Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2006, Az. 5 StR 593/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 5377

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5 [X.][X.] vom 25. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 25. Januar 2006 beschlossen: Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 13. September 2005 gewährt. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ver-urteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur umfassen-den Aufhebung des Urteils. 1. Dem Angeklagten liegt zur Last, am 18. Januar 2003 gegen 1.45 Uhr in der Gegend des [X.] [X.] einen auf dem [X.] befindlichen 18-jährigen Schüler auf menschenleerer Straße mit einer Pistole von ungeklärter Beschaffenheit bedroht und zur Übergabe seiner Geldbörse mit 10 • und Papieren, eines Mobiltelefons und eines mit Zigaret-ten, einer Flasche Wein und einem Taschenrechner gefüllten Rucksacks [X.] zu haben; den Hausschlüssel habe er dem Geschädigten zurück- - 3 - gegeben und ihm einen Teil der Papiere einige Tage später mit der Post zurückgesandt. 2. Die Überführung des die Tat bestreitenden Angeklagten beruht [X.] auf der Identifizierung seiner Person als Täter und einer ihm gehörenden braunen Lederjacke als der vom Täter getragenen Oberbekleidung durch den Geschädigten. Dieser hatte den unmaskierten Täter anlässlich der Tat längere [X.] bei ausreichenden Lichtverhältnissen beobachten können. Zwei Tage nach der Tat hatte er bei Einsicht in die polizeiliche [X.] aus 700 bis 800 Bildern, zusammengestellt nach seiner Täterbeschreibung (170 bis 175 cm Größe, 25 bis 30 Jahre, [X.] Nationalität), ein Lichtbild des Angeklagten herausgesucht, das —massive Ähnlichkeit mit dem [X.]. Auf der Grundlage dieser Lichtbildidentifizierung erfolgte eine Woh-nungsdurchsuchung beim Angeklagten, bei der weder ein Beutestück noch eine Pistole, jedoch eine braune Lederjacke des Angeklagten sichergestellt wurde; der Geschädigte hatte angegeben, dass der Täter eine solche getra-gen habe. Im [X.] an die Wohnungsdurchsuchung wurde [X.] aus uner-findlichen, im Urteil nicht abgehandelten Gründen [X.] weder eine Wahlgegen-überstellung des Angeklagten mit dem Geschädigten durchgeführt noch eine Wahlvorlage der sichergestellten Jacke mit anderen ähnlichen Bekleidungs-stücken durchgeführt. Vielmehr wurden dem Geschädigten [X.] nunmehr drei Monate nach der Tat [X.] zwei anlässlich der Wohnungsdurchsuchung gefertig-te [X.] zur Identifizierung vorgelegt, die den Angeklagten, der die sichergestellte braune Lederjacke trägt, zeigen; ferner wurde ihm die Jacke vorgelegt. Der bewusst vorsichtig formulierende Geschädigte erkannte [X.] —zu 90 %fi den Angeklagten als Täter wieder, ferner die Jacke als Be-kleidungsstück des [X.] unter Hinweis auf bestimmte markante Merkmale. Eine Wahlgegenüberstellung des Angeklagten mit dem Geschädig-ten unterblieb auch bis zur [X.] aus ungeklärten, vom [X.] nicht abge-handelten Gründen [X.] erst mehr als zwei Jahre später erfolgten [X.]. Gleichfalls erfolgte keine Untersuchung des frankierten [X.] - [X.], in welchem dem Geschädigten seine geraubten Papiere [X.] worden waren; eine erst vom [X.] auf Antrag der Verteidigung in Unterbrechung der Hauptverhandlung veranlasste Untersuchung geneti-schen Materials auf den Briefmarken ergab keine Identität mit der DNA des Angeklagten. Auch das [X.], das noch vor Anklagezustellung die Verhaftung des Angeklagten beschloss, veranlasste keine [X.]. In der Hauptverhandlung erkannte der Geschädigte den Angeklag-ten dann —spontan als Täter wiederfi. 3. Die Beweiswürdigung, mit der sich das [X.] von der [X.] überzeugt hat, hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das [X.] die insbesondere mit der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Wiedererkennungsleistungen des Geschädigten verbun-denen Probleme nicht etwa grundlegend verkannt, sie teilweise auch aus-führlich abgehandelt. Gleichwohl bleibt seine Gesamtwürdigung lückenhaft. Dies folgt aus der besonderen Schwierigkeit der konkreten Beweislage, die zudem durch aus dem Urteil ersichtliche gravierende Ermittlungsdefizite ge-kennzeichnet ist und darüber hinaus noch durch erheblichen [X.]ablauf seit Begehung der Tat, zu dessen Ursache das Urteil schweigt, verstärkt wird. Zunächst ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob der Geschädigte bei der Anzeige über die benannten sehr allgemeinen Merkmale hinaus noch andere individuellere Merkmale des Erscheinungsbildes des [X.] angegeben [X.]. Hierin liegt ein für die Beurteilung zuverlässigen Wiedererkennens [X.] Umstand. Ebenso lässt sich dem Urteil nicht klar entnehmen, ob der Geschädigte bereits vor der Sachidentifizierung [X.] abgesehen von der Angabe, dass der Täter eine —braune Lederjackefi getragen habe [X.] irgend-welche Merkmale jener Jacke bezeichnet hatte oder ob er ihre markanten Merkmale erst im Nachhinein nach der suggestiv gestalteten [X.] als Wiedererkennungsmerkmale benannt hat. Für den letztge-nannten Fall hätte die hierin liegende Schwäche der Identifizierungsleistung der Erörterung bedurft. Auch stellt das [X.] anders als ausdrücklich - 5 - für die Beurteilung der Personenidentifizierung das Phänomen des —Waffen-fokusfi (vgl. [X.], [X.] der [X.]. [X.]. 1391; Ben-der/[X.], Tatsachenfeststellung vor Gericht II 2. Aufl. [X.]. 726) in seine Bewertung der Sachidentifizierung nicht ein; dabei kann die Konzentration des Geschädigten auf die Waffe, mit der er bedroht wurde, eine gleichzeitige zuverlässige Wahrnehmung von Einzelheiten der Täterbekleidung eher noch stärker beeinträchtigt haben als bezogen auf das persönliche Erscheinungs-bild des [X.]. Zudem fehlt im Urteil fast jegliche Personenbeschreibung des Ange-klagten. Sie wäre bei der gegebenen schmalen [X.] für die Frage wesentlich gewesen, ob das Erscheinungsbild des Angeklagten etwa so [X.] und wenig markant war beziehungsweise einem verbreiteten Typ ungefähr gleichaltriger Männer derart entsprach, dass eine größere Gefahr der [X.] bestand. Bei der ergänzenden Verwertung des wiederholten Wiedererkennens in der Hauptverhandlung hat das [X.] die verstärkte Suggestibilität der Identifizierungssituation im Rahmen einer Konfrontation des Geschädigten allein mit dem Verdächtigten in der Rolle des Angeklagten nicht ausdrücklich erörtert. Schließlich bleibt auch die Prüfung möglicher Entlastungsindizien lü-ckenhaft, anhand derer das [X.] im Ansatz zutreffend die [X.] aus Personen- und Sachidentifizierung hinterfragt. Dass der insoweit durch Zeugen gestützte Angeklagte in der Tatnacht mit seiner damaligen Partnerin in der gemeinsamen Wohnung die beiden kleinen Kinder ihrer Schwester gehütet hat und dass die Freundin meinte, der Angeklagte sei in jener Nacht —nicht wegfi gewesen, glaubt das [X.], verneint indes ein Alibi, da der Angeklagte sich von der tief schlafenden Frau unbemerkt hätte entfernen können. Diese Variante der Tatbegehung forderte jedoch eine zu-sätzliche, in die Gesamtwürdigung einzustellende Prüfung heraus, ob es plausibel [X.] oder hingegen eher fernliegend [X.] erscheint, dass sich der Ange-klagte nachts heimlich bewaffnet in die Gegend des [X.] begab, - 6 - um dort einen augenscheinlich nicht ersichtlich begüterten jungen Passanten zu berauben. Das Urteil enthält hierzu nichts; ihm ist weder die Entfernung des [X.] von der damaligen Wohnung des Angeklagten und seiner Freun-din zu entnehmen, deren Adresse nicht benannt ist, noch enthält es nähere Feststellungen zu den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen des Ange-klagten und seiner Freundin zur Tatzeit. 4. Der Senat verkennt nicht, dass die aufgezeigten Beweiswür-digungslücken [X.] unterbliebene Beschreibung des Erscheinungsbildes des Angeklagten zur Tatzeit, fehlende Angaben zu anfänglichen Personen- und Sachbeschreibungen durch den Geschädigten, fehlende Erörterung weiterer Schwachpunkte bei der Personen- und Sachidentifizierung, mangelnde Fest-stellungen für eine Plausibilitätskontrolle [X.] selbst in der Summierung im Rahmen der revisionsgerichtlichen Sachprüfung bei gravierenderen Belas-tungsbeweisen möglicherweise nicht als erheblich zu beurteilen gewesen wären. Hingegen müssen sie bei der gegebenen ungewöhnlich problemati-schen Beweissituation [X.] auch vor dem Hintergrund gewichtiger Ermittlungs-mängel [X.] zur Aufhebung des Urteils und Anordnung neuer tatgerichtlicher Prüfung führen. Vor der namentlich bei fortdauernder Untersuchungshaft besonders zügig anzuberaumenden neuen tatgerichtlichen Verhandlung kann sich ein Aufklärungsversuch empfehlen, ob das untersuchte [X.] des Rück-sendebriefs etwa einer den Ermittlungsbehörden bekannten bestimmten drit-ten Person zuzurechnen ist. Sollte die neue Verhandlung wiederum zur Verurteilung des Ange-klagten führen, werden Erörterungen zu einer Verletzung des Verzögerungs-verbots (Art. 6 Abs. 1 MRK), gegebenenfalls mit den vorgeschriebenen Kon-sequenzen einer numerisch bestimmten Strafreduzierung, die im angefoch-tenen Urteil bei einem unerklärten Abstand von über zwei Jahren zwischen der letzten urteilsrelevanten Ermittlungshandlung und der Anklageerhebung - 7 - gleichfalls fehlerhaft unterblieben sind (vgl. BGHSt 49, 342), unerlässlich sein. [X.] Basdorf [X.] Raum

Meta

5 StR 593/05

25.01.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2006, Az. 5 StR 593/05 (REWIS RS 2006, 5377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5377

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