Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.01.2020, Az. 20 F 8/19

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2020, 3754

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Gegenstand

Verweigerung der Aktenvorlage durch Verfassungsschutzbehörde


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom 19. August 2019 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 28. Februar 2019 ist auch teilweise rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 6 und 12 der Sachakte und Blatt 11 und 45 der Verwaltungsakte bezieht.

Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Die Klägerin begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren weitere Auskunft über die beim Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten.

2

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Dieser hat daraufhin einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom 28. Februar 2019 verweigert. Mit Beschluss vom 21. März 2019 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren auf sinngemäßen Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, dem [X.] des [X.] zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Der Beklagte habe sich auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO berufen und dem Begehren des [X.] [X.] nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 NVerfSchG entgegengehalten, deren Berechtigung vom erkennenden Gericht nur in Kenntnis des Akteninhalts feststellbar sei. Nach Mitteilung des Beklagten, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens mit dem Ziel der Löschung gesperrt würden, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. August 2019 entschieden, dass die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten, aber bisher zurückbehaltenen Aktenbestandteile fortbestehe.

3

Mit Beschluss vom 19. August 2019 hat der [X.] des [X.] festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf einen im Einzelnen konkret bezeichneten Teil der Unterlagen bezieht. Im Übrigen sei sie rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

4

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 28. Februar 2019 ist über die Feststellung des [X.]s des [X.] hinaus auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im [X.] bezeichneten Dokumente bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der [X.] des [X.] zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag daher abzulehnen sei.

5

1. Der [X.] des [X.] hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten [X.] nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

6

Danach ist ein Nachteil für das Wohl des [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise [X.], Aktenzeichen, [X.], Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

7

Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des [X.] ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen [X.] ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 15).

8

2. Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im [X.] aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nämlich nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen [X.] ihre Vorlage vollständig ausschließen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden (b).

9

a) Nicht von [X.] gedeckt sind die Schwärzungen der bisherigen Meldeanschrift der Klägerin auf Blatt 6 der Sachakte. Der [X.] des [X.] hat insofern bereits zutreffend festgestellt, dass auf Blatt 18 und 19 der Verwaltungsakte eine ehemalige Adresse der Klägerin offengelegt ist und nicht ersichtlich ist, weshalb hinsichtlich vergleichbarer Daten auf diesen Blättern ein Geheimhaltungsinteresse bestehen könnte. Rechtswidrig sind aus demselben Grund aber auch die entsprechenden Schwärzungen auf Blatt 6 der Sachakte.

Rechtswidrig ist ferner die auf Blatt 12 der Sachakte vorgenommene Schwärzung des Namens der Klägerin in der Auflistung der Personen, welche die Kampagne "[X.]" unterzeichnet haben. Auch insoweit fehlt ein Geheimhaltungsinteresse. Denn der Beklagte hat gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 18. November 2011 (Blatt 18 der Sachakte) bereits offengelegt, dass der Umstand, dass sie diese Kampagne unterzeichnet hat, bei ihm gespeichert ist. Dasselbe gilt für die entsprechende Liste auf Blatt 11 der Verwaltungsakte. Die Entnahme dieses Blatts ist insoweit nicht gerechtfertigt, als auch dort der Name der Klägerin als Unterzeichnerin des Aufrufs genannt ist.

Nicht gerechtfertigt ist darüber hinaus die Schwärzung der Worte "nicht bzw. teilweise" im Satz "Ein solcher Fall ist für die vorgenannten lfd. [X.]. nicht bzw. teilweise nicht gegeben." auf Blatt 45 der Verwaltungsakte. Diese Schwärzung wird von keinem der für dieses Blatt in Anspruch genommenen [X.] gedeckt. Es ist nicht ersichtlich, was aus dieser Information über die Arbeitsweise der [X.] geschlossen werden sollte.

b) Hinsichtlich der weiteren Aktenbestandteile und der weitergehenden Schwärzungen auf den im Tenor genannten Blättern, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig.

aa) Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten [X.] bestehen. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i.V.m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO). Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12 m.w.N.).

bb) Soweit ein [X.] vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

3. [X.] beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klägerin obsiegt nur in geringem Umfang, weil über die vom [X.] des [X.] bereits als rechtswidrig erkannten Schwärzungen hinaus nur wenige weitere Schwärzungen nicht durch [X.] nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sind.

Meta

20 F 8/19

08.01.2020

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend OVG Lüneburg, 19. August 2019, Az: 14 PS 2/19, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG, § 30 VerfSchG ND, § 99 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.01.2020, Az. 20 F 8/19 (REWIS RS 2020, 3754)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3754

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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