Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2005, Az. 5 StR 129/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 3126

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Nachschlagewerk: ja

[X.]: nein

Veröffentlichung : ja

StPO § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6, § 246 Abs. 1

Wurde eine Hauptverhandlung extrem verzögert, namentlich durch zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellte Beweis- anträge, ist zur Verhinderung weiterer Verfahrensverzögerung die prozessuale Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den Verfahrens- beteiligten eine Frist zu setzen und nach deren Ablauf gestellte Beweisanträge grundsätzlich nicht mehr durch gesonderten [X.], sondern erst in den Urteilsgründen zu beschei-den.

[X.], Beschluß vom 14. Juni 2005

[X.] 5 [X.]

[X.]

5 [X.]
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 14. Juni 2005 in der Strafsache gegen

1.

2.

wegen Mordes u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. Juni 2005 beschlossen:

1. Die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]

ge-gen das Urteil des [X.] vom 27. März 2003 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbe-gründet verworfen.
2. Die Revision der Nebenklägerin A A

gegen dieses Urteil wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechts-mittels zu tragen. Jeder Angeklagte hat die durch sein Rechtsmittel den Nebenklägern [X.]und [X.]

entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen,
der Angeklagte [X.]darüber hinaus die durch sein Rechtsmittel den [X.]und M

entstanden notwendigen Auslagen.

[X.]e
Das Schwurgericht hat [X.] nach über dreieinhalb Jahren Verhandlungs-dauer am 291. Verhandlungstag [X.] den Angeklagten Z
wegen Mordes ([X.]; lebenslange Freiheitsstrafe als Einzelstrafe), wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und we-gen Totschlags ([X.]/E ; [X.] von neun und elf Jahren) sowie wegen (besonders) schwerer räuberischer [X.] in Tateinheit mit versuchtem (besonders) schweren Raub ([X.]; [X.] von zehn Jahren) zu lebenslanger [X.] 3 - heitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt, die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt und die Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten angeord-net. Den Angeklagten [X.] hat das Schwurgericht wegen Anstiftung zum Mord (nur [X.] ) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Ange-klagten mit Verfahrens- und Sachrügen sowie eine Nebenklägerin mit einer Sachrüge.
Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der [X.] vom 7. April 2005 im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet; die Revision der Nebenklägerin [X.]

ist aus den dort genannten Gründen unzulässig (§ 400 Abs. 1 StPO). Über die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] hinaus sieht der Senat Anlaß zu folgenden [X.]erkungen:
1. Die Revisionsbegründungsschrift von Rechtsanwalt [X.]

deckt keine durchgreifenden Rechtsfehler des Schwurgerichts, sondern ein Pro-zeßverhalten dieses Verteidigers des Angeklagten [X.]auf, das in seiner Gesamtheit als rechtsmißbräuchlich zu bewerten ist. Dies wird insbesondere durch folgende Umstände gekennzeichnet: Stellung einer Vielzahl sachlich unberechtigter Beweisanträge, zudem in sukzessiver Form, ohne daß für diese Vorgehensweise ein nachvollziehbares berechtigtes Interesse zu er-kennen wäre; Reaktion auf die Ablehnung solcher und anderer Anträge mit umfangrei[X.] —Gegenvorstellungenfi sowie vielfach unzulässigen Ableh-nungsgesu[X.] und Unterbrechungsanträgen; Ankündigung zahlreicher wei-terer Beweisanträge ohne auch nur andeutungsweise erfolgte Offenlegung eines berechtigten weiteren Aufklärungsbegehrens; letztendlich ein —Plädoy-erfi, in dem über neun Verhandlungstage jeweils stundenlang bis zum schließlich notwendigen A[X.]ruch durch das Gericht nahezu ausschließlich Zeugen- und Sachverständigenaussagen in chronologischer Reihenfolge ohne erkennbaren Versuch einer zusammenfassenden Würdigung der Hauptverhandlungsergebnisse referiert wurden. Gerade in seiner Kumulation - 4 - zeigt dieses Prozeßverhalten, daß es Rechtsanwalt [X.]

damit nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben [X.] den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozeßordnungswidrigen Urteil zu schützen (vgl. [X.] NStZ 2005, 341) [X.] ging, sondern vorrangig um die Verhinderung eines Verfahrensabschlusses in angemessener Zeit durch die massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 2001, [X.], 143).
Abgesehen davon führt die Art und Weise des [X.] zudem vielfach von ur-teilsfremdem Sachvortrag durchsetzten [X.] Revisionsvorbringens von Rechts-anwalt [X.] zu den einzelnen Verfahrensrügen [X.] wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat [X.] zur Unzulässigkeit all seiner verfahrensrechtli[X.] Beanstandungen, auch wenn die [X.] an die Vortragspflicht gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bei [X.] umfangrei[X.] Verfahren wie dem vorliegenden im Lichte der nicht ver-längerbaren Monatsfrist nach § 345 Abs. 1 StPO nachsichtiger beurteilt wer-den. Die Revisionen von Rechtsanwalt [X.]

(weiterer Verteidiger des Angeklagten [X.] ) und Rechtsanwältin [X.]

(für [X.] ) bele-gen, daß ein geordneter [X.] zu mehreren Verfahrensrügen auch im vorliegenden Verfahren innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO möglich war.

2. Der näheren Erörterung bedarf eine von beiden Angeklagten [X.] Verfahrensweise des Schwurgerichts, mit der nach mehr als dreijähriger Verfahrensdauer die weitere Bescheidung von Beweisanträgen in der [X.] abgelehnt wurde.
a) Aus dem [X.] ergibt sich insoweit folgender Verfahrens-gang: - 5 - [X.]) Mit Beschluß vom 28. November 2002 ([X.] 793, veröf-fentlicht in [X.] 2004, 170 mit [X.]. [X.]/[X.]) hat das Schwurgericht erklärt, vorbehaltlich eines früheren Schlusses der Beweisauf-nahme werde es Beweisanträge nicht mehr entgegennehmen, wenn diese nach dem 9. Januar 2003, 12.00 Uhr, gestellt würden. Zur Begründung hat es u. a. folgendes ausgeführt: Nach fast zweijähriger Verhandlungsdauer mit zwei Verhandlungstagen pro Woche sei das Beweisprogramm aus Sicht der Kammer seit Mitte 2001 vollständig abgearbeitet gewesen; die [X.] Beweisaufnahme habe keine wesentli[X.] neuen Ergebnisse ergeben. Seit Mitte 2001 seien über 320 Beweisanträge [X.] teils aus vielfa[X.] Einzel-anträgen bestehend [X.] gestellt worden, davon nach einem ersten Schluß der Beweisaufnahme am 14. Oktober 2002 allein 120 Anträge. Mit Ausnahme der auf präsente Beweismittel gerichteten Anträge seien nahezu sämtliche Beweisanträge abgelehnt worden, und zwar überwiegend auch wegen Be-deutungslosigkeit. Insgesamt zeige das Verteidigungsverhalten einen Mißbrauch des Beweisantragsrechts zur Verschleppung des Verfahrens auf, zumal ohne sachlich erkennbaren Grund und ohne Konkretisierung beweis-erheblicher Themenkomplexe eine Vielzahl weiterer Beweisanträge ange-kündigt sei. Die Amtsaufklärungspflicht bleibe von der angekündigten Verfah-rensweise unberührt.
[X.]) Mit Beschluß vom 5. Dezember 2002 ([X.] 797) hat das Schwurgericht den Beschluß vom 28. November 2002 dahingehend klarge-stellt, daß sich dieser nicht auf die Stellung von [X.] beziehe. Zudem hat es ergänzend erläutert, weshalb die bisherige Antragstellung [X.] dem Zweck mißbräuchlicher Verfahrensverzögerung gedient habe. Mit einem weiteren Beschluß vom 7. Januar 2003 ([X.] 978) hat das Schwurgericht nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich der Beschluß vom 28. November 2002 nicht auf die Stellung von Hilfsbeweisan-trägen beziehe und nach Fristablauf gestellte Beweisanträge als Beweisan-regungen gewertet sowie unter [X.] geprüft würden. - 6 - cc) Die nach Ablauf der gesetzten Frist gestellten Beweisanträge der Verteidigung hat das Schwurgericht in den Urteilsgründen im einzelnen wie [X.] beschieden ([X.] ff.). Sämtliche Anträge wurden wegen [X.] abgelehnt, überwiegend zudem wegen tat-sächlicher Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsa[X.], dar-über hinaus [X.] von einem Antrag auf Verlesung präsenter Urkunden abgese-hen [X.] mangels Aufklärungspflicht bei als Ermittlungsanträgen gewerteten Anträgen oder nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO.
b) Diese Vorgehensweise rügen die Revisionen letztlich erfolglos.
[X.]) Im Ausgangspunkt zutreffend weisen sie freilich darauf hin, daß dem deuts[X.] Strafprozeßrecht eine Präklusion im Beweisantragsrecht grundsätzlich fremd ist (vgl. [X.] [X.] 2005, 249).
(1) Nach § 246 Abs. 1 StPO darf eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sind. Daraus wird auch gefolgert, daß den [X.] nicht vorgeschrieben werden kann, zu welchem Zeitpunkt der Hauptverhandlung sie einen Beweisantrag zu stellen haben (vgl. [X.], [X.] Aufl. § 246 [X.]. 1 m.w.N.). Das Gericht ist danach gemäß § 246 Abs. 1 StPO grundsätzlich verpflichtet, bis zum Beginn der [X.] (st. Rspr., vgl. [X.]St 16, 389, 391; 21, 118, 123 f.; [X.]R StPO § 238 Abs. 2 Beweisantrag 1).
(2) Dabei darf nach § 244 Abs. 6 StPO die Ablehnung sämtlicher Be-weisanträge grundsätzlich nur durch [X.] in der Hauptverhand-lung erfolgen. Mit dem Erfordernis dieses Gerichtsbeschlusses kann, da er mit dem wesentli[X.] Inhalt seiner Begründung zu protokollieren ist, eine erhebliche Hemmung für den Fortgang der Hauptverhandlung einhergehen. Entscheidung und Begründung dürfen nicht nachträglich erfolgen, insbeson-dere nicht erst in den Urteilsgründen enthalten sein (vgl. zum Vorstehenden - 7 - [X.] [X.] 2005, 249; [X.]R StPO § 244 Abs. 6 Entscheidung 3). Eine Ausnahme gilt lediglich für [X.], wobei dem Gericht die ei-genmächtige Umdeutung eines unbedingten Beweisantrags in einen Hilfs-beweisantrag verwehrt ist ([X.] [X.] 2005, 249). Wegen Verschleppungs-absicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) darf auch ein Hilfsbeweisantrag nicht erst in den Urteilsgründen abgelehnt werden ([X.], [X.] Aufl. § 244 [X.]. 44a m.w.N.).
(3) Eine Einschränkung des Beweisantragsrechts des Angeklagten hat der [X.] bislang lediglich im Falle eines massiven Mißbrauchs dieses Rechts durch exzessive Antragstellung eines Angeklagten angenom-men und es gebilligt, daß der Angeklagte hiernach darauf verwiesen wird, Anträge nur noch über seinen Verteidiger zu stellen ([X.]St 38, 111; vgl. auch BayObLG [X.], 12; ferner zur hier nicht relevanten Möglichkeit der Mißbrauchsverhinderung durch Anwendung des § 257a StPO: [X.] in [X.]. § 257a [X.]. 1; [X.], Beschluß vom 16. März 2005 [X.] 5 StR 514/04). Hingegen ist das Gericht nicht befugt, der Verteidigung schlechthin und von vornherein die Stellung prozessual zulässiger Anträge zu verbieten ([X.]St 38, 111, 114; vgl. auch [X.] 1980, 218 m. [X.]. [X.]).
[X.]) Im vorliegenden Fall hat das Schwurgericht allerdings das Recht der Angeklagten auf die Stellung von Beweisanträgen als solches nicht be-schnitten.
Es hat vielmehr [X.] wie durch mehrfache Klarstellung des fristsetzenden Ausgangsbeschlusses deutlich gemacht [X.] lediglich die weitere Bescheidung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung abgelehnt und diese der Ur-teilsbegründung vorbehalten. Zudem hat das Gericht in dem fristsetzenden Beschluß den Angeklagten und ihren Verteidigern hinrei[X.]d klargemacht, daß die Ablehnungsgründe der [X.] und Bedeutungslo-sigkeit nach dem bisherigen Verfahrenslauf alle weiteren gleichartigen Be-weisanträge der Verteidigung treffen würden und andere Arten von [X.] 8 - anträgen nach seiner Einschätzung nicht zu erwarten seien. Diese Erwartung war vor dem Hintergrund der bis dahin erfolgten Antragstellung in der Sache ersichtlich nicht zu beanstanden.
Werden Beweisanträge in dieser Weise bis zur Urteilsverkündung ent-gegen- und zur Kenntnis genommen und [X.] bei Einzelbescheidung im Urteil [X.] vorab die grundsätzli[X.] Ablehnungsgründe für alle nachfolgenden [X.] ausdrücklich benannt, bleibt nicht nur die vollständige Überprüfbar-keit der Ablehnungsbegründung durch das Revisionsgericht erhalten; der mit der Fristsetzung verbundene Eingriff in die durch § 244 Abs. 6 StPO garan-tierte Informationsfunktion des individuellen Ablehnungsbeschlusses hält sich aufgrund der gleichsam —vor [X.] gezogenfi Vorabinformation über die zukünftigen Ablehnungsgründe auch in Grenzen.
cc) Die so verstandene Vorgehensweise des Schwurgerichts würde

angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls keinen durchgreifen-den Bedenken begegnen.
Wurde eine Hauptverhandlung extrem verzögert, namentlich durch zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellte Beweisanträge, ist zur [X.] weiterer Verfahrensverzögerung die prozessuale Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den Verfahrensbeteiligten eine Frist zu setzen und nach deren Ablauf gestellte Beweisanträge grundsätzlich nicht mehr durch gesonderten [X.], sondern erst in den Urteilsgründen zu bescheiden.
(1) [X.] der Frage eines Mißbrauchs von [X.] (vgl. hierzu insb. [X.]St 38, 111, 113), die wesentlich von der jeweiligen inneren Einstellung des Betroffenen abhängt und bei verschiedenen Verfahrensbetei-ligten unterschiedlich beurteilt werden kann, ist nach monate-, gar [X.] über das vom Gericht selbst bestimmte [X.] hinaus, namentlich bei lang andauernder Untersuchungshaft von [X.], nach einer verfahrensrechtlich vertretbaren Möglichkeit zu [X.] 9 - [X.], die Hauptverhandlung [X.] allerdings unter fortdauernder Wahrung un-verzichtbarer Verteidigungsinteressen [X.] zu einem Abschluß zu bringen. Dies gebieten die mit zunehmender Verfahrensdauer immer gewichtiger werden-den Gebote der Beschleunigung des Verfahrens, insbesondere in Haftsa-[X.] (Art. 6 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 GG), und der Gewährleistung einer dem Gleichheitsgedanken verpflichteten funktionsfähi-gen Strafrechtspflege vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen der Straf-justiz (vgl. [X.]-GS NJW 2005, 1440, 1443 f.). Je länger ein Verfahren dau-ert, desto größer wird das legitime Interesse daran, es in absehbarer Zeit einer abschließenden Urteilsfindung zuzuführen, sofern nicht sachliche Gründe eine Verhandlung über Monate oder gar Jahre hin unerläßlich ma-[X.].
(2) Bei dieser Sachlage hält der Senat in extrem gelagerten Fällen bei Abwägung der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter [X.] namentlich des Informationsinteresses des Angeklagten an der Bescheidung von Be-weisanträgen in der Hauptverhandlung einerseits, des Beschleunigungs-grundsatzes in Haftsa[X.] und des Gebots einer funktionsfähigen [X.] andererseits [X.] im Wege verfassungs- und [X.] Einschränkung von § 244 Abs. 6 StPO folgende Verfahrensweise für erwägenswert:
Es wird den Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Entgegennahme von Beweisanträgen gesetzt und [X.] mit eingehender Begründung [X.] die pauschale Ablehnung nach Fristablauf gestellter Anträge wegen [X.] vorab beschlossen; hernach überprüft das Gericht die Anträge, ohne sie al-lerdings jeweils durch [X.] nochmals gesondert individuell zu bescheiden, und zwar vornehmlich unter [X.], zu-dem bescheidet es sie wie [X.] in den Urteilsgründen; hierbei ist dann freilich der Ablehnungsgrund der [X.] nicht aus-geschlossen. Diese besondere Verfahrensweise wird allerdings regelmäßig erst dann in Betracht kommen können, wenn zuvor gestellte Beweisanträge - 10 - wiederholt wegen [X.] (§ 244 Abs. 3 Satz 2, § 245 Abs. 2 Satz 3 StPO) abgelehnt werden mußten.
(3) Der vorliegende Fall ist als Extremfall, für den eine solche Verfah-rensweise in Betracht kam, zu werten.
Für eine mehr als dreijährige Verhandlungsdauer ist unter Berücksichti-gung der gegebenen Beweislage kein vertretbarer Grund ersichtlich. Die drei Tatkomplexe waren sachlich überschaubar, die Beweislage war nicht einmal übermäßig schwierig. Der Angeklagte [X.] hatte im Ermittlungsverfahren nicht nur seine Beteiligung an der Tötung von S
A in einem Umfang zugegeben, der wohl zumindest eine Verurteilung wegen gemein-schaftli[X.] Raubes mit Todesfolge getragen hätte, sondern sich auch in weiteren polizeili[X.] und ermittlungsrichterli[X.] Vernehmungen selbst der Täterschaft in den beiden anderen [X.] bezichtigt. Über diese [X.] hinaus wurde die Beweislage im Sinne der Anklage durch gewich-tige objektive Spuren [X.] etwa die Faserspuren im Fall S

/E [X.] und mit [X.] durchsetzte selbstbelastende Angaben [X.] gegen-über dem [X.]sowie durch die Angaben weiterer Zeugen bestärkt. Auch der Angeklagte [X.] hat im Laufe der Hauptverhandlung eine [X.] an dem Geschehen zum Nachteil von [X.]

in einem er-hebli[X.] Umfang eingeräumt; hinzu kamen auch bei ihm übereinstimmen-de, sich ergänzende belastende Angaben von Zeugen, die durch das weitere Beweisergebnis gestützt wurden.
Es ist auch kein für sich sachlich nachvollziehbares berechtigtes Inte-resse der Verfahrensbeteiligten an einer Antragstellung nach Ablauf der ih-nen gesetzten Frist ersichtlich (vgl. hierzu auch [X.], 310, 314); weder gab es eine erheblich veränderte Sachlage noch wesentliche neue Informationen, die es gerechtfertigt hätten, die jeweiligen Anträge erst zu ei-nem so späten Zeitpunkt vorzubereiten und zu stellen. - 11 - [X.]) Eine abschließende Beurteilung der vom Senat erwogenen Verfah-rensweise, insbesondere auch der Frage, ob das Vorgehen des [X.] einer sol[X.] Verfahrensweise in jeder Beziehung entsprach, kann indes dahinstehen.
Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend [X.] hat, zeigen die Revisionen der Angeklagten nicht auf, in welcher Weise das Urteil auf einer Verletzung von § 244 Abs. 6 StPO beruhen könnte (§ 337 Abs. 1 StPO) oder in welchem für die Entscheidung wesentli[X.] Punkt die Verteidigung durch die entspre[X.]den Gerichtsbeschlüsse be-schränkt worden wäre (§ 338 Nr. 8 StPO).
Es ist nach dem [X.] nicht ersichtlich, inwieweit sich die Angeklagten bei einer dem Wortlaut des § 244 Abs. 6 StPO entspre[X.]den Verfahrensweise anders als geschehen hätten verteidigen können. Die erst im Urteil beschiedenen Anträge offenbaren sämtlich keine neuen Ansätze der Verteidigung und stellen auch das nach umfassender Sachaufklärung gewonnene sichere Beweisergebnis des Schwurgerichts nicht in Frage (vgl. auch [X.], Beschluß vom 16. März 2005 [X.] 5 StR 514/04). Soweit die hierzu angebrachten Beanstandungen überhaupt zulässige Beweisanträge betref-fen, handelt es sich bei den erst im Urteil beschiedenen, nach Ablauf der ge-setzten Frist eingereichten Beweisanträgen um solche, mit denen die Frage der Glaubwürdigkeit als problematisch angesehener Beweispersonen weiter, aber in keinem Fall mit durchgreifend neuen Ansätzen, in Zweifel gezogen werden sollte.
c) Der vorliegende Fall verdeutlicht, daß für den Gesetzgeber Anlaß zur Prüfung besteht, ob unter Berücksichtigung der genannten gegenläufigen Interessen eine Änderung des derzeitigen [X.] einen verfahrensverzögernden Mißbrauch ermögli[X.]den [X.] Rechtszustands herbeigeführt werden sollte, etwa durch Ergänzung von § 244 Abs. 6 StPO oder § 246 Abs. 1 StPO (hier-zu näher [X.], 310, 314 f., [X.]. 30 und [X.], 488, 490; vgl. - 12 - auch Brause NJW 1992, 2865, 2869). Im Blick auf andere Präklusionsrege-lungen, welche in angemessener Abwägung zwis[X.] den Bedürfnissen ei-ner funktionstüchtigen Strafrechtspflege wie einer effektiven Verteidigung unmittelbar vom Gesetzgeber (vgl. nur §§ 6a, 25, 222b StPO) oder von der Rechtsprechung in Anwendung und Auslegung bestehender prozessualer Normen (vgl. nur [X.], [X.] Aufl. § 136 [X.]. 25; § 238 [X.]. 22; jeweils m.w.N.) aufgestellt worden sind, wäre eine im Eingriff zu-rückhaltende gesetzliche Einschränkung der bestehenden Regelung [X.] systemfremd.
3. Erfolglos bleiben auch die [X.], wonach dem Angeklagten [X.]nach berechtigtem Ausschluß von der weiteren Sitzungsteilnahme infolge ungebührli[X.] Verhaltens zu Unrecht nicht das letzte Wort gewährt oder sonstige Gelegenheit zur Äußerung bzw. zur Untersuchung durch einen Sachverständigen gegeben worden sein soll.
a) Angesichts von zwei massiven Ausschlußvorfällen vor dem Hinter-grund eines vielfach auf Verzögerung ausgerichteten [X.] Angeklagten hat das Schwurgericht mit seinem Vorgehen den ihm inso-weit zustehenden tatrichterli[X.] Beurteilungsspielraum letztlich nicht über-schritten.
[X.]) Zwar muß auch bei einem wegen ordnungswidrigen Benehmens nach § 231b StPO ausgeschlossenen Angeklagten in aller Regel der [X.] gemacht werden, ihn für die Gewährung des letzten Worts wieder hin-zuzuziehen ([X.], [X.] Aufl. § 258 [X.]. 20). Ein von vornher-ein aussichtslos erscheinender Versuch ist im Hinblick auf die Ordnung der Verhandlung und das Ansehen des Gerichts indes nicht erforderlich ([X.], 433, 436; [X.]St 9, 77, 81). Die tatrichterliche Prognose der [X.] eines erneuten Zulassungsversuchs ist vom Revisionsgericht jedenfalls dann hinzunehmen, wenn das Gericht [X.] wie hier [X.] die [X.] - tenden Interessen anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls sorgfältig und nachvollziehbar abgewogen hat.
[X.]) Bei dieser Abwägung hat das Gericht einerseits das hohe Gewicht des Rechts auf ein letztes Wort und den Umstand zu bedenken, daß dieses Recht nicht lediglich zum Zweck der Erleichterung oder Beschleunigung des Verfahrens abgeschnitten werden darf ([X.]St 9, 77, 81). Andererseits kommt auch dem Umstand besonderes Gewicht zu, ob das ungebührliche Verhalten auf einem vorübergehenden und letztlich noch nachvollziehbaren Verlust der Beherrschung angesichts in der Hauptverhandlung neu [X.] Umstände beruht oder ob ihm [X.] für jeden unbefangenen Dritten sofort erkennbar [X.] die auf zukünftige Störungen deutende Absicht innewohnt, An-sehen und Würde des Gerichts zu beeinträchtigen (vgl. [X.]St 9, 77, 80). Letzteres hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei aus dem Umstand [X.], daß der Angeklagte [X.] die massive Beleidigung des [X.] auch nach mehrfacher Ermahnung und Belehrung sowie einer länge-ren Unterbrechung bewußt und beharrlich in gleicher Weise fortgesetzt hat, nachdem er schon zuvor bereits über mehr als zwei Jahre wegen besonders gravierender Ausfälligkeit (Anspucken des Vorsitzenden) von der Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen war.
b) Vor dem Hintergrund dieses Prozeßverhaltens des Angeklagten Z

und seines Verteidigers Rechtsanwalt [X.] durfte das Schwurgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß die von diesem Verteidiger [X.] der unmittelbar bevorstehenden Urteilsverkündung abgegebene Erklä-rung, der bis dahin über mehr als dreieinhalb Jahre schweigende und wegen Ungebührs von der weiteren Verhandlungsteilnahme ausgeschlossene An-geklagte wolle sich nunmehr erstmals zu den Tatvorwürfen in der [X.] zunächst im Wege einer schriftli[X.] Erklärung äußern, zu deren Vorbereitung eine Unterbrechung für mehrere Tage notwendig sei, er wolle sich zudem erstmals einer Untersuchung durch einen Sachverständigen un-- 14 - terziehen, nur zum Schein und zu dem alleinigen Zweck abgegeben wurde, den Abschluß des Verfahrens weiter zu verhindern.
[X.] Basdorf Gerhardt Brause Sch[X.]l

Meta

5 StR 129/05

14.06.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2005, Az. 5 StR 129/05 (REWIS RS 2005, 3126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3126

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