Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.04.2010, Az. 9 B 95/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 7102

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Gegenstand

Gesetzgebungsrecht für Vergnügungsteuer als örtliche Aufwandsteuer


Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche [X.]edeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

2

1. Für klärungsbedürftig hält die [X.]eschwerde die Fragen

- ob ein Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2a [X.] vorliegt, wenn ein Gericht entgegen einer eindeutigen landesgesetzgeberischen Entscheidung bestimmt, dass ein bestimmter Sachverhalt strengeren gesetzlichen Vorgaben unterworfen werden soll als eben vom [X.]gesetzgeber gewollt,

- ob ein Gericht seine Entscheidung ohne Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2a [X.] auf eine gesetzliche Regelung stützen kann, wenn der [X.]gesetzgeber in Kenntnis dieser gesetzlichen Regelung seine Rechtsetzungskompetenz für eine bestimmte Materie schrankenlos auf die Kommunen übergeleitet hat,

- ob ein Gericht, indem es die gemeindliche Rechtsetzung strengeren gesetzlichen Voraussetzungen unterwirft als vom [X.]gesetzgeber bei Übertragung der Rechtsetzungsbefugnis gewollt, die aus Art. 28 Abs. 2 [X.] folgende Selbstverwaltungskompetenz, insbesondere die ihr innewohnende Rechtsetzungskompetenz der Kommunen verletzt,

- ob die Auslegung des Senats, es handele sich bei der [X.]esteuerung von sexuellen Vergnügungen um eine neue Steuer i.S.d. § 2 Abs. 2 [X.], gegen das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen aus Art. 28 Abs. 2 [X.] verstößt,

- ob eine gerichtliche Entscheidung gegen Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 6 [X.], Ertragshoheit der Gemeinde, verstößt, wenn das Land den Kommunen die Möglichkeit der Erwirtschaftung von Erträgen durch Aufhebung eines Gesetzes, damit in den Kommunen Satzungen nach dem individuellen [X.]edarf erlassen werden können, schafft, diese Ertragsmöglichkeit gegen den eindeutigen gesetzgeberischen Willen seitens des Gerichts jedoch eingeschränkt wird.

3

Sämtliche Fragestellungen wären in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie irrevisibles [X.]recht betreffen, dessen Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht nachgeprüft wird. Die Rüge, [X.]recht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des [X.] angewandt worden, vermag für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des [X.]rechts aufzuzeigen. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des [X.]([X.])rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das [X.]recht abzugeben ([X.]eschlüsse vom 21. September 2001 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.] 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 S. 28 und vom 9. März 1984 - [X.]VerwG 7 [X.] 238.81 - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 49 S. 27). Die Zulassung der Grundsatzrevision ist nur gerechtfertigt, wenn die [X.]eschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des [X.]rechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das [X.]recht, sondern allenfalls das [X.]recht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa [X.]eschluss vom 7. März 1996 - [X.]VerwG 6 [X.] 11.96 - [X.] 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 S. 6 m.w.N.). Entsprechende Darlegungen sind der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, weshalb § 2 Abs. 2 [X.] NW dahingehend auszulegen ist, dass sich der Genehmigungsvorbehalt auch auf solche kommunalen Abgabesatzungen erstreckt, die eine ihrer Art nach im Lande bereits bestehende Steuer auf neue, bislang nicht erfasste Gegenstände ausdehnt. Die [X.]eschwerde setzt dem lediglich ihre eigene - angeblich dem Willen des [X.] entsprechende - Auslegung dieser landesrechtlichen Regelung entgegen, ohne nachvollziehbar darzulegen, dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen dem von ihr aufgestellten Gebot einer allein am Willen des [X.] ausgerichteten Auslegung von [X.]recht und den [X.]rechtlichen [X.]estimmungen der Art. 28 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2a und Art. 106 Abs. 6 [X.] besteht. Erst recht fehlt jede Darlegung, dass insoweit klärungsbedürftige Fragen bestehen, die gerade diese [X.]rechtlichen Vorschriften betreffen.

4

Soweit die [X.]eschwerde der Sache nach geltend machen sollte, dass der Genehmigungsvorbehalt des § 2 Abs. 2 [X.] NW in der Reichweite, die er nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht aufweist, gegen Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 6 Satz 1 [X.] verstoßen könnte, ist ein Klärungsbedarf nicht erkennbar.

5

[X.] für die Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer ist nach Art. 105 Abs. 2a [X.] den Ländern zugewiesen. Daher haben die Gemeinden im [X.]ereich der örtlichen [X.] und Aufwandsteuern ein Steuererfindungsrecht nur insoweit, als es ihnen vom jeweiligen Land durch gesetzliche Ermächtigung verliehen wurde (vgl. Urteile vom 19. August 1994 - [X.]VerwG 8 N 1.93 - [X.]VerwGE 96, 272 <280 f.> - und vom 25. März 1998 - [X.]VerwG 8 C 11.97 - [X.]VerwGE 106, 280 <286 f.>). Das schließt einen auf Art. 28 Abs. 2 [X.] gestützten Anspruch der Gemeinden gegenüber den Ländern auf uneingeschränkte Übertragung der Gesetzgebungskompetenz über die örtlichen [X.] und Aufwandsteuern aus. Davon zu unterscheiden ist die Verantwortung der Länder für eine aufgabenadäquate Finanzausstattung ihrer Gemeinden (vgl. [X.]VerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 [X.]vF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 - [X.]VerfGE 86, 148 <218 ff.>; Urteil vom 25. März 1998 a.a.[X.]). Dass sich aus Art. 106 Abs. 6 Satz 1 [X.], der den Gemeinden das Aufkommen aus den örtlichen [X.] und Aufwandsteuern zuweist, keine entsprechende Normsetzungskompetenz der Gemeinden herleiten lässt, liegt auf der Hand.

6

2. Grundsätzliche [X.]edeutung hat die Rechtssache auch nicht hinsichtlich der von der [X.]eschwerde hilfsweise angesprochenen Frage

der Zulässigkeit und der Grenzen zulässiger Kondominien auf dem Gebiet des Steuerrechts vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltung, der Finanz- und Ertragshoheit von Kommunen.

7

Die [X.]eschwerde macht geltend, der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung werde unzulässig eingeschränkt, wenn der Erlass von [X.] von der ins Ermessen gestellten Zustimmung des [X.] und des [X.] abhänge. Über diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht entschieden; es kam bei seiner Auslegung des § 2 Abs. 2 [X.] NW auch nicht darauf an. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die vom [X.]eklagten erlassenen Satzungsbestimmungen zur Erhebung einer Steuer auf sexuelle Vergnügungen unwirksam sind, weil hierfür - formell - eine ministerielle Genehmigung erforderlich gewesen wäre. Die [X.]ezugnahme auf steuerpolitische und sonstige Zielsetzungen des [X.] steht im Zusammenhang mit dieser [X.]estimmung der Reichweite des [X.], stellt jedoch keine entscheidungstragende Aussage zu den inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung oder Versagung einer Genehmigung nach § 2 Abs. 2 [X.] NW dar.

Meta

9 B 95/09

28.04.2010

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 18. Juni 2009, Az: 14 A 1581/07, Urteil

Art 28 Abs 2 GG, Art 105 Abs 2a GG, Art 106 Abs 6 S 1 GG, § 2 Abs 2 KAG NW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.04.2010, Az. 9 B 95/09 (REWIS RS 2010, 7102)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7102

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