Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2016, Az. VI ZR 516/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14949

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080316UVIZR516.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL

VI ZR 516/14
Verkündet am:

8. März 2016

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
GG Art. 25; [X.] § 20 Abs. 2
Zum Grundsatz der [X.] bei einer Umschuldung von Staatsanlei-hen aufgrund des Erlasses eines die Umschuldung ermöglichenden Gesetzes und der Allgemeinverbindlicherklärung einer entsprechenden Mehrheitsent-scheidung der Gläubiger.
[X.], Urteil vom 8. März 2016 -
VI ZR 516/14 -
[X.] am Main

[X.] am Main

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
März
2016
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richter Stöhr und [X.] und die Richterinnen Dr. Oehler
und
Dr. Roloff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen
das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Frankfurt
am Main
vom 18. September 2014
wird zu-rückgewiesen.
Die Kosten des [X.] tragen der
Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 zu 95 % und die Klägerin zu 3 zu 5 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger machen gegen die [X.] Schadensersatz-ansprüche im Zusammenhang mit der Entnahme [X.] [X.] aus ihren Wertpapierdepots geltend.

Die Kläger zu 1 und 2 erwarben in den Jahren 2010 und 2011 über die [X.], mit Sitz in [X.],
von der [X.] begebene [X.] GR Anlei-
i-hebedingungen, in denen keine [X.] (sog. Collective Action 1
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Clauses) enthalten waren, wurde bestimmt, dass diese Anleihen [X.] Recht unterfallen und es sich um dematerialisierte Wertpapiere handelt, die als Wertrechte ausgegeben werden und im Girosystem der [X.] Zentral-bank registriert sind. Das Girosystem der [X.] Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer, die daran nur mit Zulas-sung durch die [X.] Zentralbank teilnehmen können. Nach Art.
6 Abs.
4 des [X.] Gesetzes 2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem bei der Zentralbank geführten Konto des Teilnehmers übertragen.
Da weder die [X.] noch die Kläger Teilnehmer des [X.] der [X.] Zentralbank waren, erwarb die [X.] die Anleihen im Auftrag der Kläger auf dem Sekundärmarkt. Den Anleihekäufen lagen
die [X.] für Wertpapiergeschäfte der [X.] zugrunde. Dort heißt es zu Nr. 12 "Anschaffungen im Ausland":
"(3) Gutschrift in [X.]
Die Bank wird sich nach pflichtgemäßen Ermessen unter Wahrung der Interessen des Kunden das Eigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden halten. Hierüber erstellt sie dem Kunden Gutschrift in [X.] ([X.]) unter Angabe des Lagerlandes, in dem sich die Wertpapiere befinden."

Auf den den Klägern erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihe-käufen findet sich unter "[X.]"
der Hinweis "[X.] Grie-chenland". Zum Jahresende 2011 erteilte die [X.] den
Klägern einen [X.], in dem es u.a.
heißt: "Verwahrung: [X.] Grie-chenland
(...). Ist keine Verwahrungsart angegeben, so befinden sich die [X.] in Girosammelverwahrung."
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Im Zuge der Restrukturierung des [X.] Staatshaushaltes wurde durch das [X.] [X.] vom 23. Februar 2012 geregelt, dass Anleihebedingungen nachträglich durch Mehrheitsentscheidungen der [X.] geändert und dann
durch Beschluss des Ministerrates der [X.] für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Nach dem [X.] bewirkt der [X.], dass die überstimmte Minderheit der Anlagegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist.
Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 informierte die [X.] die Kläger über ein an die [X.] gerichtetes Angebot der [X.], die Anleihen gegen andere Anleihen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert und mit längerer Laufzeit umzutauschen. Anders als die Kläger stimmten die Gläubigerversamm-lungen dem Angebot mehrheitlich zu. Durch [X.] vom 9. März 2012 wurden diese Mehrheitsentscheidungen allgemeinverbindlich. Sodann
wurden die alten Anleihen eingezogen und die neuen Anleihen in das Girosys-tem der [X.] Zentralbank eingebucht. Daraufhin ersetzte die [X.] die [X.] Anleihen der Kläger im Wege einer Umbuchung durch die um 53,5 % abgewerteten
Titel anderer Stückelung und Laufzeit.
Die Kläger verlangen den Schaden ersetzt, der ihnen durch den Um-tausch der Anleihen
entstanden sei. Sie stützen die Klage darauf, dass die [X.] deren Ausbuchung gegen ihren Willen durch Anweisung an die [X.] veranlasst und dadurch Eigentum und Besitz der Kläger an den Schuldverschreibungen verletzt habe. Das [X.] hat die Klage als unzu-lässig abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr
Zahlungsbe-gehren weiter.

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Entscheidungsgründe:
I.

Nach Auffassung des
Berufungsgerichts
([X.], Urteil vom 18.
September 2014 -
16 U 41/14, juris)
steht
der Grundsatz der [X.]immu-nität
(§ 20 Abs. 2 [X.], Art. 25 GG)
der Klage entgegen, weil
sich die von den Klägern zur Grundlage ihrer Ansprüche geltend gemachte Handlung als staatli-cher Hoheitsakt darstelle. Zwar stütze sich die Klage im [X.] auf den Vorwurf einer Besitzentziehung, jedoch sei der Vortrag der Kläger insoweit nicht sa-chenrechtlich vertieft belegt. Vielmehr werde zu deren Begründung zum einen auf die Ausbuchung der ursprünglichen Anleihen im Depot der Kläger
abge-stellt, zum anderen werde der Erlass des [X.] angeführt, mit dem das Verfahren für die Änderung der Anleihebedingungen neu festgesetzt worden sei. Zudem seien
die
Abstimmung der hierzu berufenen Versammlung der Anleihegläubiger und der
Beschluss des Ministerrates vom 9. März 2012, mit dem die Entscheidung der Gläubigermehrheit allgemeinverbindlich wurde, im Zusammenhang zu bewerten. Die Teilakte seien insgesamt im Rahmen des Ziels der [X.] Regierung zu würdigen, die von ihr gegebenen Staatsan-leihen im Wert zu berichtigen, um
ihre [X.] zu verringern. Auch wenn die Gläubigerversammlung dazwischengeschaltet worden sei und diese durch Mehrheitsbeschluss das Umtauschangebot angenommen habe, sei hier nach-träglich durch Erlass des [X.]
ein Verfahren eingeführt worden, welches auf die Position der Anleihegläubiger eingewirkt habe. Diese nachträg-liche Änderung der Positionen der Anleihegläubiger durch Gesetz stelle sich als hoheitliche Maßnahme dar, zumal die Minderheitsgläubiger
und die schuld-rechtlich an den Anleihen Berechtigten durch den die Allgemeinverbindlichkeit feststellenden [X.] zum Umtausch ihrer Rechtsposition ver-9
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pflichtet
worden
seien.
Beides sei typischerweise nur durch eine Maßnahme im Subordinationsverhältnis möglich, nicht aber im Zivilrecht.
Unabhängig davon sei
ein Gerichtsstand in [X.]
nicht gegeben. Eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr.
1 EuGVVO
a.F.
scheide aus, da die Kläger sich nicht auf die Begebung eines Vertrages durch die Beklagte stützten.
Auch die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO
a.F.
lägen nicht vor.

II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen
Nachprüfung stand.
Die
Klage
ist
schon deswegen
unzulässig, weil
die [X.] Gerichtsbarkeit nicht eröffnet
ist.
Ihr
steht
der von Amts wegen zu prüfende ([X.], Beschluss vom 13. Dezember 1977 -
2 [X.], [X.]E 46, 342, 359) Grundsatz der [X.] entgegen
(§ 20 Abs. 2 [X.], Art. 25 GG).
Die Frage, ob die Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der [X.] eröffnet ist und sich das nationale Gericht mit einer Klage gegen einen anderen Mitgliedstaat der [X.] befassen darf, ist vor der Ermittlung der internationalen Zuständigkeit zu prüfen.

1.
Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von [X.]immu-nität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich aner-kannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichts-barkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen [X.]immu-nität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreiten-den Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Han-10
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deln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 1963 -
2
[X.], [X.]E 16, 27, 33 ff.). [X.] besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von
Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkerge-wohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen
("acta iure imperii"), soweit
der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet.
Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen [X.], was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem [X.] folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sit-zen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 6. Dezember 2006 -
2 [X.], [X.]E 117, 141, 152 f.; vom 17. März 2014 -
2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; Senatsurteil vom 26. September 1978 -
VI
[X.], NJW 1979, 1101).

Eine Vorlage zur Frage der [X.] an den Gerichtshof der [X.] (zukünftig: Gerichtshof) kommt schon deswegen nicht in [X.], weil es nicht um Fragen der Auslegung [X.] Rechts geht.
a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstä-tigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck; sie kann auch nicht da-nach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammen-hang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsver-hältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist
([X.], Beschluss vom 13
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30. April 1963 -
2 [X.], [X.]E 16, 27, 61 f.; [X.], Beschluss vom 14.
Februar 2013 -
3 [X.] 5/12, [X.]E 144, 244
Rn. 15 mwN; Urteil vom 10.
April 2013 -
5 [X.], [X.], 2461 Rn. 15; vgl. auch Senatsurteil vom 26. September 1978 -
VI ZR
267/76, NJW 1979, 1101 f.).
b) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgren-zung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen ([X.], Beschlüsse
vom 30. April 1963 -
2 [X.], [X.]E 16, 27, 62; vom 17. März 2014 -
2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 21; Senatsurteil vom 26. September 1978 -
VI [X.], NJW 1979, 1101; [X.], Beschluss vom 14. Februar 2013 -
3 [X.] 5/12,
[X.]E 144, 244
Rn. 15 mwN).
Die Heranzie-hung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Han-delns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den [X.] allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die [X.] (vgl. [X.]E 16, 27, 63; 46, 342, 394). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der [X.] un-terfallenden actus iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum [X.]bereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. [X.]E 16, 27, 63 f.; 46, 342, 394).

2. Nach den
dargelegten
Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der [X.] entgegen.

a) Die [X.] durch Emission von Staatsanleihen stellt zwar nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Dezember 2006 -
2 [X.], [X.]E 117, 141, 15
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153; [X.], [X.], 1253, 1255; vgl. auch [X.], Urteil vom 11.
Juni 2015 -
[X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], 1250 Rn.
53). Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, son-dern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maß-nahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten. Demgemäß hat das [X.] in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den [X.]
Staat zugrunde lag, der den Nettolohn
eines bei ihm in [X.] beschäftigten Staatsbürgers
wegen der Einführung einer [X.] in Höhe von 5% des [X.] gekürzt hatte,
die
Immunität mit der Begründung
bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei
die hoheitlich zu beurtei-lende Besteuerung
mit der ausländischen
Quellensteuer durch den beklagten
Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im [X.] Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten ([X.]
(Beschluss vom 17. März 2014 -
2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 22). Auch hier
geht es nicht um
die
Rechtsnatur der
[X.] durch Emission von Staatsanleihen, sondern um
die
Rechtsnatur der
Maßnahmen
der
[X.], die
letztlich zur
Ausbuchung der Schuldverschreibungen aus dem bei der
D-Bank geführten Wertpapierdepot der Kläger führten
(vgl. auch [X.], [X.], 1253, 1255; [X.], Urteil vom 16. Oktober 2014 -
8 U 1308/14, n.v.; [X.], [X.] 2013, [X.], 369, 372; [X.], Urteil vom 15. Mai 2015 -
7 O 2995/13, [X.] 2016, 76, 77).

b) Aus dem Vorbringen
der Kläger
ergibt sich, dass sie sich nicht gegen die zunächst für die Umbuchung ihrer Anteile erforderliche Entscheidung der Mehrheit der am Girosystem der [X.] Zentralbank zugelassenen Gläu-biger
wenden, das Angebot der [X.] anzunehmen, die Anlei-hen gegen andere Anleihen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert und 18
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mit längerer Laufzeit umzutauschen. Ihr Angriff richtet sich vielmehr gegen die "von der [X.] veranlasste"
Entnahme der Schuldverschreibungen aus ih-ren Wertpapierdepots. Nach ihrem Vortrag
werden Besitz-
und Eigentumsan-sprüche an
dem Papier
geltend gemacht, nicht Rechte
aus
dem Papier. Die Kläger stützen sich
nicht auf Ansprüche aus den
erworbenen
[X.] oder auf Ersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung, sondern auf die "Nichterfüllung von Besitz-
und Eigentumsansprüchen", die ihre Grundlage im Zwangsumtausch der Anleihen findet.
Unter diesen Umständen ist kein [X.], nicht hoheitliches Verhalten der [X.] ersicht-lich, auf das die Klage zumindest mittelbar gestützt wäre.

aa) Da die ursprünglichen Anleihebedingungen keine Umschuldungs-klauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, besteht das
maßgebliche,
potentiell haftungsbegründende
Verhalten
der [X.]
im
Erlass des [X.] 4050/2012 vom 23. Februar 2012 und dem Beschluss des [X.] vom 9. März 2012, aufgrund derer
die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger allge-meinverbindlich wurde.
Der anschließende Umtausch der von den Klägern ge-haltenen
und [X.] Recht unterliegenden
Anleihen ist nur eine Folge der sich aus dem Gesetz vom 23. Februar 2012 in Verbindung mit der Ent-scheidung der Gläubigermehrheit und dem Beschluss vom 9. März 2012 erge-benden Rechtslage.
(1)
Der Erlass des Gesetzes ist nach den oben dargestellten Grundsät-zen unzweifelhaft
hoheitlicher Natur.
Die Beklagte hat vorliegend das eigene, die Grundlage der Schuldverschreibungen bildende Recht (rückwirkend) geän-dert. Gerade die damit verbundene Überprüfung der Rechtmäßigkeit hoheitli-cher Maßnahmen will der Grundsatz der [X.] verhindern (vgl. [X.], Beschluss
vom 17. März 2014 -
2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn.
28;
[X.], [X.], 1253, 1257 und 1258; [X.], Urteil 19
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vom 11. Dezember 2014 -
5 [X.], juris Rn. 65 a.E.; [X.], Urteil vom 16. Oktober 2014 -
8 U 1308/14, n.v.; [X.], Urteil vom 18. Sep-tember 2014 -
16 U 32/14, juris Rn. 34; [X.], Beschluss vom 13. [X.] 2015 -
4 U 2450/14, n.v.; [X.], [X.] 2013, [X.], 369, 370, 371 und 372; [X.], Urteil vom 15. Mai 2015 -
7 O 2995/13, [X.] 2016, 76, 77 ff.; im Rahmen der Begründetheit auch [X.], Urteile vom 30.
März 2015 -
2-01 S 108/14, 204/14 und 280/14, n.v.), da dies mit dem Prin-zip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Prinzip der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausländischer [X.] nicht vereinbar wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2014 -
2
BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 28; [X.], Urteile vom 23. November 2000 -
2 [X.], [X.], 683, 685; vom 10.
April 2013 -
5 [X.], [X.], 2461 Rn. 14; Beschluss vom 14. Februar 2013 -
3 [X.] 5/12, [X.]E 144, 244 Rn. 14 mwN; [X.], NJW 1975, 2144 f.; [X.] Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Rn. 175;
v.
[X.], Völkerrecht, 2. Aufl., Rn.
320).

(2) [X.] Natur sind auch
Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, bei denen es sich nach der
insoweit maßgeblichen
Sicht des
[X.]n Rechts
um Rechtsetzungsakte eigener Art und um "staatliche Hoheitsakte"
handelt (so für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gemäß §
5 Abs. 1 TVG
-
jedenfalls im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
-
[X.], Beschlüsse
vom 24. Mai 1977 -
2 BvL 11/74, [X.]E 44, 322, 340 ff., insbes. 344; vom 15. Juli 1980

1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79, [X.]E 55, 7, 20; BVerwG, Urteil
vom 3. November 1988 -
7 [X.], BVerwGE 80, 355, 357; [X.], Urteil vom 28. März 1990 -
4 [X.], [X.] 1990, 781; vgl. auch [X.], Urteil vom 3. Dezember 1987 -
Rs. 136/86, Slg. 1987, 4789
Rn. 22 -
BNIC/Aubert).
Unabhängig davon, ob man bei der [X.]
-

12

-

meinverbindlichkeit der Entscheidung der Gläubigerversammlung für die nicht am Girosystem
der [X.] Zentralbank Beteiligten
und dem [X.] nicht zustimmenden Gläubigern auf die Anordnung in dem [X.] 4050/2012 vom 23. Februar 2012 oder auf den Beschluss des [X.] vom 9. März 2012
oder auf beide
abstellt, handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme.

bb) Dass die Beklagte die hoheitlich geschaffene Möglichkeit der Ände-rung der Anleihebedingungen im Wege von
Collective
Action
Clauses
an eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger geknüpft hat, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht dazu, dass der Austausch der Anleihen als
rein
fiskalisches Handeln zu beurteilen ist (so aber [X.], Urteile
vom 30. März 2015
-
2-01 S 108/14, 204/14
und 280/14, n.v.; vgl. auch [X.], Urteil vom 11.
Juni 2015 -
[X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], 1250 Rn.
56 f.). Denn Wirkung gegenüber den Gläubigern, die wie die Kläger der Änderung der Anleihebedingungen nicht zugestimmt hatten, entfaltete diese erst durch das [X.] vom 23. Februar 2012 und den Beschluss
vom 9. März 2012.
Ohne diese hoheitlichen Maßnahmen wäre die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger für die überstimmte Minderheit privatrechtlich wirkungslos geblie-ben. In einer rein zivilrechtlichen Beziehung unter [X.] ist eine solche einseitige Abänderung von Vertragsbedingungen ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich.
Entgegen der von der Revision angeführten [X.] [X.] in ihrer Stellungnahme vom 19.
August 2013 in der Rechtssache [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13 haben das [X.] vom 23. Februar 2012 und der Beschluss vom 9.
März 2012 mithin nicht nur eine akzessorische Funktion; sie haben vielmehr die Rechtsbe-ziehung zwischen den von der Allgemeinverbindlichkeit betroffenen Personen und dem [X.] Staat in entscheidender Weise verändert.
22
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cc) Ein rein fiskalisches Handeln ergibt sich
auch nicht wegen
der tat-sächlich erfolgten Ausbuchung der Wertpapiere durch die [X.] Zentral-bank. Denn die tatsächlich erfolgte Ausbuchung war nur die Umsetzung der gegenüber der Minderheit
wirkenden
hoheitlichen Maßnahmen, nachdem die Mehrheitsentscheidungen der [X.] allgemeinverbindlich wurden
(ebenso -
jeweils versicherungsrechtliche Deckungsklagen betreffend
-
LG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 1445, 1446; [X.], [X.], 135). Die Ausbuchung der dematerialisierten Wertpapiere kann nicht isoliert von den ho-heitlichen Maßnahmen beurteilt werden, die zu ihrer Rechtfertigung geschaffen wurden
([X.], [X.], 1253, 1257; vgl. auch die
Schlussanträge
des Generalanwalts Bot
vom 9. Dezember 2014, [X.]/13, [X.]/13,
[X.]/13, [X.]/13, juris Rn. 61 ff., insbes. 65).
dd) Der Einordnung als hoheitliche Maßnahme steht das zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
und Handelssachen in den Mit-gliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 des Rates ([X.] L 324, [X.], [X.]) ergangene Urteil der [X.] des Gerichts-hofs vom 11.
Juni 2015 (-
[X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], 1250)
nicht entgegen. Dieses befasst sich mit der Zustellung von Klagen, mithin mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Klärung komplexer juristischer Fragen zu ermöglichen. Demgemäß hat der Gerichtshof in seinem
Urteil auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Schnelligkeit der Zustellung gerichtlicher Schrift-stücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der [X.] Informationen. Immunitätsfragen stellen sich auf dieser Stufe noch 23
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nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung [X.] ist (vgl. [X.], [X.] 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496).
c) Der Anwendung des Grundsatzes der [X.] steht schließ-lich nicht entgegen, dass
[X.] in der Literatur mitunter versagt wird, wenn ein Staat die Abwicklung eines privatrechtlich geschlossenen [X.] stört (vgl. [X.], [X.] und [X.], 1985, [X.]; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 584; [X.] in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 6. Aufl., Abschnitt [X.] Rn. 91; [X.], [X.] und private Gläubiger, 2015, [X.] ff. und
[X.] 2016, 80
f.; Seidl-Hohenveldern, Festschrift [X.], 1979, S. 1081, 1091; v. [X.], NJW 1986, 2980, 2984; Szodruch, [X.]insolvenz und private Gläubiger, 2008, S. 379 f.; vgl.
auch [X.], [X.], 1793, 1794). Denn hier geht es
um die [X.], ob der [X.] Gesetzgeber -
als Herr über das Vertragsstatut
-
berech-tigt ist, mit Wirkung
auch gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Er-werb der Anleihen
in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt haben, neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende

25
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15

-

Normen ersetzen
oder ergänzen
(vgl.
[X.], [X.] 2012, 429, 440 f.).
Gera-de dadurch ist aber der Grundsatz der [X.] unmittelbar berührt.

Galke
Stöhr
[X.]

Oehler
Roloff

Vorinstanzen:
[X.] am Main, Entscheidung vom 06.02.2014 -
2-21 O 332/12 -

[X.] am Main, Entscheidung vom 18.09.2014 -
16 U 41/14 -

Meta

VI ZR 516/14

08.03.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2016, Az. VI ZR 516/14 (REWIS RS 2016, 14949)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14949

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 516/14

2 BvM 9/03

2 BvR 736/13

3 AZB 5/12

5 AZR 78/12

4 U 2450/14

5 U 60/14

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