Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 102/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3732

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR
102/13
Verkündet am:

29. Juli 2014

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 11. Juli 2014 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch
den
Vorsitzenden
[X.]
Dr.
Bergmann
und
den [X.] Dr. Strohn, die Richterinnen [X.], [X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 30. Januar 2013 aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 12. Dezember 2002 als atypisch stiller Gesellschafter an der Rechtsvorgängerin der Beklagten im

bei der die Ausschüttungen aus der Einmalanlage 1
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Agio.
Mit der Behauptung, der für seine Anlageentscheidung maßgebliche Emissionsprospekt Stand 2002 weise zahlreiche, von ihm im Einzelnen darge-legte Fehler auf, außerdem habe der Vermittler die Risiken nicht richtig darge-stellt und die Beklagte sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet, hat der Kläger von der Beklagten Rückzahlung seiner Einlage nebst Agio in Höhe von 21.200

t-die Feststellung begehrt, dass der Beklagten ihm gegenüber keinerlei [X.] mehr zustehen.
Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben.
Mit der vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte [X.], verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft von der Beklagten keinen Schadensersatz wegen mangelhafter Aufklärung in Bezug auf seinen Beitritt als atypisch stiller Gesellschafter verlangen. Bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft stünden die Grundsätze über die fehlerhafte 2
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Gesellschaft jedenfalls dann, wenn die [X.] angelegt sei, dem gegen den Geschäftsinhaber gerichteten Anspruch auf Schadensersatz in Form der Einlagenrückgewähr entgegen. Der Kläger sei
einer solchen mehrgliedrigen atypisch stillen Gesellschaft beigetreten, da sich sowohl dem Emissionsprospekt als auch dem dort enthaltenen [X.] entnehmen lasse, dass das [X.] darauf ausgerichtet gewesen sei, nach Art einer Publikumsgesellschaft eine Vielzahl von Anlegern als aty-pisch stille Gesellschafter für die Finanzierung des Unternehmens zu gewinnen. Die Gesellschaft sei auch tatsächlich als mehrgliedrig ausgestaltet worden.
I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges
Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, son-dern der Kläger einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publi-kumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall et-waiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat zu dem in den wesentlichen Bestimmungen übereinstimmenden stillen Gesellschaftsvertrag einer anderen (mehrgliedrigen) stillen Gesellschaft ausge-führt hat ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.]Z 199, 104
Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.). [X.] der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch des [X.] auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihm -
nach seinem Vorbringen
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durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im [X.] mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von [X.] aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer 7
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mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhält-nis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort [X.] Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) [X.] gegebenenfalls zustehenden Abfin-dungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausge-henden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung et-waiger Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II
ZR
383/12, [X.]Z 199, 104
Rn. 28 ff.).
2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung
des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Da in der Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit [X.] beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1974 -
II ZR 27/73, [X.]Z 63, 338, 344 f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 -
II ZR 109/01, [X.]Z 153, 214, 223), kann auch im vorliegenden Fall von einer Kündigung des
(stillen) [X.] durch den Kläger ausgegangen werden. Dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwaigen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI
ZR 17/11, [X.], 50 Rn. 4 mwN) 9
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und dem Kläger daher Gelegenheit gegeben werden muss, sein Klagevorbrin-gen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben angesprochenen rechtli-chen Vorgaben der [X.] vom 19. November 2013 anzupas-sen. Für die Berechnung seines etwaigen Abfindungsanspruchs, dem die nur den weitergehenden Schadensersatzanspruch betreffende, auf die Sicherung ungeschmälerter eventueller Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter gerichtete Sperre nicht entgegenstünde, ist der Kläger zudem auf die Mitwirkung der Beklagten angewiesen, die gemäß §
16 Nr. 1 Buchst. g des stillen Gesellschaftsvertrags mit der Ermittlung des Abfindungsguthabens einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen hat.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegeh-ren des [X.] zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder [X.] der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch des [X.] gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren
des [X.] dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens
eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sons-tigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeit-11
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punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
Ist die Gesellschaft zwischen allen stillen Gesellschaftern tatsächlich aufgelöst und bestehen nach Beendigung der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsherrn und allen stillen Gesellschaftern keine [X.] mehr, so stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem verbleibenden, ggf. dem Grunde und dem Betrag nach bereits festge-stellten Schadensersatzanspruch eines geschädigten Anlegers gleichfalls nicht
zwischen geschädigten Anlegern mit ihren gegen den Geschäftsinhaber [X.] Schadensersatzansprüchen kommen. Die Mitgesellschafter stehen sich dabei jedoch nicht als solche, sondern lediglich als wie auch sonst miteinander konkurrierende Gläubiger eines Schuldners gegenüber. Aus diesem Grunde genügt es für den Wegfall des sich aus den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] ergebenden Hindernisses auch, wenn das verbleibende Vermögen des [X.] im Zeitpunkt der Entscheidung über den gegen ihn ge-richteten Schadensersatzanspruch neben diesem die (bestehenden und hypo-thetischen) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stil-len Gesellschafter deckt. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es auch [X.], um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller Gesellschafter zu befriedigen ([X.], Urteil vom 19.
November 2013 -
II
ZR
383/12, [X.]Z 199, 104 Rn. 30).
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1
ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tat-12
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sächlichen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten Scha-densersatzanspruchs treffen kann.

Bergmann

Strohn

[X.]

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.09.2012 -
9 O 3248/11 -

O[X.], Entscheidung vom 30.01.2013 -
13 U 1683/12 -

Meta

II ZR 102/13

29.07.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 102/13 (REWIS RS 2014, 3732)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3732

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 383/12

II ZR 320/12

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