Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2021, Az. B 12 KR 38/19 R

12. Senat | REWIS RS 2021, 4514

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Auffangpflichtversicherung bei zuletzt gesetzlich Versicherten - zuständige Krankenkasse - Ausübung des Krankenkassenwahlrechts nur für die Zukunft


Leitsatz

1. Auffangversicherungspflichtige, die zuletzt gesetzlich krankenversichert (hier: familienversichert) waren, werden Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren.

2. Das Krankenkassenwahlrecht kann grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft ausgeübt werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft der Klägerin bei der zu 1. beklagten Krankenkasse (im Folgenden: Beklagte) und der zu 2. beklagten Pflegekasse in den Zeiträumen vom [X.] bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 sowie insoweit zu entrichtende Beiträge und Säumniszuschläge.

2

Die Klägerin war (nur) bis Ende 2004 sowie im [X.] bei den Beklagten familienversichert (bestandskräftige Bescheide vom 29.11.2011 und [X.]; Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014; [X.] der Beklagten in der nichtöffentlichen Sitzung des [X.] vom 11.12.2014). Im Januar 2011 wählte sie die Mitgliedschaft bei der [X.] ([X.]). Mit (weiterem) Bescheid vom 29.11.2011 teilte die Beklagte der Klägerin den Beginn ihrer (beitragspflichtigen) Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) zum [X.] sowie die für den zurückliegenden Zeitraum zu zahlenden Beiträge in Höhe von (iHv) 7407,39 Euro mit. Mit "Zahlungserinnerung/Leistungsbescheid" vom [X.] wurden ein "Saldo" iHv 6604,11 Euro sowie Säumniszuschläge von insgesamt 312,50 Euro festgesetzt. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 8.5.2012).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.1.2019). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 27.5.2019 eine "Beitragsforderung einschließlich der Säumniszuschläge" von 4251,95 Euro festgestellt. Sodann hat das [X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum nach § 5 Abs 1 [X.], § 20 Abs 1 Satz 2 [X.] in der [X.] und [X.] versicherungspflichtig gewesen, weil sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe. Sie sei aufgrund der Familienversicherung zuletzt bei den Beklagten versichert gewesen und deshalb deren Mitglied geworden. Ein [X.] habe ihr nicht zugestanden. Gegen die Festsetzung der Beitragshöhe und Säumniszuschläge beständen keine Bedenken (Urteil vom 27.5.2019).

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V (idF des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes <[X.]-WSG> vom 26.3.2007, [X.]) in Verbindung mit (iVm) § 173 Abs 1 SGB V. Danach werde sie Mitglied der von ihr gewählten Krankenkasse. Sie habe das mit Wegfall der Familienversicherung entstandene [X.] nicht nur für die Zukunft, sondern auch für den Fall des Eintritts einer rückwirkenden Versicherungspflicht mit Wirkung für den zurückliegenden Zeitraum ausgeübt.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2019 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 25. Januar 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. November 2011 und 23. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 2012 sowie des Änderungsbescheids vom 27. Mai 2019 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie trägt vor, der Verweis auf das [X.] in § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V beziehe sich lediglich auf Versicherungspflichtige, die zuvor nicht gesetzlich krankenversichert gewesen seien. Die frühere Rechtsprechung, nach der den Betroffenen bei Wegfall der Familienhilfe nach der Reichsversicherungsordnung ein Wahlrecht zwischen dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung und dem freiwilligen Beitritt zur [X.] zugestanden habe, sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefo[X.]htenen Urteils und Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). In der unterbliebenen Beiladung der [X.] liegt kein Verfahrensfehler (hierzu 1.). Die angefo[X.]htenen Bes[X.]heide der [X.] vom 29.11.2011 und [X.] in der Fassung (idF) des Widerspru[X.]hsbes[X.]heids vom 8.5.2012 sowie des Bes[X.]heids der [X.] aus der mündli[X.]hen Verhandlung vor dem [X.] am [X.] sind re[X.]htmäßig, soweit ein beitragspfli[X.]htiges Mitglieds[X.]haftsverhältnis der Klägerin zu den [X.] für die [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 festgestellt worden ist (hierzu 2.). Ob die Beiträge der Höhe na[X.]h und daran anknüpfend Säumniszus[X.]hläge zu Re[X.]ht erhoben worden sind, kann der [X.] allerdings ni[X.]ht abs[X.]hließend ents[X.]heiden (hierzu 3.).

9

1. Die im Januar 2011 von der Klägerin gewählte [X.] war ni[X.]ht notwendig beizuladen. Na[X.]h § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte beizuladen, die an dem streitigen Re[X.]htsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Ents[X.]heidung au[X.]h ihnen gegenüber nur einheitli[X.]h ergehen kann. Das setzt voraus, dass dur[X.]h die begehrte Sa[X.]hents[X.]heidung oder dur[X.]h deren Abweisung glei[X.]hzeitig unmittelbar und zwangsläufig Re[X.]hte oder Re[X.]htsbeziehungen des [X.] gestaltet, bestätigt, festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (stRspr; zB [X.] Bes[X.]hluss vom 23.9.2020 - B 5 RE 2/20 B - [X.] 4-1500 § 75 [X.] RdNr 7 mwN). Zwar beruft si[X.]h die Klägerin auf ihre rü[X.]kwirkend begründete Mitglieds[X.]haft bei der [X.]. Dem Re[X.]htsstreit liegt aber eine reine Anfe[X.]htungsklage zugrunde, mit der allein die Aufhebung der Festsetzung von Beiträgen zur [X.] und [X.] sowie Säumniszus[X.]hlägen aufgrund einer Mitglieds[X.]haft bei den [X.] begehrt wird. Die Ents[X.]heidung darüber greift ni[X.]ht unmittelbar in die Re[X.]htssphäre der [X.] ein. Da eine Leistungspfli[X.]ht ni[X.]ht Gegenstand des Re[X.]htsstreits ist, kommt au[X.]h eine notwendige Beiladung na[X.]h § 75 Abs 2 Alt 2 SGG ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Damit ist für eine Beiladung im wiedereröffneten Berufungsverfahren ebenfalls kein Raum.

2. In den [X.]räumen vom [X.] bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 war die Klägerin versi[X.]herungs- und beitragspfli[X.]htiges Mitglied der [X.]. Die Mitglieds[X.]haft [X.] (§ 5 [X.]) und Versi[X.]herungsbere[X.]htigter (§ 9 [X.]) wird in der [X.] na[X.]h § 173 Abs 1 [X.] (idF des [X.]-WSG vom [X.], [X.]; im Folgenden ist diese Fassung gemeint, soweit ni[X.]hts anderes angegeben ist) in der Regel dur[X.]h die von ihnen ausgeübte Wahl einer Krankenkasse bestimmt. Allerdings gilt die Wahlfreiheit na[X.]h dieser Vors[X.]hrift nur, soweit ua die na[X.]hfolgenden Vors[X.]hriften ni[X.]hts Abwei[X.]hendes bestimmen. Für Personen, die der [X.] na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] unterliegen, enthält § 174 Abs 5 [X.] (seit [X.]: § 174 Abs 3 [X.]) eine sol[X.]he abwei[X.]hende Bestimmung. Dana[X.]h werden "abwei[X.]hend von § 173 [X.]" Versi[X.]herungspfli[X.]htige na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] Mitglied der Krankenkasse oder des Re[X.]htsna[X.]hfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versi[X.]hert waren (Halbsatz 1 Alt 1), andernfalls werden sie Mitglied der von ihnen na[X.]h § 173 Abs 1 [X.] gewählten Krankenkasse (Halbsatz 1 Alt 2); § 173 [X.] gilt (Halbsatz 2). Die Klägerin war in den streitigen [X.]räumen versi[X.]herungspfli[X.]htig na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst a [X.] (hierzu a). Sie war zuletzt bei der [X.] versi[X.]hert und ist deshalb na[X.]h § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] Mitglied der [X.] geworden (hierzu b), während § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 [X.] keine Anwendung findet (hierzu [X.]). § 174 Abs 5 Halbsatz 2 [X.] führt zu keinem anderen Ergebnis (hierzu d). Frühere Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] steht dem ni[X.]ht entgegen (hierzu e). Die Beklagte zu 2. ist die zuständige Pflegekasse (hierzu f).

a) Die Klägerin unterlag in den streitigen [X.]räumen der [X.] na[X.]h § 5 Abs 1 [X.]. Seit deren Einführung zum [X.] (dur[X.]h das [X.]-WSG vom [X.], [X.]) sind in der [X.] Personen versi[X.]herungspfli[X.]htig, die keinen anderweitigen Anspru[X.]h auf Absi[X.]herung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzli[X.]h krankenversi[X.]hert waren oder b) bisher ni[X.]ht gesetzli[X.]h oder privat krankenversi[X.]hert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs 5 [X.] oder den in § 6 Abs 1 oder 2 [X.] genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer berufli[X.]hen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Die Voraussetzungen von Bu[X.]hst a) sind hier erfüllt.

Die Klägerin hatte in beiden streitigen [X.]räumen keinen anderweitigen Anspru[X.]h auf Absi[X.]herung im Krankheitsfall. Sie war au[X.]h bis Ende 2004 sowie im [X.] familienversi[X.]hert und damit vor dem [X.] sowie dem 1.1.2009 jeweils zuletzt gesetzli[X.]h krankenversi[X.]hert. Dass die Familienversi[X.]herung ni[X.]ht bis zum [X.] andauerte, ist ohne Bedeutung. Eine unmittelbar vorangehende Absi[X.]herung in der [X.] ist für den Eintritt der [X.] ni[X.]ht erforderli[X.]h. Es genügt, dass die letzte Absi[X.]herung im Krankheitsfall vor Beginn der [X.] eine sol[X.]he in der [X.] war (vgl Gerla[X.]h in Hau[X.]k/[X.], [X.], 02/21, § 5 RdNr 475a f; Felix in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.], 4. Aufl, § 5, Stand 16.9.2020, Rd[X.]0). Entspre[X.]hend ihrem Zwe[X.]k, Personen ohne anderweitigen Krankenversi[X.]herungss[X.]hutz entweder der gesetzli[X.]hen oder der privaten Krankenversi[X.]herung zuzuweisen, entsteht die [X.] kraft Gesetzes na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst a [X.] grundsätzli[X.]h dann, wenn ni[X.]ht zuletzt eine private Absi[X.]herung im Krankheitsfall bestanden hat (vgl hierzu au[X.]h [X.] Urteil vom 21.12.2011 - [X.] KR 13/10 R - [X.] 4-2500 § 5 [X.] RdNr 16 ff; [X.] Urteil vom 12.1.2011 - [X.] KR 11/09 R - [X.]E 107, 177 = [X.] 4-2500 § 5 [X.], RdNr 16).

b) Als Auffangpfli[X.]htversi[X.]herte ist die Klägerin na[X.]h § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] Mitglied der [X.] geworden. Während die Versi[X.]herungspfli[X.]ht die Systemzugehörigkeit zur [X.] festlegt, bestimmt das Mitglieds[X.]haftsverhältnis die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesetzli[X.]hen Krankenkasse. Dabei sind für [X.]en der Versi[X.]herungspfli[X.]ht sowohl Doppelmitglieds[X.]haften als au[X.]h [X.]en ohne zuständige Krankenkasse zu vermeiden (vgl [X.] in [X.], Handbu[X.]h der Krankenversi[X.]herung, Band 4, 19. Aufl, Stand Oktober 2020, § 173 [X.], RdNr 3). Deshalb entspre[X.]hen die Mitglieds[X.]haftszeiten für Auffangpfli[X.]htversi[X.]herte grundsätzli[X.]h den [X.]en der Versi[X.]herungspfli[X.]ht na[X.]h § 5 Abs 1 [X.]. Die Mitglieds[X.]haft der Klägerin aufgrund ihrer [X.] begann daher zunä[X.]hst mit deren gesetzli[X.]hen Einführung zum [X.] (§ 186 Abs 11 Satz 3 [X.]) und endete mit Ablauf des 31.12.2007 aufgrund der zum 1.1.2008 erneut begründeten Familienversi[X.]herung (§ 190 Abs 13 Satz 1 Nr 1 [X.]). Diese endete mit Ablauf des 31.12.2008, sodass zum 1.1.2009 erneut die Mitglieds[X.]haft der Klägerin in der [X.] aufgrund Versi[X.]herungspfli[X.]ht na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] begann (§ 186 Abs 11 Satz 1 [X.]).

Die Mitglieds[X.]haften als Auffangpfli[X.]htversi[X.]herte wurden bei der [X.] und ni[X.]ht der [X.] begründet. Für Versi[X.]herungspfli[X.]htige na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] regelt § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] eine gesetzli[X.]he Zuweisung zu der Krankenkasse oder zu dem Re[X.]htsna[X.]hfolger der Krankenkasse, bei der sie "zuletzt versi[X.]hert" waren. Damit knüpft der Wortlaut von § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] erkennbar an den Wortlaut von § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst a [X.] an. Personen, die ohne Absi[X.]herung im Krankheitsfall sind, aber zuletzt gesetzli[X.]h krankenversi[X.]hert waren, werden der Krankenkasse oder dem Re[X.]htsna[X.]hfolger der Krankenkasse zugewiesen, bei der sie zuletzt krankenversi[X.]hert waren. Da beide Vors[X.]hriften ni[X.]ht auf eine frühere eigenständige Mitglieds[X.]haft, sondern das letzte Versi[X.]herungsverhältnis abstellen, ist im Rahmen des § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] au[X.]h eine Familienversi[X.]herung ohne eine eigene Mitglieds[X.]haft als das zuletzt bestandene Krankenversi[X.]herungsverhältnis ausrei[X.]hend. Die Familienversi[X.]herung na[X.]h § 10 [X.] vermittelt einen umfassenden Anspru[X.]h auf Absi[X.]herung im Krankheitsfall. Darüber hinaus muss - ebenfalls in Übereinstimmung mit § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst a [X.] - die zuletzt zuständige Krankenkasse ni[X.]ht unmittelbar vorher zuständig gewesen sein (vgl [X.] in [X.], Handbu[X.]h der Krankenversi[X.]herung, Band 4, 19. Aufl, Stand Oktober 2020, § 174 RdNr 11 f).

[X.]) Die in § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] normierte gesetzli[X.]he Zuweisung zu der Krankenkasse oder zu dem Re[X.]htsna[X.]hfolger der Krankenkasse, bei der Versi[X.]herungspfli[X.]htige na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] zuletzt versi[X.]hert war, gilt ausdrü[X.]kli[X.]h "abwei[X.]hend" von den na[X.]h § 173 [X.] bestehenden allgemeinen Wahlre[X.]hten. Der betroffene Personenkreis wird deshalb ni[X.]ht Mitglied der von ihnen gewählten Krankenkasse, sondern der normativ festgelegten Krankenkasse. § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 [X.] findet demgegenüber keine Anwendung. Dana[X.]h werden Versi[X.]herungspfli[X.]htige gemäß § 5 Abs 1 [X.] "andernfalls" Mitglied der von ihnen na[X.]h § 173 Abs 1 [X.] gewählten Krankenkasse, dh nur für den Fall, dass sie ni[X.]ht zuletzt gesetzli[X.]h krankenversi[X.]hert waren. Die Vors[X.]hrift des § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 [X.] geht deshalb ni[X.]ht ins Leere. Denn § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst b [X.] weist au[X.]h Personen, die bisher ni[X.]ht gesetzli[X.]h oder privat krankenversi[X.]hert waren, mit bestimmten Ausnahmen der Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung in der [X.] zu. Nur den [X.]igen, für die ein Versi[X.]herungsverhältnis in der [X.] vor Beginn der Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung nie bestanden hat, steht insoweit ein Wahlre[X.]ht na[X.]h § 173 Abs 1 [X.] zu (vgl [X.] Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 10/18 R - [X.]E 126, 286 = [X.] 4-2500 § 175 [X.], RdNr 21).

d) Au[X.]h § 174 Abs 5 Halbsatz 2 [X.], na[X.]h dem § 173 [X.] und damit das Wahlre[X.]ht gilt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Wahl einer Krankenkasse als versi[X.]herungsre[X.]htli[X.]he Statusents[X.]heidung kann grundsätzli[X.]h nur für die Zukunft wirken (zur notwendigen vorauss[X.]hauenden Betra[X.]htung von Statusents[X.]heidungen im Versi[X.]herungsre[X.]ht vgl [X.] Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - [X.] 3-2500 § 10 [X.] = juris RdNr 29). Die vers[X.]hiedenen Regelungen des § 174 Abs 5 [X.] dienen der bestmögli[X.]hen Umsetzung dieses Grundsatzes.

Die dur[X.]h § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] bewirkte Eins[X.]hränkung des Krankenkassenwahlre[X.]hts bei Eintritt der Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung dient dem Zwe[X.]k, die zuständige Krankenkasse einfa[X.]h sowie zeitnah feststellen zu können und damit den Krankenversi[X.]herungss[X.]hutz in der Praxis uneinges[X.]hränkt si[X.]herzustellen. Die Leistungserbringung und -abre[X.]hnung dur[X.]h Ärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringer einerseits sowie die Beitragserhebung andererseits sind zuverlässig entspre[X.]hend den gesetzli[X.]hen Vors[X.]hriften nur gewährleistet, wenn die zuständige Krankenkasse zeitnah zu Beginn der Versi[X.]herungspfli[X.]ht feststeht. Aus diesem Grund haben Versi[X.]herungspfli[X.]htige na[X.]h § 175 Abs 3 Satz 1 und 2 [X.] der zur Meldung verpfli[X.]hteten Stelle unverzügli[X.]h, spätestens innerhalb von zwei Wo[X.]hen na[X.]h Eintritt der Versi[X.]herungspfli[X.]ht eine Mitgliedsbes[X.]heinigung vorzulegen; bei Übers[X.]hreiten dieser Frist hat die zur Meldung verpfli[X.]htete Stelle den Versi[X.]herungspfli[X.]htigen ab Eintritt der Versi[X.]herungspfli[X.]ht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versi[X.]herung bestand. Dana[X.]h steht die Mitglieds[X.]haft bei der zuständigen Krankenkasse zeitnah na[X.]h Eintritt der Versi[X.]herungspfli[X.]ht fest. Um dies au[X.]h für na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] versi[X.]herungspfli[X.]htige Personen zu gewährleisten, für die es keine meldepfli[X.]htige Stelle gibt (§§ 198 ff [X.]), legt § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 [X.] die zu Beginn der [X.] zuständige Krankenkasse fest. Diese gesetzli[X.]he Zuweisung gilt erst re[X.]ht bei rü[X.]kwirkender Entstehung der [X.]. Bleibt - wie im Fall der Klägerin - ni[X.]ht nur der Eintritt der [X.] längere [X.] unentde[X.]kt, sondern au[X.]h das Ende der vorherigen Versi[X.]herung (hier der Familienversi[X.]herung), werden regelmäßig weiterhin Leistungen von der Krankenkasse erbra[X.]ht, zu der zuletzt ein Versi[X.]herungsverhältnis bestand. Die Rü[X.]kabwi[X.]klung von Versi[X.]herungsverhältnissen, in denen bereits Leistungen erbra[X.]ht worden sind, sieht das Gesetz aber grundsätzli[X.]h ni[X.]ht vor (vgl § 26 Abs 2 SGB IV). Mit Eintritt der Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung wird daher die Mitglieds[X.]haft vorrangig gesetzli[X.]h festgelegt und den Betroffenen die Krankenkasse zugewiesen, bei der sie zuletzt versi[X.]hert waren.

Bei dieser Auslegung läuft die Regelung des § 174 Abs 5 Halbsatz 2 [X.] ni[X.]ht leer. Vielmehr gilt das Krankenkassenwahlre[X.]ht na[X.]h § 173 [X.] au[X.]h für Versi[X.]herungspfli[X.]htige na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] Bu[X.]hst a [X.] (vgl hierzu zB [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.], 4. Aufl, § 174 [X.], Stand 15.6.2020, RdNr 16). Es kann aber grundsätzli[X.]h nur Wirkungen für die Zukunft entfalten und ermögli[X.]ht regelmäßig nur einen Krankenkassenwe[X.]hsel. Die erst im Januar 2011 von der Klägerin erklärte Wahl der [X.] konnte deshalb ni[X.]ht vor Ablauf dieses Monats wirksam werden. Denn eine Kündigung der bisherigen Mitglieds[X.]haft ist na[X.]h § 175 Abs 4 Satz 2 [X.] nur zum Ablauf des übernä[X.]hsten Kalendermonats mögli[X.]h, gere[X.]hnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt.

e) Der Mitglieds[X.]haft der Klägerin bei der [X.] in der hier streitigen [X.] steht frühere Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ni[X.]ht entgegen. Der 10. [X.] des [X.] hat zwar für den Fall der Rü[X.]kabwi[X.]klung einer fehlerhaften Familienversi[X.]herung den rü[X.]kwirkenden Beitritt zur freiwilligen Krankenversi[X.]herung für mögli[X.]h era[X.]htet (Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - [X.] 3-2500 § 10 [X.] = juris RdNr 37 ff). Zudem hat der 4. [X.] des [X.] Personen, für die der Anspru[X.]h auf Familienhilfe aufgrund einer Gesetzesänderung dur[X.]h das [X.] vom 20.12.1988 ([X.] 2477) entfallen war, die Wahl eingeräumt, si[X.]h privat zu versi[X.]hern oder freiwillig in der [X.] zu verbleiben, um einen lü[X.]kenlosen Versi[X.]herungss[X.]hutz zu gewährleisten (Urteil vom 16.11.1995 - 4 RK 1/94 - [X.]E 77, 86, 89 ff = [X.] 3-5405 Art 59 [X.] ff = juris RdNr 25 ff). Beide Ents[X.]heidungen betreffen aber die Re[X.]htslage vor Einführung der Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung na[X.]h § 5 Abs 1 [X.] und sind insoweit überholt, als inzwis[X.]hen ein lü[X.]kenloser Krankenversi[X.]herungss[X.]hutz dur[X.]h die Regelungen zur Auffangpfli[X.]htversi[X.]herung si[X.]hergestellt ist, au[X.]h wenn das Ende einer Familienversi[X.]herung rü[X.]kwirkend festgestellt wird. Unabhängig davon geht es im Fall der Klägerin ni[X.]ht um die Wahl zwis[X.]hen der gesetzli[X.]hen und der privaten Krankenversi[X.]herung, sondern um die zuständige Krankenkasse innerhalb der [X.].

f) Die Beklagte zu 2. ist die zuständige Pflegekasse. Die Versi[X.]herungspfli[X.]ht der Klägerin in der [X.] ergibt si[X.]h für beide [X.]räume aus § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] (idF des [X.]-WSG vom [X.], [X.], und des Gesetzes zur Modernisierung des Re[X.]hts der landwirts[X.]haftli[X.]hen Sozialversi[X.]herung vom 18.12.2007, [X.] 2984); ihre Mitglieds[X.]haft bei der zu 2. beklagten Pflegekasse folgt aus § 48 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Dana[X.]h ist für die Dur[X.]hführung der [X.] jeweils die Pflegekasse zuständig, die bei der Krankenkasse erri[X.]htet ist, bei der eine Pfli[X.]htmitglieds[X.]haft oder freiwillige Mitglieds[X.]haft besteht.

3. Ni[X.]ht abs[X.]hließend ents[X.]heiden kann der [X.] über die Beitragshöhe und die Säumniszus[X.]hläge. Die Beklagte hat zwar in der mündli[X.]hen Verhandlung vor dem [X.] erklärt, "dass aufgrund des von der [X.] abgegebenen Teilanerkenntnisses bezügli[X.]h der Dur[X.]hführung der Familienversi[X.]herung im Jahre 2008 die Beitragsforderung eins[X.]hließli[X.]h der Säumniszus[X.]hläge 4.251,94 Euro betrage". Dem [X.] ist eine abs[X.]hließende Ents[X.]heidung hierüber sowie über die Erhebung von Säumniszus[X.]hlägen allerdings verwehrt, weil es insoweit an Feststellungen des [X.] zu den tatsä[X.]hli[X.]hen Grundlagen der jeweiligen Festsetzung fehlt.

4. Das [X.] wird au[X.]h über die Kosten des Revisionsverfahrens zu ents[X.]heiden haben.

Meta

B 12 KR 38/19 R

29.06.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Bayreuth, 25. Januar 2019, Az: S 8 KR 289/12, Gerichtsbescheid

§ 174 Abs 5 Halbs 1 Alt 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 174 Abs 5 Halbs 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 173 Abs 1 SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5, § 20 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB 11, § 48 Abs 1 S 1 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2021, Az. B 12 KR 38/19 R (REWIS RS 2021, 4514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4514

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