Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.02.2020, Az. 20 F 7/19

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2020, 3779

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Gegenstand

Schwärzung einer Empfängerbehördenbezeichnung


Leitsatz

Der Widerspruch einer Behörde, die am Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden teilnimmt, gegen die Offenlegung ihrer Eigenschaft als Adressatin einer Informationsübermittlung rechtfertigt für sich genommen nicht die Schwärzung der Behördenbezeichnung in den nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzulegenden Akten.

Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird der Beschluss des Fachsenats des [X.] vom 1. August 2019 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 29. Januar 2019 ist auch insoweit rechtswidrig, soweit auf Blatt 116 der Sachakte in der Zeile "An:" die Kurzbezeichnung einer weiteren Behörde geschwärzt ist.

Die weitergehende Beschwerde des [X.] wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren die Verpflichtung des Beklagten, weitere Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Dieser hat daraufhin einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom 29. Januar 2019 verweigert.

3

Auf den Antrag des [X.], die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. April 2019 das Verfahren an den [X.] des [X.] zur Durchführung eines Zwischenverfahrens abgegeben.

4

Mit Beschluss vom 1. August 2019 hat der [X.] des [X.] festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf Blatt 7 der Verwaltungsakte bezieht; im Übrigen sei die Sperrerklärung rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.].

II

5

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet.

6

1. Der [X.] des [X.] hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

7

Danach ist ein Nachteil für das Wohl des [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise [X.], Aktenzeichen, [X.], Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

8

Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des [X.] ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen [X.] ([X.], Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 15).

9

2. Nach diesen Maßstäben ist die Sperrerklärung des Beklagten vom 29. Januar 2019 über die Feststellung des [X.]s des [X.] hinaus auch insoweit rechtswidrig, als auf Blatt 116 der Sachakte in der Zeile "An:" die Kurzbezeichnung einer weiteren Behörde geschwärzt ist. Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Auf Blatt 116 der Sachakte ist in der Zeile "An:" das [X.] ([X.]) als Adressat der E-Mail offengelegt; ein weiterer Adressat ist geschwärzt. Der Beklagte hat diese Schwärzung in der Sperrerklärung vom 29. Januar 2019 damit begründet, dass die betreffende Sicherheitsbehörde - anders als die übrigen Sicherheitsbehörden - ihrer Offenlegung als Informationsübermittlungsadressatin widersprochen habe; daran sei der Beklagte gebunden.

Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend ausgesprochen, dass der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen nicht genügt, um insoweit die Teilschwärzung zu rechtfertigen. Nicht jeder Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden ist geheim; dass die Sicherheitsbehörden Erkenntnisse austauschen, entspricht deren Aufgabe und ist für sich genommen nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. [X.], Beschluss vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 16). Zwar kann ein Partnerdienst, der unter dem Schutz einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen übermittelt oder Anfragen gestellt hat, darauf vertrauen, dass die übersandten Informationen oder Auskunftsersuchen auch Jahre später nicht ohne seine Mitwirkung preisgegeben werden ([X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 19 und vom 4. Februar 2020 - 20 F 2.18 - Rn. 17). Ein entsprechendes Vertrauensschutzinteresse besteht aber nicht, wenn der Partnerdienst lediglich Empfänger einer Information ist. Dies wird auch dadurch illustriert, dass etwa das [X.] - hier ebenso wie bei anderen E-Mails (Blatt 9, 20, 31, 42, 46, 56, 66, 130, 138, 149 der Sachakte) - und eine weitere Sicherheitsbehörde auf der Empfängerseite (siehe [X.] der Sachakte) keine Bedenken gegen eine Offenlegung ihrer Eigenschaft als Adressaten im Informationsaustausch haben (die weiteren Teilschwärzungen in der Zeile "An:" auf [X.] und 130 der Sachakte betreffen namentlich genannte Behördenmitarbeiter).

Stellt der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen keinen [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar, so ist die Sperrerklärung insoweit rechtswidrig. Dass - wie das Oberverwaltungsgericht meint - ein anderer [X.] die Geheimhaltung "offensichtlich rechtfertigt", erschließt sich nicht ohne Weiteres. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit hat nicht zur Folge, dass der Beklagte ohne Weiteres zur Offenlegung der geschwärzten Behördenbezeichnung verpflichtet ist. Sofern es für die Schwärzung - jenseits des bloßen Widerspruchs der Empfängerbehörde - sachliche Geheimhaltungsgründe geben sollte, die insbesondere plausibel machen, warum neben dem [X.] zwar die auf [X.] der Sachakte genannte Sicherheitsbehörde, nicht jedoch die auf Blatt 116 der Sachakte genannte Sicherheitsbehörde offengelegt werden kann, so ist die oberste Aufsichtsbehörde nicht gehindert, die Mängel in einer neuen Sperrerklärung zu beheben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 18 und vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - [X.]E 136, 345 Rn. 33).

b) Hinsichtlich der weiteren Bestandteile sowohl der Verfahrens- als auch der Sachakte, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i.V.m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO). Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12 m.w.N.).

Soweit ein [X.] vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

3. Dem Kläger wurden die Kosten ganz auferlegt, weil er nur zu einem geringfügigen Teil obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

Meta

20 F 7/19

19.02.2020

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend OVG Lüneburg, 1. August 2019, Az: 14 PS 5/19, Beschluss

§ 189 VwGO, § 99 Abs 1 VwGO, § 99 Abs 1 S 1 VwGO, § 99 Abs 1 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.02.2020, Az. 20 F 7/19 (REWIS RS 2020, 3779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3779

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zur Feststellung der Entscheidungserheblichkeit geschwärzter Aktenteile


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