Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2010, Az. 1 StR 145/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1302

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Gegenstand

Strafverfahren: Zeitpunkt der Entscheidung über einen Beweisantrag


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2009 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des [X.], die durch das weitere [X.] nicht entkräftet werden, bemerkt der Senat:

1. Entgegen dem [X.] des Angeklagten [X.] ist die Ablehnung von dessen Beweisantrag Nr. 18, mit dem die zeugenschaftliche Einvernahme des Mitangeklagten [X.] beantragt wurde, rechtsfehlerfrei. Die [X.] hat den Antrag zu Recht gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] als unzulässig abgelehnt. Ein Mitangeklagter kann nicht Zeuge sein, insoweit besteht ein Beweiserhebungsverbot (Fischer in [X.], 6. Aufl. § 244 Rn. 109; [X.], [X.], 53. Aufl. § 244 Rn. 49). Zwar waren zum Zeitpunkt der Antragstellung die gemeinsam begonnenen Verfahren abgetrennt gewesen, nicht indes (anders als in dem der Entscheidung [X.], Urteil vom 29. März 1984 - 4 StR 781/83, [X.], 464, zugrunde liegenden Fall) zum insoweit einzig maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, zu dem die Verfahren wieder verbunden waren und damit (erneut) eine prozessuale Gemeinsamkeit bestand.

Die [X.] war auch nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese - im Rahmen der dem Vorsitzenden gemäß § 238 [X.] obliegenden Verfahrensleitung - längstens bis zu dem in § 258 Abs. 1 [X.] bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme zurückstellen (vgl. [X.] in LR-[X.], 26. Aufl. § 244 Rn. 133; [X.], aaO, § 244 Rn. 44 jew. [X.]; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. Rn. 198 ff.). Angeklagter und Verteidigung haben keinen Anspruch auf sofortige oder alsbaldige Entscheidung. Es entspricht vielmehr dem Grundsatz der Prozessökonomie, über einen Beweisantrag erst dann zu entscheiden, wenn hierzu eine aus Sicht des Gerichts hinreichend zuverlässige Entscheidungsgrundlage besteht, die durch einen möglichen oder gar nahe liegenden weiteren [X.] nicht alsbald wieder in Frage gestellt werden würde. Umstände, die ausnahmsweise - etwa unter dem Gesichtspunkt der [X.] - eine zeitnahe Verbescheidung des Beweisantrags hätten erfordern können (vgl. [X.] 1998, 254; [X.] 1970, 561), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. [X.] [X.] hat die [X.] aufgrund einer von ihr festgestellten Verfahrensverzögerung ausgesprochen, dass von der (revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden) Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren ein Jahr als vollstreckt gelte. Soweit der Angeklagte [X.] insoweit rügt, das [X.] habe die Verzögerung nicht ausreichend berücksichtigt, da es eine solche von zwei Jahren und vier Monaten bis zur Anklageerhebung und weiteren sechs Monaten bis zu deren Eröffnung hätte feststellen müssen, bleibt dies ohne Erfolg.

Unbeschadet der Frage, ob der Senat dies hier auf die insoweit einzig erhobene Sachrüge hin prüfen kann (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 1 [X.]; Beschluss vom 11. November 2004 - 5 [X.]), erweist sich die Rüge jedenfalls als unbegründet. Wollte man - entgegen den Darlegungen zum Verfahrensgang in der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung - die von der Revision behauptete Verfahrensverzögerung unterstellen, wäre diese hier durch die vom [X.] vorgenommene Kompensation immer noch hinlänglich ausgeglichen, zumal deutlich gravierendere individuelle Belastungen des Angeklagten infolge der behaupteten weiteren Verfahrensverzögerung weder von der Revision aufgezeigt werden noch ersichtlich sind. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist auch in den Blick zu nehmen, dass eine überzogene strafmildernde Berücksichtigung des Zeitfaktors als Folge justizieller Mängel generell den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung zuwiderliefe; dies gilt namentlich im Bereich - hier gegebener - schwerer Wirtschaftskriminalität (vgl. [X.], Urteil vom 8. August 2006 - 5 [X.], [X.], 428).

3. [X.] [X.], die [X.] hätte wegen einer aufgrund langer Verfahrensdauer nicht mehr einbeziehungsfähigen, weil zwischenzeitlich erlassenen Verurteilung einen Härteausgleich vornehmen müssen, ist verfehlt. Dadurch, dass die frühere Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurde und keine nachträgliche Gesamtstrafe mit einer zu  vollstreckenden Freiheitsstrafe mehr gebildet werden konnte, ist dem Angeklagten ein Vorteil, kein Nachteil entstanden ([X.], Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 1 [X.]; [X.], Urteil vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04,  NStZ-RR 2004, 330 [X.]).

Wahl                         [X.]

                Elf                                   Graf

Meta

1 StR 145/10

17.11.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 8. Juli 2009, Az: 23 KLs 618 Js 28053/02, Urteil

§ 238 Abs 1 StPO, § 244 Abs 3 StPO, § 258 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2010, Az. 1 StR 145/10 (REWIS RS 2010, 1302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1302

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1 StR 153/11

1 StR 153/11

1 StR 145/10

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