Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2005, Az. 4 StR 581/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2005, 4439

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 17. März 2005 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17. März 2005, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.] als Vorsitzender,

[X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsan-waltschaft wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Brandstif-tung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren [X.], mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Angeklagte beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Beide Revisionen greifen die Be-weiswürdigung in dem angefochtenen Urteil an. Der Angeklagte wendet sich gegen die Feststellung seiner [X.]chaft; die - vom [X.] ver-tretene - Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung auch we-gen eines versuchten Tötungsdelikts sowie wegen besonders schwerer Brand-stiftung (§ 306 b Abs. 2 StGB). Beide Rechtsmittel haben Erfolg. - 4 - 1. Das [X.] hat im wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen: Der Angeklagte beabsichtigte, am 30. Dezember 2003 die [X.]filiale in [X.]nach [X.] zu überfallen, um seine finanzielle [X.] zu verbessern. Zu diesem Zweck hatte er seine [X.] und einen Teleskopschlagstock eingesteckt. Er fuhr mit seinem Pkw in die Nähe des [X.]. Gegen 19.50 Uhr zwang er auf dem Parkplatz des [X.] dessen stellvertretenden Filialleiter, O.

, der mit einer Verkäufe-rin als letzter das Kaufhaus verlassen hatte, unter Einsatz der - möglicherweise ungeladenen - [X.], die [X.] wieder [X.]. Nachdem es dem Angeklagten nicht - wie beabsichtigt - gelungen war, an den Inhalt des [X.] zu gelangen, verlangte er von [X.]unter Vorhalt der Pistole, daß dieser zwei Schlüsselbunde, ein Handy und seine Geldbörse, in der sich ca. 40 Euro befanden, auf die Treppenstufen zum Büro legte. Die Sachen nahm er später an sich, um sie zu behalten. Er schob [X.]in einen [X.] des Lagers und schloß die Tür. Als der Ge-schädigte um Hilfe schrie, öffnete der Angeklagte die [X.] und sagte wütend zu ihm, er solle leise sein. Er ging zu [X.]und schlug ihm mit dem Teleskopschlagstock, den er aus seiner Jacke gezogen hatte, mindestens dreimal auf Kopf, Hände und Arme. Hierdurch erlitt der Geschädigte eine ca. 4 cm großen Kopfplatzwunde und eine Schwellung an der Hand. Durch die Schläge ging er zu Boden; er verlor aber nicht das Bewußtsein. Der Angeklag-te verließ den [X.], schloß die Tür und entfernte sich. Nachdem es [X.]gelungen war, die Tür von innen zu öffnen, versteckte er sich in einem anderen, entfernt liegenden Raum. Von einem dort befindlichen Telefon aus alarmierte er die Polizei und wartete. Der Angeklagte hatte inzwischen in einem - 5 - durch eine Wand von dem [X.] getrennten Lagerraum an mindestens vier Stellen Feuer gelegt, bevor er schließlich den [X.]

verließ. Mit welcher Absicht er das Feuer gelegt hatte, war nicht feststellbar. [X.]konnte von [X.] und Feuerwehr aus dem Raum, in den er geflüchtet war, befreit werden. Das Feuer, an dessen Bekämpfung sich der Angeklagte als Mitglied der freiwil-ligen Feuerwehr beteiligte, verursachte einen Warenschaden von ca. 125.000 Euro; der Gesamtschaden betrug ca. 352.000 Euro. 2. [X.] hat das Geschehen rechtlich als schwere räuberi-sche Erpressung (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, 253 Abs. 1 und 2, 255 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in Tatmehrheit mit Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB) gewertet. Die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB seien nicht gege-ben, weil zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sei, daß die ver-wendete [X.] nicht geladen gewesen sei. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB liege nicht vor, weil der Angeklagte den Geschädigten zwar mit dem Teleskopschlagstock mehrfach geschlagen und damit ein gefährliches Werkzeug verwendet habe, aber keine sicheren Feststellungen dahingehend hätten getroffen werden können, daß die Verwendung des Schlagstocks nicht nur zur "Ruhigstellung" des Geschädigten, sondern noch zur Durchführung der Nötigung zur Wegnahme gedient habe. Zwischen schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung liege allerdings Tateinheit vor, weil insoweit zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sei, daß der Einsatz des Schlagstocks noch zur Durchführung der Nötigungshandlung bzw. der Sicherung der Beute verwendet worden sei. - 6 - Durch den Brand im Warenlager habe sich der Angeklagte nur der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB) schuldig gemacht. Eine schwere Brandstiftung sei nicht nachweisbar, weil zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sei, daß er sich, bevor er das Feuer [X.] zu einer Zeit, in der sich grundsätzlich keine Menschen mehr in dem Gebäude aufzuhalten pflegten - gelegt habe, möglicherweise davon vergewissert habe, daß es [X.]gelungen sei, rechtzeitig aus dem [X.] zu fliehen. Aus diesem Grunde komme auch eine Bestrafung nach § 306 b Abs. 2 StGB nicht in Betracht. Im übrigen sei weder erweislich, daß der Angeklagte den Geschädigten durch den Brand habe töten, noch, daß er damit seine bereits begangene Straftat habe [X.] wollen. Auch ein bedingter Tötungsvorsatz sei nicht nachweisbar. 3. Das Urteil muß auf beide Revisionen aufgehoben werden, weil es so-wohl zu Lasten als auch zugunsten des Angeklagten durchgreifende Rechts-fehler bei der Beweiswürdigung aufweist. a) Revision des Angeklagten Eines [X.] auf die Verfahrensrüge bedarf es nicht, weil bereits die Sachrüge Erfolg hat. Die Revision rügt zu Recht, daß die Beweiswürdigung des [X.] lückenhaft ist. Das Schwurgericht hat im Hinblick auf die den Angeklagten belastenden Indizien ganz wesentlich ([X.], 45, 55) darauf abgestellt, daß der Zeuge [X.]den Angeklagten bei der Stimmenidentifizierung in Verbindung mit der visuellen Gegenüberstellung wiedererkannt habe. Da der Geschädigte den [X.] bei dessen Herankommen nur kurz ins Gesicht sehen ([X.]) und er Kopf - 7 - und Gesicht des [X.] bei der Tatausführung nicht genau wahrnehmen konn-te, weil dieser einen schwarzen Schal oder ein schwarzes Tuch vor Mund und Nase geschoben hatte ([X.]) und er zudem eine Baseballkappe auf dem Kopf trug ([X.], 88), war das [X.] gehalten, alle Gesichtspunkte, die ein zuverlässiges Wiedererkennen des [X.] durch den Geschädigten in [X.] stellen konnten, eingehend zu erörtern (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizie-rung 6). Das hat es nicht getan. (1) Das Schwurgericht bewertet lediglich das Wiedererkennen des [X.] durch den Zeugen [X.]bei der Polizei ([X.] ff.). Ob der Zeuge sich ganz sicher war und er den Angeklagten auch in der Hauptverhandlung als den Täter wiedererkannt hat, wird im Urteil nicht erörtert. Zwar hätte das Wiedererkennen in der Hauptverhandlung als fiwiederholtes Wiedererkennenfi nur einen beschränkten Beweiswert (vgl. BGHSt 16, 204, 205; BGHR StPO § 261 Identifizierung 3, 10, 12, 13); hätte der Zeuge den Angeklagten aber in der Hauptverhandlung nicht wiedererkannt, so wäre dies ein gewichtiger Umstand, der gegen die Zuverlässigkeit der früheren Identifizierung durch den Zeugen sprechen könnte (vgl. [X.], 454). Die Frage, ob der Zeuge den [X.] auch in der Hauptverhandlung als den Täter wiedererkannt hat, hätte daher im Urteil abgehandelt werden müssen. (2) Nach den Feststellungen des [X.] weist der Bruder des [X.], L. , [X.] Aussehen her eine starke Ähnlichkeitfi mit dem Angeklagten auf ([X.]). Das Schwurgericht legt nicht dar, warum L. als Täter ausscheidet. Der in diesem Zusammenhang lediglich gegebene Hinweis, es sei zu berücksichtigen, daß der Geschädigte den Angeklagten nicht nur visuell, sondern gerade an der Stimme erkannt habe, genügt nicht - 8 - den rechtlichen Anforderungen, weil das Schwurgericht sich zur Stimme des Bruders [X.] ob diese nämlich der des Angeklagten ähnlich ist [X.] nicht äußert. b) Revision der Staatsanwaltschaft Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil das [X.] die Reichweite des [X.] verkannt hat. (1) Der Grundsatz fiin dubio pro reofi ist keine Beweis-, sondern eine Ent-scheidungsregel, die das Gericht erst dann anzuwenden hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungs-erheblichen Tatsache zu gewinnen vermag ([X.], 609 m.w.N.). Er bedeutet nicht, daß von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann auszugehen ist, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr. [X.] vgl. nur [X.], 666, 667; NStZ-RR 2003, 166, 168). Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten sind vielmehr nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter hierfür reale Anknüpfungspunkte hat (vgl. [X.], 243; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18). (2) Das [X.] legt in seiner Würdigung des Tatgeschehens eine Vielzahl von Unterstellungen zugunsten des Angeklagten zugrunde ([X.] ff.). Insbesondere geht es im Hinblick auf die für einen (bedingten) Tötungsvorsatz entscheidungserhebliche Frage, ob der Angeklagte billigend in Kauf nahm, daß es dem Geschädigten nicht gelingen werde, aus dem [X.] in [X.] zu fliehen, und er dessen Tod [X.] durch Erfrieren oder durch die Brandle-gung [X.] in Kauf nahm, zugunsten des Angeklagten davon aus, daß er mögli-- 9 - cherweise nicht gewußt habe, daß in dem Kühlraum minus 20 Grad Celsius herrschten, und er angenommen haben könne, dem Geschädigten sei die Flucht aus dem [X.] möglich. Diese Unterstellungen zugunsten des Angeklagten haben keine realen Anknüpfungspunkte. Abgesehen von der [X.] näherer Erörterung bedürftigen [X.] eher lebensfremden Unterstellung, der [X.] könne nicht bemerkt haben, daß es sich bei dem Raum, in den er [X.]eingesperrt hatte und in den er selbst hineingegangen war ([X.]), um einen [X.] handelte ([X.]), liegt es fern anzunehmen, er sei davon ausgegangen, [X.] werde sich selbst befreien; denn der Sinn des Einsper-rens konnte ja nur gewesen sein, daß [X.]aus dem Raum nicht heraus-kam. Da der Geschädigte in dem [X.] in Todesangst um Hilfe [X.] hatte ([X.]), hatte der Angeklagte auch keinen Grund zu glauben, dieser werde sich selbst befreien, zumal er ihn danach noch mit dem Schlag-stock zusammengeschlagen hatte ([X.]). Dafür, daß der Angeklagte [X.] was das [X.] auch nicht auszuschließen vermochte ([X.], 91) [X.] vor der Brandstiftung noch einen Blick in den [X.] geworfen haben könnte, um sich davon zu überzeugen, daß [X.] die Flucht gelungen sei, bestehen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte. Rechtsfehlerhaft ist auch die [X.] gegen eine Verdeckungsabsicht [X.] heran-gezogene Unterstellung, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der [X.] gedacht habe, [X.]könne ihn wegen seiner Maskierung nicht identifizieren ([X.]); denn eine Verdeckungsabsicht kann auch vorgelegen haben, wenn der Angeklagte nur befürchtete, [X.]
könne ihn [X.] wiedererkennen. Das liegt hier nahe, weil [X.] wovon der Angeklagte ausge-hen mußte [X.] [X.] ihn möglicherweise als Kunden des [X.] s kannte ([X.]). Auch das hat das [X.] nicht erörtert. - 10 - 4. Es ist nicht auszuschließen, daß das Urteil auf den aufgezeigten [X.] beruht. Die Sache muß daher neu verhandelt werden. In der nunmehr zu treffenden Entscheidung wird [X.] sollte die [X.]chaft des Angeklagten wiederum festgestellt werden [X.] auch zu erörtern sein, ob das gewaltsame Einsperren des [X.]auch dazu diente, das ursprünglich [X.] weiter durchzuführen. Dies liegt deshalb nahe, weil der Angeklagte dem Geschädigten den [X.] -Schlüsselbund abgenommen hatte ([X.]) und er sich daher in der Lage gesehen haben konnte, verschlossene Behältnisse mit stehlenswertem Inhalt zu öffnen und weitere Beute mitzuneh-men. Maatz [X.] [X.]

[X.]

Ernemann

Meta

4 StR 581/04

17.03.2005

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2005, Az. 4 StR 581/04 (REWIS RS 2005, 4439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4439

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