Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.02.2016, Az. 29 W (pat) 118/12

29. Senat | REWIS RS 2016, 16387

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Rich meets Beautiful" – mehrere Markenanmelder - Bruchteilsgemeinschaft – Beschwerdegebühr ist mehrfach zu entrichten – einfache Gebührenzahlung - Beschwerde gilt als nicht eingelegt


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 058 986.0

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am 11. Februar 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am [X.] von Hartz

beschlossen:

1. [X.] vom 9. Oktober 2012 gilt als nicht eingelegt.

2. [X.] ist zurückzuerstatten.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist von [X.] am 27. Oktober 2011 für Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 45 als Marke beim [X.] ([X.]) angemeldet worden.

4

Die Markenstelle für Klasse 35 hat mit Beschluss vom 22. August 2012 die Anmeldung im Wesentlichen zurückgewiesen und zwar für nachfolgende Dienstleistungen:

5

Klasse 35:

6

Geschäftsführung, Marketing, Eventmarketing, Werbung und Verkaufsförderung; Marktforschung und -informationen; Präsentation von Waren und Dienstleistungen Dritter über Computer- und Kommunikationsnetze; Online-Einzelhandelsdienstleistungen zur [X.] von digitalen Multimediawaren, nämlich von Bildern, Filmen, musikalischen und audiovisuellen Werken und verwandten Handelswaren; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten über ein computergestütztes Online-Netz; Dienstleistungen im Bereich Vermittlung von Geschäftskontakten;

7

Klasse 38:

8

Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im [X.]; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an [X.]-Adressen ([X.]); elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, [X.] und [X.]foren; Bereitstellung von [X.]-[X.]; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im [X.]; Bereitstellung des Zugriffs auf Computer-, elektronischen und Online-Datenbanken; Telekommunikation, nämlich elektronische Übertragung von Daten, Nachrichten und Informationen; Bereitstellung von Online-Foren für die Kommunikation zu allgemein interessierenden Themen; Bereitstellung von [X.] zur Weiterleitung der Benutzer von Websites auf andere lokale und weltweite Websites; Bereitstellung des Zugriffs auf Websites von [X.] über eine universelle Anmeldung; Bereitstellung von Online-Gesprächsforen und elektronischen Mailboxen; Ausstrahlung von Audio-, Text- und Videoinhalten über Computer- oder andere Kommunikationsnetze, nämlich elektronisches Übertragen von Daten, Informationen, Ton und Videobildern; Einstellen von Daten in das [X.] oder andere Telekommunikationsnetze; Bereitstellung eines Online-Netzdienstes zur Ermöglichung der Übertragung von persönlichen Benutzeridentitätsdaten zu mehreren Websites und zum Austausch von persönlichen Identitätsdaten mit und zwischen mehreren Websites; Bereitstellung des Zugriffs auf Computerdatenbanken im Bereich [X.] Netze, Vermittlung von Bekanntschaften und Partnervermittlung;

9

Klasse 45:

Dienstleistungen im Bereich Vermittlung von Bekanntschaften, [X.] Netze und Partnervermittlung; [X.] Dienstleistungen; Auskunftsdienste zur Ehe- und Bekanntschaftsvermittlung, nämlich Erteilung von [X.]n Informationen im Bereich persönliche Entwicklung, nämlich Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung, Wohltätigkeits-, philanthropische, Freiwilligen-, öffentliche und Gemeinschaftsdienstleistungen sowie humanitäre Aktivitäten; Auskunftsdienste zur Ehe- und Bekanntschaftsvermittlung, nämlich Erteilung von Informationen (über Dritte) in Bezug auf [X.] und politische Fragen über Computer- und Kommunikationsnetze.

Im Umfang der zurückgewiesenen Dienstleistungen stehe dem angemeldeten Zeichen das absolute Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Es enthalte insoweit allein eine sachbezogene Angabe. Der Verkehr verstehe das angemeldete Zeichen dahingehend, dass es sich um Dienstleistungen handele, die dem [X.] diene. Was alles der Vermittlung von Bekanntschaften zwischen Reichen und Schönen diene und damit zu tun habe, müsse nicht genau definiert sein, da dies naturgemäß weit gefächert sein könne. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Zeichens führe nicht zu dessen Schutzfähigkeit. Der [X.] werde nicht davon ausgehen, dass nur ein Unternehmen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Bekanntschaftsvermittlung zwischen Reichen und Schönen anbiete. Ähnlich gebildete Begriffspaare wie „[X.]“, „[X.]“ würden im vergleichbaren Sinne verwendet werden.

Der Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der beiden Anmelder am 11. September 2012 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelder vom 9. Oktober 2012, welche am gleichen Tag beim [X.] einging. Mit Wertstellung zum 9. Oktober 2012 wurde eine Zahlung in Höhe von … [X.] entrichtet. Wegen des genauen Inhalts der Einziehungsermächtigung wird auf [X.]. 8 d. A. Bezug genommen. Die Markenanmeldung ist im Jahr 2013 auf die [X.] übertragen worden. Die Übertragung wurde im November 2013 in den Akten der Anmeldung und im [X.]register vermerkt.

Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß,

den Beschluss des [X.]s für Klasse 35 aufzuheben und eine Eintragung der Marke „[X.]“ zumindest für Waren und Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 gemäß [X.] zu veranlassen.

Sie sind der Auffassung, das angemeldete Zeichen sei unterscheidungskräftig. Die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Zeichenfolge seien bereits ein Hinweis auf eine vorhandene Unterscheidungskraft. Gerade für die Dienstleistungen der Klasse 35 „Geschäftsführung, Marketing, Eventmarketing, Werbung und Verkaufsförderung, Marktforschung und Informationen, Präsentationen von Waren und Dienstleistungen Dritter über Computer und Kommunikationsnetze, Online-Einzelhandelsdienstleistungen zur [X.] von digitalen Multimedia-Waren, nämlich Bildern, Filmen, musikalischen und audiovisuellen Werken und verwandten Handelswaren“ könne eine fehlende Unterscheidungskraft nicht festgestellt werden. Gleiches gelte für viele Dienstleistungen der Klasse 38.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt, weil die Anmelder und Beschwerdeführer ihrer nach dem Patentkostengesetz (PatKostG) obliegenden Verpflichtung zur Zahlung zweier [X.] nicht nachgekommen sind.

1. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt, weil die Beschwerdeführer die erforderliche [X.] in Höhe von je … [X.] pro Beschwerdeführer nicht in voller Höhe entrichtet haben. Die Rechtsfolge einer nicht vollständigen Zahlung ist gem. §§ 6 Abs. 2, 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 PatKostG die Nichtvornahmefiktion der Einlegung des Rechtsmittels, weshalb die [X.] als nicht entstanden angesehen wird ([X.], Beschluss vom 25.01.2016, [X.] – Rn. 11, 12; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 66 Rn. 49; Busse/[X.], [X.], 7. Auflage, § 6 PatKostG Rn. 9).

für jeden Antragsteller gesondert erhoben wird ([X.]; a. a. [X.]; Vorbemerkung B wurde durch das Gesetz zur Änderung des patentamtlichen [X.] und des Patentkostengesetzes vom [X.] – BG[X.]. I, S. 1318 ff. – in die „Anlage Gebührenverzeichnis“ zu § 2 Abs. 1 PatKostG aufgenommen).

jeden Antragsteller gesondert zu entrichten; die [X.] S… sind zwei „Antragsteller“ im Sinne dieser Vorbemerkung. Vorliegend hätten demnach zwei Gebühren in Höhe von je … [X.] entrichtet werden müssen. Das [X.] hat in der dem Beschluss vom 12. August 2012 beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf das Erfordernis der gesonderten Zahlung für jeden Beschwerdeführer und die andernfalls eintretenden Rechtsfolgen auch hingewiesen (vgl. [X.]. 28 VA).

2. Die Beschwerdeführer haben innerhalb der Beschwerdefrist lediglich eine einzige Gebühr in Höhe von … [X.] bezahlt.

a) Die [X.] ist gem. § 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG innerhalb der Beschwerdefrist des § 66 Abs. 2 [X.] zu zahlen. Innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die mit Zustellung des Beschlusses des [X.] vom 22. August 2012 am 11. September 2012 zu laufen begann, zahlten die Beschwerdeführer mit Wertstellung zum 9. Oktober 2012 einen (Teil-)Betrag in Höhe von … [X.] (§ 2 Nr. 2 PatKostZV), nicht jedoch den erforderlichen Gesamtbetrag von … [X.].

b) Das [X.] hat bei Beschwerden gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung durch mehrere Personen, die die Marke gemeinsam angemeldet hatten, die Bezahlung lediglich einer einzigen Gebühr – trotz des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts und der entsprechenden Formulierung in der Rechtsmittelbelehrung – akzeptiert; dies ist von den Markensenaten des B[X.] bisher unbeanstandet geblieben wie i. Ü. auch von den technischen Senaten in den vergleichbaren patentrechtlichen Beschwerdeverfahren bis zum Beschluss des 10. Senats vom 3. Dezember 2013 – 10 W (pat) 17/14, der Gegenstand der klarstellenden Entscheidung des X. Senats des [X.] war. Nicht zuletzt wohl in Kenntnis dieser Praxis und wegen der gesetzlich vorgesehenen Fiktion der Nichtvornahme der Beschwerde bzw. der Rechtsbehelfe fordert der [X.] (a. a. [X.]) zur Vermeidung unzumutbarer Härten in Konstellationen wie der hier vorliegenden den Versuch zu unternehmen, die geleistete einfache Gebühr einem der Beschwerdeführer zuzuordnen. Um eine mit dem Rechtsstaatlichkeitsgebot unvereinbare Erschwerung des Zugangs zu einer gerichtlichen Instanz zu vermeiden, darf hierbei kein strenger Maßstab angelegt werden. Die Zuordnung kann sich deshalb z. B. auch aus den Angaben einer fristgerecht eingegangenen Einzugsermächtigung (§ 2 Nr. 4 PatKostZV) ergeben.

c) Vorliegend kann keinem der Beschwerdeführer die fristgerechte Zahlung der einfachen [X.] im Wege der – gebotenen – Auslegung zugeordnet werden.

beide Beschwerdeführer dort als Schutzrechtsinhaber und Zahlende aufgeführt. Eine Zuordnung zu einem Beschwerdeführer kommt mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht in Betracht.

bb) Es kann mangels tatsächlicher Anhaltspunkte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beiden Anmelder eine [X.] bilden würden und deshalb als eine Beschwerdeführerin anzusehen seien mit der Folge, dass die Zahlung einer Gebühr für die Gesellschaft ausreichte. Mehrere Personen als Inhaber einer Markenanmeldung bilden regelmäßig eine Bruchteilsgemeinschaft (vgl. [X.] in [X.]/[X.], a. a. [X.], § 7 Rn. 8; [X.], [X.], 1170, 1175). Gegen die Annahme einer [X.] spricht bereits, dass sowohl die Einzugsermächtigung beide Beschwerdeführer als natürliche Personen benennt als auch die Beschwerdebegründung beide Beschwerdeführer als Anmelder bezeichnet. In der Markenanmeldung selbst wurden beide Beschwerdeführer einzeln aufgeführt, ohne dass – wie im Fall einer [X.] erforderlich – die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt worden wären.

cc) Weder ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden noch kann die Wiedereinsetzung ohne Antrag gewährt werden, da die versäumte Handlung nicht nachgeholt wurde (§ 91 Abs. 4 S. 2 [X.]).

Die Beteiligten sind unter Bezugnahme auf die geltende Rechtslage und den [X.]-Beschluss in Sachen „[X.]“ mit [X.] vom 9. Oktober 2015 u. a. darauf hingewiesen worden, dass die [X.] für jeden der beiden Beschwerdeführer hätte gezahlt werden müssen. Eine Zuordnung der Zahlung auf einen der Beschwerdeführer sei nicht möglich. Auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung – trotz Ablaufs der Jahresfrist – zu stellen und die versäumte Handlung nachzuholen, hat der Senat explizit hingewiesen. Die bis 30. Oktober 2015 gesetzte Frist zur Stellungnahme ließen die Beschwerdeführer ungenutzt. Zwei weitere telefonische Nachfragen blieben unbeantwortet. Die zweite [X.] ist nicht einbezahlt worden.

3. Die Entrichtung der vorgenannten [X.] ist eine von Amts wegen vom Senat zu berücksichtigende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einlegung einer Beschwerde in Markensachen, die der Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde vorgeschaltet ist. Der für die deklaratorische Feststellung nach § 6 Abs. 2 PatKostG gem. § 23 Abs. 4 RPflG zuständige Rechtspfleger hat am 19. November 2012 – mithin vor der klarstellenden Entscheidung des [X.]s – intern die Wirksamkeit der Beschwerdeeinlegung bejaht und die Akte zur weiteren Bearbeitung an den Senat weiter geleitet, der damit für die weitere Entscheidung zuständig ist.

B. Die nur einfach bezahlte [X.] ist zurückzuerstatten. Ein Rechtsgrund für die Zahlung fehlt, da die Beschwerde als nicht eingelegt gilt ([X.] in [X.]/[X.], a. a. [X.], § 71 Rn. 41).

Meta

29 W (pat) 118/12

11.02.2016

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 741 BGB

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.02.2016, Az. 29 W (pat) 118/12 (REWIS RS 2016, 16387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16387

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10 W (pat) 17/14

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