Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2022, Az. 1 StR 323/22

Das [X.] hat die Angeklagten – unter Teileinstellung des Verfahrens im Übrigen mangels insoweit wirksamer Anklagen – jeweils wegen Steuerhinterziehung verurteilt, und zwar den Angeklagten E.      zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie den Angeklagten [X.]zu einer solchen von zwei Jahren. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das [X.] jeweils gegen beide Angeklagte in Höhe der ersparten Tabaksteuer die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit einem Betrag von 73.019 € angeordnet. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts – der Angeklagte E.     zudem die Verletzung formellen Rechts – beanstanden, haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen des [X.]s mietete der gesondert Verfolgte [X.]  in einer stillgelegten Zementfabrik in [X.]        Anfang Februar 2018 mehrere Räume an, um dorthin die mit dem Angeklagten E.     in [X.]      betriebene Produktionsstätte zu verlegen und ab März 2018 arbeitsteilig mit beiden Angeklagten ohne Erlaubnis Wasserpfeifentabak herzustellen. [X.]  und der Angeklagte E.    verbrachten daher die Maschinen in die Fabrik. Dem Angeklagten E.    kam vornehmlich die Aufgabe zu, die zur Produktion erforderlichen Materialien zu beschaffen. Der Angeklagte [X.]hatte den Rohtabak mittels einer Maschine zu zerschneiden, mittels zweier Betonmischer Glycerin und Aromastoffe beizumengen sowie den derart hergestellten Wasserpfeifentabak in 250 Gramm-Tüten und 1 Kilogramm-Eimern versandfertig zu verpacken. Zudem veräußerte der Angeklagte [X.]den Wasserpfeifentabak insbesondere als Sorten „N.    “ sowie „  F.   “ und vereinnahmte daraus [X.] in Höhe von insgesamt 31.800 € ([X.]); in Einzelfällen nahm der Angeklagte E.      die Kaufpreisgelder entgegen, und zwar insgesamt 26.000 €. Insgesamt veräußerten die Angeklagten im Tatzeitraum 3.319,5 Kilogramm Wasserpfeifentabak; die aus dem Handel erzielten Gewinne teilten sie zusammen mit [X.]  unter sich auf. Entgegen der ihnen bekannten Pflicht verwendeten die Angeklagten weder Steuerzeichen noch gaben sie [X.] ab und verkürzten hierdurch Tabaksteuer in Höhe von 73.029 €, die in Höhe von 73.019 € unbeglichen ist. Am 5. Juni 2018 wurden weitere 3.339 Kilogramm versandfertiger Wasserpfeifentabak in der Fabrik und in der Garage des Angeklagten E.     sichergestellt; die hierfür festgesetzte Tabaksteuer in Höhe von 73.458 € entrichtete der Angeklagte E.     .

2. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.

a) Schuld- und Strafausspruch weisen allerdings keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Die die Verurteilung tragenden Vorschriften sind indes § 370 Abs. 1 Nr. 3 [X.] i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2, Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 [X.] aF, § 4 Abs. 3 [X.] und nicht – wie vom [X.] angenommen – § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juli 2022 – 1 [X.] Rn. 13-18). Die Angeklagten hätten sich hiergegen nicht effektiver als geschehen verteidigen können (§ 265 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte E.     war bereits durch die Einrichtung der Produktionsstätte an der unerlaubten Herstellung des [X.] beteiligt.

Auch die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn [X.], die bestimmten und voneinander abgrenzbaren Herstellungsvorgängen zuzuordnen wären, sind nicht (mehr) tragfähig feststellbar. Dass das [X.] bereits deswegen das Regelbeispiel der Bandenmäßigkeit (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.]) nicht als erfüllt angesehen hat, beschwert die Angeklagten nicht.

b) Die [X.] (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) hat keinen Bestand.

aa) Die Angeklagten hatten sich, was das [X.] verkannt hat, (konkludent) zu einer offenen Handelsgesellschaft zum gemeinsamen Handel mit unversteuertem Wasserpfeifentabak (§ 105 Abs. 1, 2, § 1 Abs. 2 HGB), jedenfalls zu einer [X.] bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen. Im Vermögen dieser [X.], die als „Herstellerin“ Steuerschuldnerin war (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 [X.]), schlug sich die [X.] nieder. Eine [X.] wäre daher gegen diese [X.] als Dritteinziehungsbeteiligte (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 105 Abs. 1, 3 HGB, § 718 BGB § 424 Abs. 1 StPO) zu richten gewesen (vgl. zur Umsatz- bzw. auch Gewerbesteuer: [X.], Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 1 StR 106/22 Rn. 14 und vom 16. September 2020 – 1 [X.] Rn. 23; Urteil vom 10. Juli 2019 – 1 [X.] Rn. 56; je mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 10. August 2021 – 1 StR 399/20 Rn. 38: „Verselbständigung“ des Vermögens einer Personen- oder Personenhandelsgesellschaft; vgl. zudem zu einer Einzelfirma: [X.], Beschluss vom 1. Juni 2021 – 1 [X.] Rn. 16-18, 26); ihre Ladung zum Hauptverhandlungstermin hätte durch Zustellung an einen der Angeklagten als geschäftsführendem [X.]er bewirkt werden können (§ 429 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 2, 3, § 37 Abs. 1 StPO, § 170 ZPO; vgl. zu § 170 ZPO: [X.], Beschluss vom 14. Januar 2016 – [X.] Rn. 27).

bb) Dass jeder Angeklagte als „an der Herstellung beteiligte Person“ ebenfalls Schuldner der Tabaksteuer war (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2[X.]; vgl. zum Geschäftsführer eines Unternehmens: [X.] vom 14. Juli 2016 – 4 V 111/16 Rn. 21), sich damit selbst Tabaksteuer ersparte und Gesamtschuldnerschaft nicht nur untereinander, sondern auch mit der [X.] besteht (§ 15 Abs. 5 [X.]), ändert nichts an der Beschränkung der – durch eine gegenständliche Betrachtungsweise geprägten – Abschöpfung auf das Vermögen der [X.]. Dies liegt an der einziehungsrechtlich gebotenen strikten Trennung von [X.]svermögen auf der einen und dem Privatvermögen der [X.]er auf der anderen Seite sowie an der Besonderheit des Vermögensvorteils in Form der ersparten Aufwendungen: Mit der Inanspruchnahme ist die Steuerersparnis zugleich „verbraucht“ ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17, [X.]R StGB § 73 Erlangtes 29 Rn. 19; Beschluss vom 19. Mai 2022 – 1 [X.] Rn. 7); sie kann nicht „vervielfältigt“ werden. Zudem ist § 73b Abs. 2 StGB der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der geldwerte Vorteil in Form einer Ersparnis mangels Gegenständlichkeit einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden kann, auch nicht im Anwendungsbereich der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2022 – 1 StR 187/22 Rn. 5 mwN; vgl. auch die deswegen erforderliche Erstreckung der Geldwäschevorschriften des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB [„Gegenstand“] auf die bei einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aF). Nach alledem ist unerheblich, dass die Angeklagten als geschäftsführende (§ 34 Abs. 1 [X.]) und am Gewinn beteiligte [X.]er – anders als etwa ein an der Veräußerung nicht beteiligter Fahrer eines Lastkraftwagens mit unversteuerten Zigaretten (dazu [X.], Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 146 Rn. 19 f. und vom 12. Februar 2020 – 1 [X.] Rn. 23; Beschlüsse vom 8. August 2019 – 1 StR 679/18 Rn. 8 f. und vom 23. Mai 2019 – 1 [X.] Rn. 10) – durchaus wirtschaftlich betrachtet die Ersparnis im Ergebnis jeweils anteilig über die Veräußerungen in ihrem Privatvermögen realisierten. Auch die [X.] ist gesamthänderisch gebunden.

cc) Schließlich steht der Abschöpfung zulasten der [X.] nicht entgegen, dass diese ausschließlich einen strafbaren Geschäftszweck verfolgte; die Illegalität führt nicht dazu, dass die [X.] verbrauchsteuer- und nachfolgend einziehungsrechtlich zu ignorieren wäre (vgl. § 40 [X.]; vgl. zu Gewinnen aus [X.], die die Mitunternehmer einer „[X.] bürgerlichen Rechts“ ihrer jeweiligen Einkommensteuer zu unterwerfen haben: [X.], Urteil vom 6. April 2000 – [X.], [X.]E 192, 64). Denn sie war Inhaberin des – illegalen (vgl. § 6 [X.]) – Gewerbebetriebs und damit taugliches Einziehungssubjekt.

dd) Die Einziehung kann schließlich – ungeachtet der konkreten Fassung der [X.] – nicht auf die vereinnahmten [X.] aus dem Abverkauf des [X.] gestützt werden.

(a) Gegenstand der steuerstrafrechtlichen Verurteilung sind die durch das Unterbleiben des gebotenen [X.] bzw. Entrichtungsverfahrens erzielten Steuerersparnisse, nicht aber die [X.]. Auf solche könnte innerhalb der §§ 370 ff. [X.] nur aufgrund der – hier nicht einschlägigen – Strafvorschrift der Steuerhehlerei (§ 374 [X.]) zugegriffen werden (vgl. dazu zuletzt [X.], Beschluss vom 22. September 2022 – 1 [X.] Rn. 20). Die Angeklagten erwarben steuerfrei Rohtabak; erstmals durch ihre Produktion entstand Tabaksteuer.

(b) Auch mit dem Strafgesetz der ([X.] (§ 261 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 4 Buchst. b) Variante 3, Satz 3 Variante 1: „gewerbsmäßige“ Begehungsweise der Steuerhinterziehung [§ 370 [X.]] StGB aF) lässt sich die Einziehung nicht rechtfertigen. In materiell-rechtlicher Hinsicht sind weder die Voraussetzungen des § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF, namentlich die Unkenntnis der Abnehmer von der Illegalität der Herstellung des [X.] und damit von der rechtswidrigen Ersparnis der Tabaksteuer, festgestellt (vgl. zur Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF auf die Fälle des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aF: [X.], Beschluss vom 27. November 2018 – 5 [X.], [X.]St 63, 268 Rn. 16 mN) noch greift die Rechtsfolge des § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB aF ein, da die vereinnahmten [X.] nicht mehr gegenständlich vorhanden sind (vgl. auch § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF). In prozessualer Hinsicht steht dem Umstellen des [X.] das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) entgegen, da die Anschlusstat gegenüber der Vortat der Steuerhinterziehung bereits sachlichrechtlich eine andere Tat (§ 53 StGB) wäre (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Februar 2022 – 4 StR 403/21 Rn. 7; vom 8. Februar 2022 – 3 StR 374/21 Rn. 7; vom 16. September 2021 – 2 StR 51/21 Rn. 7 und vom 22. Oktober 2019 – 1 [X.] Rn. 8; je mwN).

c) [X.] beruht auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2021 – 1 [X.] Rn. 6 ff. und vom 6. Oktober 2021 – 1 [X.] Rn. 9 ff.).