Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2012, Az. AnwSt (R) 4/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 4946

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AnwSt
(R)
4/12

vom

6.
Juli 2012

in dem
anwaltsgerichtlichen Verfahren

gegen

wegen Verletzung anwaltlicher
Pflichten

-
2
-
Der Bundesgerichtshof, [X.],
hat durch den Präsidenten des [X.] Prof.
Dr.
Tolksdorf, die
Richter Prof.
Dr.
König und Seiters
sowie
die
Rechtsanwälte
Prof.
Dr.
Quaas und Dr.
Braeuer
am 6.
Juli 2012 gemäß §
146 Abs.
3
Satz
1
[X.] i.V.m. §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:
Auf die
Revision des Rechtsanwalts wird das Urteil des 2.
Senats des Bayerischen [X.] vom 22.
November 2011
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer M.

hat gegen den Rechtsanwalt am 21.
Juni 2010 wegen schuldhafter Verletzung anwaltlicher Pflichten einen Verweis und eine Geldbuße von 5.000

Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der General-staatsanwaltschaft hat der [X.] das Urteil des Anwaltsgerichts im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und dem Betroffenen verboten, für die Dauer eines Jahres auf dem Gebiet des Strafrechts tätig zu werden. Die hier-gegen gerichtete Revision des Rechtsanwalts hat mit der Sachrüge Erfolg.
Der Rechtsfolgenausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil der [X.] die im Hinblick auf §
327 [X.] i.V.m. §
143 Abs.
4 Satz
1 1
2
-
3
-
[X.] bestehende Bindung an im Urteil des Anwaltsgerichts getroffene Fest-stellungen nicht hinreichend beachtet hat, die nicht nur den [X.], sondern auch den nach der Berufungsbeschränkung rechtskräftig ge-wordenen Schuldspruch betreffen (vgl. zu §
353 Abs.
2 [X.] eingehend [X.], Urteil vom 14.
Januar 1982 -
4
StR
642/81, [X.]St 30, 340, 342
ff.
m.w.[X.]; st. Rspr.).
1. Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichts behielt der [X.] den für die Erfüllung einer gegen seinen Mandanten festgesetzten [X.] bestimmten Betrag von 2.250

r-forderungen zu verrechnen. "Die Gefahr des Bewährungswiderrufs und der In-haftierung seines Mandanten bestand aus Sicht des Betroffenen nicht, da er aus zwei -
für ihn verlässlichen
-
Quellen wusste, dass kein Bewährungswider-ruf erfolgen werde, selbst wenn die Bewährungsauflage nicht erfüllt" würde (Anwaltsgericht UA S.
4). In bewusster Abweichung von diesen Feststellungen legt der [X.] seinem Urteil hingegen beweiswürdigend zugrunde, dass der Rechtsanwalt bei seiner Tat den Bewährungswiderruf, mithin die In-haftierung seines Mandanten zumindest billigend in Kauf genommen hat ([X.] UA S.
9
f.).
2. Damit hat der [X.] gegen das Widerspruchsverbot
ver-stoßen. Zwar führt der [X.] zutreffend aus, dass weder dem strafrechtlichen Vorwurf der Untreue (§
266 StGB) noch der dem Rechtsanwalt zur Last gelegten Berufspflichtverletzung (§§
43, 113 Abs.
1 [X.]) die [X.] entzogen würde, wenn man die Vorstellung des Rechtsanwalts von einem drohenden Bewährungswiderruf außer [X.] ließe. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Vielmehr weist die Revision mit Recht darauf hin, dass auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teilnehmen, die das Tatgeschehen im Sinne eines ge-3
4
-
4
-
schichtlichen Vorgangs näher beschreiben, etwa die Umstände schildern, die der Tat das entscheidende Gepräge gegeben haben; der geschichtliche Vor-gang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile herausgegriffen und zum Gegenstand neuer, [X.] Feststellungen gemacht werden dürfen ([X.], aaO S.
344 m.w.[X.]). Die Tat ist demnach durch ein in sich widerspruchsfreies, einheitliches Erkenntnis abzuurteilen; ob über die Schuld-
und die Frage der Sanktion gleichzeitig ent-schieden oder ob nach Rechtskraft des Schuldspruchs die Sanktion gesondert festgesetzt wird, darf dabei keinen Unterschied machen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
September 1987 -
4
StR
413/87, [X.]R [X.] §
353 Abs.
2 Teilrechtskraft
3 m.w.[X.]).
Nach diesen Maßstäben handelte es sich beim Vorstellungsbild des Rechtsanwalts in Bezug auf einen drohenden Bewährungswiderruf bei Nichter-füllung der Bewährungsauflage um ein das Geschehen prägendes Moment im vorgenannten Sinn. Es macht auch für das Maß der Pflichtwidrigkeit (vgl. [X.], aaO S.
343) einen wesentlichen Unterschied, ob der Rechtsanwalt bei seiner Untreuehandlung die Inhaftierung seines Mandanten bewusst riskiert oder ob er -
aus welchen Gründen auch immer
-
sicher ist, dass es zumindest nicht zum Freiheitsentzug kommt. Dementsprechend hat der Anwaltsgerichts-

5
-
5
-
hof diesem Umstand auch ersichtlich große Bedeutung beigemessen. Über den Rechtsfolgenausspruch muss deswegen unter Beachtung der Bindungswirkung neu entschieden werden.

Tolksdorf
König
Seiters

Quaas
Braeuer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.06.2010 -
AnwG 8/10 -

AGH München, Entscheidung vom 22.11.2011 -
BayAGH II -
18/10 -

Meta

AnwSt (R) 4/12

06.07.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2012, Az. AnwSt (R) 4/12 (REWIS RS 2012, 4946)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4946

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