Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2012, Az. 10 AZR 203/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 4796

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Gegenstand

Anspruch einer Lehrerkraft auf Zulage nach § 14 TV-L wegen vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2011 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Gewährung einer Zulage nach § 14 [X.] wegen vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten.

2

Der Kläger ist seit 1991 als Lehrer für das beklagte Land tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden [X.] die Tarifwerke des öffentlichen Dienstes Anwendung, nach Überleitung in den [X.] erhält der Kläger eine Vergütung aus der [X.] 10 Stufe 5. Der Kläger unterrichtet an einer Sonderschule für Lernbehinderte. Für den Streitzeitraum vom 15. August 2008 bis zum 14. August 2009 beauftragte ihn das beklagte Land mit seinem Einverständnis, als Fachseminarleiter [X.] die fachdidaktische Ausbildung für das Lehramt an Förderschulen wahrzunehmen. Für diese Tätigkeit wurde er wöchentlich von 18 Unterrichtsstunden freigestellt; sieben Unterrichtsstunden wöchentlich war er weiter an der Sonderschule tätig.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach § 14 [X.] für die vorübergehende Tätigkeit als Fachseminarleiter eine Zulage in Höhe der Differenz zur Besoldungsgruppe [X.] bzw. der [X.] E 14 [X.] zu.

4

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm für den Zeitraum vom 15. August 2008 bis zum 14. August 2009 die Zulage wegen der Wahrnehmung der Tätigkeit als Fachseminarleiter nach § 14 [X.] in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen der [X.] 10 Stufe 5 [X.] und der [X.] 14 [X.] und auf die jeweiligen Differenzbeträge Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des § 247 BGB jeweils ab Fälligkeit zu zahlen.

5

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, § 14 [X.] komme auf Lehrkräfte nicht zur Anwendung, weil deren Eingruppierung sich nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bestimme.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Zulage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

8

I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 14 [X.].

9

1. Nach § 14 Abs. 1 [X.] erhalten Beschäftigte, denen vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren [X.] entspricht, für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage, wenn diese Tätigkeit mindestens einen Monat ausgeübt wurde. Ob die vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit einer höheren [X.] entspricht, bestimmte sich nach der tariflichen Niederschriftserklärung zu § 14 Abs. 1 [X.] im Streitzeitraum nach den gemäß § 18 Abs. 3 [X.]änder fortgeltenden Regelungen des § 22 Abs. 2 [X.]/[X.]-O. Nach § 18 Abs. 3 [X.]änder galt bis zum 31. Dezember 2011 die Regelung des § 14 [X.] mit der Maßgabe, dass sich die Voraussetzungen für die übertragene höherwertige Tätigkeit nach § 22 Abs. 2 [X.]/[X.]-O bzw. den entsprechenden Regelungen für Arbeiter bestimmen.

2. Auf Lehrkräfte, auf deren Arbeitsverhältnis der nach § 17 Abs. 1 [X.]änder fortgeltende § 2 Nr. 3 des [X.] Nr. 1 zum [X.]-O vom 8. Mai 1991 ([X.]) zur Anwendung kommt und die - gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien - in der Vergütungsgruppe eingruppiert sind, die nach § 11 Satz 2 [X.]-O der Besoldungsgruppe vergleichbarer Beamter entspricht, findet § 14 [X.] keine Anwendung. Eine Zulage wegen der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit steht diesen Lehrkräften nur nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu.

a) Zur Vorgängernorm § 24 [X.]/[X.]-O hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, die Vorschrift baue auf der Grundnorm des § 22 [X.]/[X.]-O auf und komme nicht zur Anwendung, wenn sich die Eingruppierung des Beschäftigten nicht nach § 22 [X.]/[X.]-O iVm. der Vergütungsordnung richte ([X.] 9. November 2005 - 4 [X.] - Rn. 10 mwN, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 172; 26. April 2001 - 8 [X.] 2 b, c der Gründe, [X.] [X.]-O § 24 Nr. 5).

b) An dieser Auffassung hält der Senat für die Nachfolgenorm § 14 [X.] fest. Auch diese Vorschrift kommt nur zur Anwendung, wenn sich die Eingruppierung des Beschäftigten nach den Eingruppierungsvorschriften des [X.] richtet (nach § 17 Abs. 1 [X.] zunächst §§ 22, 23 [X.]/[X.]-O einschließlich der Vergütungsordnung, jetzt §§ 12, 13 [X.] einschließlich der Entgeltordnung).

aa) Bereits der Wortlaut der Norm, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB [X.] 27. Juli 2011 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.], 676), legt dies nahe. Vorausgesetzt wird, dass Beschäftigte eine Tätigkeit ausüben, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren [X.] entspricht. Nach der Niederschriftserklärung zu § 14 Abs. 1 [X.] bestimmt sich dies im Streitzeitraum nach den gemäß § 18 Abs. 3 [X.]änder fortgeltenden Regelungen des § 22 Abs. 2 [X.]/[X.]-O. § 14 [X.] setzt damit eine Eingruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen voraus und ergänzt die für die dauerhafte Übertragung von Tätigkeiten geltenden Eingruppierungsvorschriften für Fälle einer nur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten. Die Anwendung des § 14 [X.] setzt damit voraus, dass die Tätigkeit des Angestellten von der Vergütungsordnung des [X.]/[X.]-O bzw. der Entgeltordnung des [X.] erfasst wird. Erfolgt die Eingruppierung nicht nach Tätigkeitsmerkmalen, sondern wie bei Lehrkräften gemäß § 2 Nr. 3 [X.] nach Maßgabe beamtenrechtlicher Vorschriften, kommt § 14 [X.] deshalb nicht zur Anwendung (zu § 24 [X.]-O: [X.] 9. November 2005 - 4 [X.] - Rn. 10, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 172; 26. April 2001 - 8 [X.] 2 c der Gründe, [X.] [X.]-O § 24 Nr. 5).

bb) Die systematische Stellung des § 14 [X.] im Abschnitt III - Eingruppierung, Entgelt und sonstige Leistungen - bestätigt, dass die Norm Bestandteil der Eingruppierungsvorschriften ist und deren Anwendung voraussetzt. Ob eine vorübergehend ausgeübte Tätigkeit höherwertiger ist als eine andere, dauerhaft ausgeübte Tätigkeit, kann sachgerecht nur festgestellt werden, wenn beide Tätigkeiten nach einem einheitlichen Bewertungssystem und gleichen Eingruppierungsvorschriften beurteilt werden. Folgerichtig bestimmt § 18 Abs. 3 [X.], dass § 14 [X.] bis zum 31. Dezember 2011 mit der Maßgabe gilt, dass sich die Voraussetzungen für die übertragene höherwertige Tätigkeit nach § 22 Abs. 2 [X.]/[X.]-O bestimmen.

Entgegen der Auffassung der Revision steht dem nicht entgegen, dass nach § 17 Abs. 1 [X.] nur §§ 22, 23 [X.]/[X.]-O, nicht aber § 24 [X.]/[X.]-O fortgelten sollten. Dies beruht darauf, dass sich die Tarifvertragsparteien bei Inkrafttreten des [X.] am 1. November 2006 nur auf eine Nachfolgeregelung für § 24 [X.]/[X.]-O (§ 14 [X.]), nicht aber auf eine neue Entgeltordnung geeinigt hatten, sodass §§ 22, 23 [X.]/[X.]-O zunächst fortgelten sollten ([X.] in [X.] GÖKD IV E § 12 Rn. 1 f.). Die fehlende Erwähnung des § 24 [X.]/[X.]-O in § 17 Abs. 1 [X.] ist Ausdruck eines differenzierten Verhandlungsergebnisses, nicht aber einer im Vergleich zu § 24 [X.]/[X.]-O veränderten Zweckbestimmung des § 14 [X.].

cc) Die Anwendung des § 14 [X.] auf Lehrkräfte widerspräche Sinn und Zweck der nach § 2 Nr. 3 [X.] bzw. den [X.] der [X.] bestimmten Gleichbehandlung von beamteten und angestellten Lehrern. Lehrkräfte, die nach fachlicher Qualifikation und Tätigkeit gleichwertig sind, sollen eine annähernd gleiche Vergütung ohne Rücksicht darauf erhalten, ob sie Beamte oder Angestellte sind. Angesichts des Umstands, dass angestellte und beamtete Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und unter gleichen Arbeitsbedingungen tätig sind, ist dies sachgerecht. Angestellte Lehrer sollen durch den tarifvertraglichen Verweis nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als beamtete Lehrer ([X.] 12. März 2008 - 4 [X.] - Rn. 24, [X.]E 126, 149; 26. April 2001 - 8 [X.] 3 der Gründe, [X.] [X.]-O § 24 Nr. 5). Dem widerspräche es, wenn angestellte Lehrer nach § 14 [X.] Anspruch auf eine Zulage hätten, der Anspruch aber nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht bestehen würde (vgl. zu § 24 [X.]/[X.]-O: [X.] 26. April 2001 - 8 [X.]). Grundlage eines Anspruchs einer angestellten Lehrkraft auf eine Zulage wegen der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit kann deshalb nur eine Vorschrift des Beamtenrechts wie § 46 [X.] sein ([X.] 9. November 2005 - 4 [X.] - zu II 2 b aa der Gründe, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 172).

3. Der Kläger ist Lehrkraft iSd. § 2 Nr. 3 [X.].

a) Lehrkraft im Sinne dieser Vorschrift sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs der Tätigkeit das Gepräge gibt; insoweit kann - ohne ausschließliche Beschränkung auf den durch die Anlage [X.] 2l I erfassten Personenkreis - auf die Protokollnotiz zu Nr. 1 der Anlage [X.] 2l I zum [X.]-O zurückgegriffen werden ([X.] 27. Januar 1999 - 4 [X.] - zu I 2 a der Gründe mwN, [X.]E 91, 8). Der Kläger vermittelt an einer Sonderschule für Lernbehinderte Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs. Sonderschulen sind allgemeinbildende Schulen im Sinne der Anlage [X.] 2l I zum [X.]-O ([X.] 27. Januar 1999 - 10 [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.] [X.] §§ 22, 23 Lehrer Nr. 75; 18. Oktober 2000 - 10 [X.] - zu II 1 b der Gründe, [X.] [X.]-O § 11 Nr. 24).

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger nicht deshalb keine Lehrkraft (mehr), weil ihm vorübergehend zusätzlich Tätigkeiten eines Fachseminarleiters übertragen wurden. Bei der Prüfung, ob ein Beschäftigter Lehrkraft ist, ist regelmäßig auf dauerhaft, nicht aber auf vorübergehend übertragene Aufgaben abzustellen. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.]-O bzw. aus § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.]; danach richtet sich die Eingruppierung nach der gesamten nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit. Lehrkräfte würden bei einer vorübergehenden Abordnung ansonsten besser gestellt als beamtete Lehrkräfte, die bei einer Abordnung nur nach beamtenrechtlichen Vorschriften Anspruch auf eine Zulage haben könnten.

c) Unabhängig davon ist auch ein Fachseminarleiter Lehrkraft iSv. § 2 Nr. 3 [X.], weil seine Tätigkeit durch die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs geprägt ist. Zu seinen Aufgaben im Rahmen der Ausbildung von Lehramtsanwärtern gehören die Konzipierung und Leitung eines oder mehrerer fachdidaktischer Seminare sowie die Durchführung von [X.], die der Betreuung und Beratung der Anwärter dienen. Die Tätigkeit erfolgt auch im Rahmen eines Schulbetriebs. Die Lehramtsausbildung geschieht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungs- oder eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf, der vom Kläger verantwortete theoretische Teil der Ausbildung findet an einem vom Kultusministerium des beklagten [X.] eingerichteten staatlichen Seminar für Lehrämter statt. Der Kläger ist damit an einer Einrichtung der öffentlichen Verwaltung tätig, die der Ausbildung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes dient. Dass diese Art des Schulbetriebs gemäß Nr. 1 der Anlage [X.] 2l I [X.]-O nicht unter den Geltungsbereich der Anlage fällt, ist unerheblich, weil der personelle Anwendungsbereich des § 2 Nr. 3 [X.] ausdrücklich auch Lehrkräfte erfasst, die nicht unter diese Anlage fallen ([X.] 11. Februar 1987 - 4 [X.] - [X.]E 55, 53).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 46 [X.] auf Zahlung der Zulage. Die Norm kann zwar auf angestellte Lehrkräfte entsprechend zur Anwendung kommen ([X.] 9. November 2005 - 4 [X.] - Rn. 22, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 172); sie war im Streitzeitraum beim beklagten Land durch Gesetz vom 25. Juli 2007 (GVBl. LSA S. 236) aber außer Kraft gesetzt.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Rigo Züfle    

        

    A. Effenberger    

                 

Meta

10 AZR 203/11

11.07.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 28. Oktober 2009, Az: 7 Ca 573/09, Urteil

§ 46 BBesG, § 22 BAT-O, § 23 BAT-O, § 12 TV-L, § 13 TV-L, § 14 TV-L, § 17 Abs 1 TVÜ-L, § 18 Abs 3 TVÜ-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2012, Az. 10 AZR 203/11 (REWIS RS 2012, 4796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4796

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