Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.03.2016, Az. 1 ABR 19/14

1. Senat | REWIS RS 2016, 14103

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Gegenstand

Feststellungsantrag - Feststellungsinteresse


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 11. Februar 2014 - 15 [X.] - aufgehoben.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 9. November 2012 - 3 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die [X.]eteiligten streiten darüber, ob die Übertragung einer Teamleitung auf eine [X.]eschäftigte und die Gewährung einer tariflichen Funktionszulage mitbestimmungspflichtig sind.

2

Die Arbeitgeberin betreibt Universitäts- und Rehabilitationskliniken, ua. das [X.] ([X.]). Sie wendet die Konzerntarifverträge für [X.]eschäftigte der Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der [X.] auf die Arbeitsverhältnisse mit den jeweils unter den Geltungsbereich der Tarifverträge fallenden Arbeitnehmern an. § 6 Abs. 1 des [X.] ([X.]) lautet:

        

        

„In den in Anlage 4 genannten Fällen werden für die Dauer der Übertragung von zusätzlicher Verantwortung und/oder [X.]elastung zusätzlich zum Tabellenentgelt [X.] gezahlt.“

3

Die Anlage 4 zum [X.] ist überschrieben mit „Zulagensystematik“ und enthält in ihrem Teil 4.3 „Infrastruktur“ nähere [X.]estimmungen zu mit „[X.] 1“ bis „[X.] 4“ bezeichneten [X.] „in [X.]ereichen des strategischen/operativen Managements und der Verwaltung“.

4

In einem Schreiben vom 4. Januar 2011 teilte die Arbeitgeberin dem in ihrem [X.]etrieb bestehenden [X.]etriebsrat ua. mit:

        

„[X.]… ist im [X.]Patientenservice Med. Rehabilitation beschäftigt. Ab 01.02.2011 soll [X.] das Aufgabengebiet von Frau [X.] für die Zeit von Mutterschutz und Elternzeit übernehmen (Frau [X.] ist ab 02/2011 in Mutterschutz). Ab 01.03.2011 wird [X.] die Teamleitung übernehmen.

        

Das Arbeitsverhältnis von [X.] ist bis 31.10.2011 befristet. Der Arbeitsvertrag soll ab 01.02.2011 unbefristet verlängert werden.

        

Die Eingruppierung nach [X.] verändert sich nicht. Ab 01.03.2011 erhält [X.] die Teamzulage [X.] 3.

        

Wir bitten um Ihre Stellungnahme.“

5

Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 stimmte der [X.]etriebsrat der „Versetzung von [X.] … ab 01.02.2011 für die [X.] und der Elternzeit von Frau [X.] auf deren Stelle als Sekretärin des Ärztlichen Direktors [X.]“ und der „unbefristeten [X.]“ zu, widersprach aber der „Versetzung zur Teamleiterin“. Er verwies auf sein Schreiben vom 29. Dezember 2010, mit dem er bereits eine unzureichende Information über die Übertragung der Teamleitungsaufgabe an die [X.]eschäftigte [X.] beanstandet hatte. Die Arbeitgeberin wandte sich mit einem weiteren Schreiben vom 28. Februar 2011 an den [X.]etriebsrat und führte dabei aus:

        

„[X.] soll für die [X.] und der Elternzeit von Frau [X.] die Leitung des Teams im [X.] übertragen werden. Sie erhält ab dem 01.03.2011 für diese Tätigkeit die Funktionszulage [X.] 2.

        

Wir bitten um Ihre Stellungnahme.“

6

Der [X.]etriebsrat antwortete mit Schreiben vom 7. März 2011, das auszugsweise lautet:

        

„der [X.]etriebsrat hat in seiner Sitzung v. [X.] zu o.g. Maßnahme beraten.

        

Da die Übertragung der Leitungsaufgabe an [X.] im Zusammenhang mit der Übertragung der Leitungsaufgabe an Frau [X.] steht, bittet der [X.] zunächst um [X.]eantwortung seines Schreibens v. 29.12.2010.

                 
        

Die Anhörungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn diese Informationen vorliegen.“

7

Die Arbeitgeberin stellte sich in einem Antwortschreiben vom 19. Mai 2011 auf den Standpunkt, bei der Übertragung der Leitung von Teams oder Organisationseinheiten bestünden keine Mitbeurteilungsrechte des [X.]etriebsrats.

8

Der [X.]etriebsrat hat daraufhin beim Arbeitsgericht ein [X.]eschlussverfahren eingeleitet mit dem Antrag, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Versetzungen oder [X.] vorzunehmen, sofern er die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren ersetzt worden ist. Zuletzt hat er erstinstanzlich neben einem ersten Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Gewährung einer Zulage gemäß [X.] als Umgruppierung nach § 99 [X.] mitbestimmungspflichtig ist, einen weiteren Hilfsantrag angebracht, dass die „Versetzung/Umgruppierung der [X.] der Zustimmung des [X.]etriebsrats bedurft hätte“.

9

Diesen weiteren - für die Rechtsbeschwerde allein noch maßgeblichen - Hilfsantrag hat er zuletzt dahin formuliert,

        

festzustellen, dass die Maßnahme der Arbeitgeberin gemäß deren Schreiben vom 28. Februar 2011 (Übertragung der Leitung des Teams im [X.] auf [X.] und Zubilligung der Funktionszulage [X.] 2 ab 1. März 2011) der Zustimmung oder gerichtlich ersetzten Zustimmung des [X.]etriebsrats bedurft hätte.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Feststellungsbegehren sei unzulässig. Der [X.]etriebsrat hätte die Aufhebung der personellen Maßnahme beantragen müssen.

Das Arbeitsgericht hat sämtliche bei ihm anhängigen Anträge abgewiesen. Der [X.]eschwerde des [X.]etriebsrats, die er gegen die Abweisung des in die Rechtsbeschwerde gelangten Antrags beschränkt hat, hat das [X.] stattgeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

[X.]. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das [X.] hat dem Antrag zu Unrecht entsprochen. Das Feststellungsbegehren des [X.]etriebsrats ist bereits unzulässig. Es fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung.

I. [X.]ach dem auch im arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren geltenden § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, das [X.]estehen oder [X.]ichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung feststellen zu lassen.

1. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht regelmäßig kein besonderes rechtliches Interesse. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem [X.]eteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären. Auch fehlt das Feststellungsinteresse regelmäßig, wenn der Antragsteller sein Recht im Wege eines Leistungs- oder Gestaltungsantrags verfolgen kann und nicht Gründe der [X.] einen Feststellungsantrag ausnahmsweise als sachdienlich erscheinen lassen (vgl. [X.] 15. April 2008 - 1 A[X.] 14/07 - Rn. 17 mw[X.]).

2. Dementsprechend hat ein [X.]etriebsrat grundsätzlich kein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an einer gerichtlichen Feststellung, ihm habe bei einer bereits endgültig durchgeführten personellen Einzelmaßnahme ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 [X.] zugestanden. Im Hinblick auf die Möglichkeit des [X.]etriebsrats, nach § 101 [X.] vorzugehen, ist für einen Antrag auf Feststellung, die bereits durchgeführte Maßnahme sei mitbestimmungspflichtig gewesen, kein Raum; er ist unzulässig (vgl. [X.] 17. Februar 2015 - 1 A[X.] 45/13 - Rn. 13; 2. März 2004 - 1 A[X.] 15/03 - zu [X.] der Gründe; 19. Februar 1991 - 1 A[X.] 36/90 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 67, 236; 18. Februar 1986 - 1 A[X.] 27/84 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 51, 151).

II. Hiernach hat der [X.]etriebsrat kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

1. Der Antrag bezieht sich nach seinem Wortlaut auf den Vorgang der Übertragung der Leitung des Teams im [X.] auf [X.] und der damit verbundenen Gewährung einer Funktionszulage ab dem 1. März 2011. Wie sich aus dem Antrag - auch unter Hinzuziehung seiner [X.]egründung - ergibt, soll festgestellt werden, dass diese konkrete personelle Maßnahme, die der [X.]etriebsrat als Versetzung und Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] qualifiziert, seiner Mitbestimmung nach § 99 [X.] unterlag. Die Übertragung der Teamleitung auf [X.] und die entsprechende [X.]gewährung betreffen aber einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang. Die Arbeitgeberin hat die Maßnahme endgültig und nicht nur vorläufig durchgeführt. [X.] hierin eine Versetzung und eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.], hätte der [X.]etriebsrat gemäß § 101 Satz 1 [X.] beantragen müssen, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung aufzuheben und zu einer Ein- oder Umgruppierung seine Zustimmung einzuholen sowie im Falle seiner Verweigerung der Zustimmung das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten (vgl. z[X.] [X.] 14. April 2015 - 1 A[X.] 66/13 - Rn. 20). Dies ist das prozessuale Mittel, welches das [X.] dem [X.]etriebsrat zur Verfügung stellt, wenn der Arbeitgeber personelle Einzelmaßnahmen ohne seine Zustimmung endgültig vorgenommen hat. Mit ihm kann der [X.]etriebsrat erreichen, dass der betriebsverfassungswidrige Zustand beseitigt wird.

2. Der Antrag kann nicht dahingehend verstanden werden, der [X.]etriebsrat wolle die zwischen den [X.]eteiligten generell bestehende Streitfrage über ein Mitbestimmungsrecht bei der Übertragung der Leitung eines Teams im [X.] und der Gewährung einer Funktionszulage nach der Anlage 4.3 des [X.] losgelöst von der konkreten, [X.] betreffenden Einzelmaßnahme einer Klärung zuführen.

a) Zwar kann ein in der Vergangenheit liegender Streitfall Anlass sein, das [X.]estehen eines Mitbestimmungsrechts losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall klären zu lassen, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im [X.]etrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann ([X.] 15. April 2008 - 1 A[X.] 14/07 - Rn. 17 mw[X.]). Entsprechend kann der [X.]etriebsrat auch die Frage, ob eine im Antrag näher beschriebene Maßnahme seinem Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 [X.] unterliegt, durch einen abstrakten Feststellungsantrag losgelöst vom konkreten Einzelfall zur gerichtlichen Entscheidung stellen ([X.] 14. September 2010 - 1 A[X.] 29/09 - Rn. 15 mw[X.], [X.]E 135, 291). Hiervon ausgehend können auf konkrete personelle Maßnahmen bezogene Feststellungsanträge ggf. als abstrakte Feststellungsbegehren auszulegen sein (vgl. z[X.] [X.] 12. [X.]ovember 1991 - 1 A[X.] 4/91 - zu [X.] 2 der Gründe).

b) Eine solche Auslegung des verfahrensgegenständlichen [X.]egehrens ist vorliegend aber nicht möglich. Der [X.]etriebsrat hat erstinstanzlich neben einem Unterlassungsantrag einen allgemein gehaltenen Feststellungsantrag gestellt, dessen Abweisung bereits nicht mehr Gegenstand seiner [X.]eschwerde war. Diese hat er vielmehr ausdrücklich auf den hier anhängigen konkreten Feststellungsantrag beschränkt. Zwar hat er zu einer aus seiner Sicht gegebenen Wiederholungsgefahr der Fallgestaltung vorgetragen, sein allein auf die „Maßnahme [X.]“ bezogenes Feststellungsziel gegen die Einwände der Arbeitgeberin aber damit verteidigt, damit werde keine vom konkreten Einzelfall losgelöste Angelegenheit zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Daher kann seinem [X.]egehren ohne Verstoß gegen § 308 ZPO kein anderer als der konkret auf die „Maßnahme [X.]“ bezogene Inhalt entnommen werden.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Hromadka    

        

    D. Wege    

                 

Meta

1 ABR 19/14

22.03.2016

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Ulm, 9. November 2012, Az: 3 BV 12/11, Beschluss

§ 256 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.03.2016, Az. 1 ABR 19/14 (REWIS RS 2016, 14103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14103

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Referenzen
Wird zitiert von

3 TaBV 127/19

4 TaBV 30/17

3 TaBV 7/19

14 BV 498/18

3 TaBV 112/16

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