Höhe voden Darlehensverbindlichkeiten, die er zur Teilfinanzierung der Beteiligungen eingegangen ist, und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. [X.] hat er die Feststellung begehrt, dass der [X.] ihm gegenüber aus der Beteiligung keinerlei Ansprüche mehr zustehen. Einen Hilfsantrag auf Erteilung von Auskunft über das [X.] als erste Stufe einer auf Auszahlung dieses Guthabens gerichteten Stufenklage hat die [X.] aner-kannt.
Das [X.] hat die Klage hinsichtlich der [X.] abgewiesen und ihr hinsichtlich des hilfsweise gestellten Auskunftsantrags durch Teilaner-kenntnisurteil stattgegeben. Die Berufung des [X.] gegen die Abweisung seiner [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragt, verfolgt der Kläger dieses Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:

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Das Vorliegen einer der [X.] zurechenbaren Aufklärungspflichtver-letzung und von Prospektfehlern könne dahinstehen, da dem Kläger ein [X.] auf Ersatz seines [X.] nach den regelmäßig auch auf eine stille Gesellschaft anwendbaren Grundsätzen über die fehlerhafte Gesell-schaft nicht zustehe. Nach diesen Grundsätzen sei es einem Gesellschafter verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des [X.] einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen; vielmehr sei er regelmäßig auf seinen Abfindungsanspruch be-schränkt.
Das streitgegenständliche Gesellschaftsverhältnis sei kein zweigliedri-ges, bei dem die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegenstünden, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sei, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte dieser den Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen. Es liege vielmehr eine mehrgliedrige stille Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft vor, bei der die Grundsätze der fehlerhaften [X.] dem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage entgegenstünden.
I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, son-dern der Kläger einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publi-kumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall et-waiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat in den am 19. November 2013 verkündeten Urteilen in entsprechende Beteiligungen an der [X.] betreffenden
Parallelverfahren im Einzelnen 6
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begründet hat ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.]Z 199, 104 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch des [X.] auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihm -
nach seinem Vorbringen
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durch pflichtwidriges Verhalten der für die [X.] handelnden Personen im [X.] mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von [X.] aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhält-nis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort [X.] Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) [X.] gegebenenfalls zustehenden Abfin-dungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausge-henden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung et-waiger Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II
ZR
383/12, [X.]Z 199, 104 Rn. 28 ff.).
2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die [X.] zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage hinsichtlich der [X.] daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
a) Dass das Berufungsgericht lediglich das auf Schadensersatz gerichte-te Hauptbegehren abgewiesen hat, weil die [X.] in erster Instanz den Hilfsantrag des [X.] auf Berechnung und Auszahlung des Auseinanderset-10
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zungsguthabens in erster Stufe anerkannt hat, führt nicht etwa dazu, dass die Entscheidung im Einklang mit den oben dargestellten rechtlichen Vorgaben steht. Dem Kläger hätte vielmehr
Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Vortrag an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben dargelegten rechtli-chen Vorgaben anzupassen. Ein Geschädigter ist nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 4 mwN). Der Kläger kann insoweit nicht darauf verwiesen werden, dass seinen Hilfsan-trägen auf erster Stufe stattgegeben wurde. Mit diesen hat er nämlich lediglich die Verurteilung der [X.] zur Errechnung und Auszahlung des Auseinan-dersetzungsguthabens begehrt. Einen daneben eventuell bestehenden Scha-densersatzanspruch hat er mit den [X.] nicht verfolgt. Diese Möglich-keit muss ihm im Rahmen einer Umstellung seines [X.] eingeräumt werden.
b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatz-begehren des [X.] zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinander-setzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der [X.] befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die [X.] darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch des [X.] gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren des 12
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[X.] dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei-nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonsti-gen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der [X.] im Zeit-punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit der Kläger Gelegenheit hat, seine [X.] umzustel-len und das Berufungsgericht die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu
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den tatsächlichen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann.

Bergmann

Strohn

Caliebe

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.10.2012 -
32 O 29628/11 -

OLG München, Entscheidung vom 13.03.2013 -
20 U 4526/12 -

Meta

II ZR 170/13

29.07.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 170/13 (REWIS RS 2014, 3695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3695

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 383/12

II ZR 320/12

VI ZR 17/11

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