Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 372/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5419

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 372/02

Verkündet am:

19. Januar 2005

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 17. Oktober 2002 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Zusatzversorgungsrente von der [X.].

Er ist am 27. Februar 1934 geboren und war von 1959 bis 1989 im öffentlichen Dienst der [X.] als Arzt beschäftigt. Nach seiner Flucht aus der [X.] im September 1989 war er vom 1. Januar 1990 bis zum 28. Fe-bruar 1999 bei einem an der [X.] beteiligten Arbeitgeber des öf-fentlichen Dienstes aus den alten Bundesländern tätig und dementspre-chend seit dem 1. Januar 1990 bei der [X.] versichert. Seit 1. März 1999 bezieht er von der [X.] und von der [X.] eine Versorgungsrente für Versicherte. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] ih-- 3 -

rer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berechnung der Renten-höhe des [X.] maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen [X.], von dem die Höhe ih-rer Zusatzrente abhängt, außer den 110 Umlagemonaten (1. Januar 1990 bis 28. Februar 1999), in denen der Arbeitgeber mit [X.] an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten [X.] beigetragen hat, darüber hinaus andere [X.]en, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente des [X.] zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der [X.] grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger ge-zahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamt-versorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das Bundesverfas-sungsgericht hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenom-men werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341).

Vor dem [X.] hat der Kläger beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab 1. März 1999 eine Versorgungsrente für Versicherte auf der Grundlage einer auch sämtliche Vordienstzeiten voll berücksichtigenden gesamtversorgungsfähigen [X.] zu gewähren. Das [X.] hat der Klage für den [X.]raum vom 1. Juli 2001 bis zum Inkrafttreten einer neuen, die Regelung der Vordienstzeiten ändernden Satzung stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und auf - 4 -

die Berufung der [X.] die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger für die [X.] ab dem 1. Januar 2001 sein Kla-gebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der [X.] bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das [X.] die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von [X.] die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit [X.] sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten [X.] in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den [X.] ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Ge-sichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die vom Klä-ger geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen [X.] auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ih-res Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirt-schaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der - 5 -

von der [X.] gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berück-sichtigt werden könnten.

Im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der [X.] durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; [X.] werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr [X.] (vgl. [X.], [X.], 37. Ergl. August 2002 Teil [X.]. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die [X.] etwa wegen Untätigkeit der [X.] ergänzend auszulegen.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, wie der Senat be-reits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - [X.], 183) entschieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht ge-zahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weiter-gezahlt und entsprechend § 39 der [X.] an [X.] zum 1. Juli um 1% erhöht. Die vom Kläger geforderte volle Anrech-nung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwer-- 6 -

de einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Er-höhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt [X.], nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerde-führerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von [X.]en vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der gesamtversorgungsfähigen [X.] andererseits gewandt hatte, hat das [X.] die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, [X.] davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das [X.] feststellt. Für die jüngeren Versichertengene-rationen sei ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungs-fähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] 7 -

genommen werden. Zu diesem [X.]punkt sei die Beklagte durch die Ent-scheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grund-legenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die [X.] Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsge-richts nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zuläs-sige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 kön-ne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten im Revisions-verfahren diese Annahme des [X.]s mittels stati-stischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachver-ständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in bezug auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das [X.] unerheblich. Der Kläger bezieht bereits seit - 8 -

1. März 1999 eine Zusatzrente von der [X.]. Für ihn und für die Generation, der er angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versi-chertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführe-rin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrentenbe-rechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch ein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB liegt nicht vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des [X.]s zur Un-gleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen [X.] trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff. und [X.], [X.], 1226, 1230 ff.). Denn mit dem [X.] ist der Senat der Auf-fassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung ge-- 9 -

genüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung [X.] im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffen-den Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen [X.] hinzunehmen, selbst wenn für die Zu-kunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Renten-empfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

e) Der Senat hat darüber hinaus in seinem Urteil vom 11. Februar 2004 ([X.] - [X.], 499 unter 2 d) klargestellt, daß [X.] in der früheren [X.] nicht wie [X.] voll angerech-net werden können, weil es an entsprechenden Umlagen des [X.] in dieser [X.] fehlt, und daß dadurch die davon betroffenen [X.] nicht in ihren Grundrechten verletzt werden. Das ergibt sich - wie der Senat bereits im Zusammenhang mit der Regelung des § 105b [X.] a.F. ausgeführt hat (Senatsurteil vom 14. Mai 2003 - [X.] - VersR 2003, 893 unter II 2 a und b) - aus dem Urteil des Bundesverfassungsge-richts vom 28. April 1999 ([X.] 100, 1 ff.).

f) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der von der [X.] in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Renten ist generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen - 10 -

aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitz-standsrente, die er nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Rente nach neuem [X.]srecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentli-chen Dienstes berechnet wird, ist von ihm weder dargetan noch ersicht-lich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfas-sungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zu-kunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.

g) Entgegen der Ansicht der Revision haben sich die [X.] schließlich auch nicht durch die Vereinbarung, eine bundesge-richtliche Entscheidung zugunsten einer höheren als der in der Über-gangsregelung der neuen Satzung vorgesehenen Versorgungsrente zu-gunsten aller davon Betroffenen umzusetzen, darauf verständigt, die - 11 -

Entscheidung über Halb- oder Vollanrechnung den Gerichten vorzubehal-ten. Damit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß einer solchen Ent-scheidung sogar rückwirkend Folge geleistet werden soll.

[X.][X.] [X.]

[X.]

Dr. [X.]

Meta

IV ZR 372/02

19.01.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 372/02 (REWIS RS 2005, 5419)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5419

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