Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. XI ZR 247/16

11. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 356

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Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die [X.] Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.

2

Im November 2011 und im Januar 2012 erwarb der Kläger von der [X.] emittierte ISIN-GR-Anleihen zu einem Nennbetrag von insgesamt 10.000 €. Die Anleihen sollten mit einem Zinssatz von 4% p.a. verzinst werden und jeweils am 20. August eines Jahres fällig sein; Gesamtfälligkeit sollte am 20. August 2013 eintreten. In den Anleihebedingungen, die keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, war bestimmt, dass die Anleihen [X.] Recht unterfallen. Es handelte sich um dematerialisierte Wertpapiere, die als Wertrechte ausgegeben wurden und im Girosystem der [X.] Zentralbank registriert waren. Das Girosystem der [X.] Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer (sog. "Träger"), die daran nur mit Zulassung durch die [X.] Zentralbank teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des [X.] Gesetzes 2198/1994 in der durch das [X.] geänderten Fassung (nachfolgend: [X.]) erfolgt die Übertragung des Titels, die gemäß Art. 6 Abs. 2 auch an Dritte ("Investoren") zulässig ist, dann aber nur zwischen den Parteien wirkt und zu keinen Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten des [X.] Staates oder der [X.] führt, durch Gutschrift auf dem Konto des Berechtigten. Gemäß Art. 6 Abs. 5 des [X.] werden die Konten der Träger im System der Zentralbank und die Konten der Investoren bei den Trägern geführt.

3

Der Kläger erwarb die Anleihen über die sein Depot führende [X.][X.] mit Sitz in [X.]       (nachfolgend: Depotbank). Auf den ihm erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich unter "[X.]" der Hinweis "[X.] Griechenland".

4

Im Zuge der Restrukturierung des [X.] Staatshaushaltes wurde durch das [X.] [X.] vom 23. Februar 2012 geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach Art. 1 Abs. 9 des [X.] bewirkt zum einen der [X.], dass auch die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Zum anderen führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des [X.] erfordert eine Änderung der betroffenen Anleihen, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50% des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.

5

Mit Beschluss vom 24. Februar 2012 entschied der Ministerrat der Beklagten, das im [X.] vorgesehene Verfahren in Gang zu setzen. Den [X.] wurde angeboten, die betroffenen Anleihen, darunter auch die streitgegenständlichen Anleihen, gegen andere Anleihen mit einem um 53,5% verringerten Nennwert und anderen Laufzeiten umzutauschen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 informierte die Depotbank den Kläger über das an die Anleihegläubiger gerichtete Angebot der Beklagten mit dem Hinweis, dass dieses Schreiben keine Aussage über die Berechtigung des [X.], an der Maßnahme teilzunehmen, beinhalte. Der Kläger stimmte dem Angebot nicht zu.

6

Die [X.] Regierung teilte am 9. März 2012 mit, dass nach der durchgeführten Abstimmung der Anleihegläubiger die nach dem [X.] vorgesehenen Voraussetzungen für die Annahme des [X.] erfüllt seien. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des [X.] der Beklagten vom gleichen Tag wurde diese Mehrheitsentscheidung gemäß den Bestimmungen des [X.] allgemeinverbindlich. Aufgrund dessen wurden am 12. März 2012 die alten Anleihen aus dem bei der [X.] Zentralbank geführten System ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen eingebucht. Daraufhin nahm die Depotbank am 14. März 2012 im Depot des [X.] die entsprechenden Umbuchungen vor.

7

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Zahlung des Nennwerts der ursprünglichen Anleihen zuzüglich Zinsen sowie abzüglich vereinnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der neuen Anleihen. Er stützt seine Klage in erster Linie auf von ihm behauptete vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen und hilfsweise auf deliktische Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung.

8

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der [X.] entgegenstehe und im Übrigen ein Gerichtsstand in [X.] nicht gegeben sei. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 1590 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Das [X.] habe die Klage im Ergebnis mit Recht als unzulässig abgewiesen. Soweit der Kläger hilfsweise deliktische Schadensersatzansprüche geltend mache, stehe der Klage der vorrangig und von Amts wegen zu berücksichtigende Grundsatz der [X.] entgegen.

Dies gelte jedoch nicht für die von dem Kläger in erster Linie geltend gemachten vertraglichen Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen. Insoweit sei die Beklagte nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen. Denn die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen stelle ein nicht-hoheitliches Handeln dar. Diese Einordnung werde nicht dadurch berührt, dass der Kläger einen Verstoß gegen den [X.] durch das [X.] anführe. Denn die hierdurch suggerierte Überprüfung fremdstaatlicher hoheitlicher Maßnahmen, die der Grundsatz der [X.] verhindern wolle, finde bei der Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 6 [X.]BGB nicht statt. Die Emission von Staatsanleihen verliere ihren fiskalischen Charakter auch nicht durch die späteren, zum Zweck des Zwangsumtauschs der Anleihen durchgeführten Maßnahmen des [X.] Gesetzgebers und der [X.] Regierung, auch wenn diese hoheitlicher Natur seien.

Allerdings sei, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den alten Staatsanleihen gestützt werde, die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte nicht eröffnet. Zwar handele es sich insoweit um eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.] aF). Jedoch seien weder die Voraussetzungen des [X.] gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 [X.] aF gegeben noch liege der gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a [X.] aF maßgebliche Erfüllungsort in [X.], so dass auch der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] keinen Erfolg habe.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] Gerichtsbarkeit eröffnet ist, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist. Der Grundsatz der [X.] steht der Klage insgesamt entgegen.

a) Die Frage, ob die [X.] Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der [X.] eröffnet ist, ist von Amts wegen ([X.] 46, 342, 359; [X.], Urteile vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 10 Rn. 20 mwN, vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 11 und vom 24. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 290 Rn. 16) und vor Ermittlung der internationalen Zuständigkeit ([X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO, und Beschluss vom 26. November 2015 - [X.], juris Rn. 3; Stürner, [X.] 2008, 197, 203 mwN; Wagner, [X.] 2014, 260, 261) zu prüfen.

b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von [X.] die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen [X.], nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. [X.] 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 19; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 12). [X.] besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern, was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.] 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; [X.], Urteile vom 26. September 1978 - [X.], [X.], 586 und vom 8. März 2016, aaO).

Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist ([X.] 16, 27, 61 f.; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 14 und Beschluss vom 30. Januar 2013 - [X.]/12, [X.], 1903 Rn. 11).

Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen ([X.] 16, 27, 62; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 15), hier also nach [X.]m Recht. Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den [X.] allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. [X.] 16, 27, 63; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der [X.] unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl.[X.] 16, 27, 63 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO).

c) Nach diesen Grundsätzen steht - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - der Klage der Grundsatz der [X.] entgegen, soweit sie hilfsweise auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gestützt ist. Entgegen der Ansicht der Revision wird dieser Anspruch nicht aus den ursprünglichen Anleihebedingungen hergeleitet. Vielmehr besteht insoweit das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des [X.] vom 23. Februar 2012 sowie dem Beschluss des [X.] vom 9. März 2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um hoheitliche Maßnahmen handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der [X.] verhindern will ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.] 209, 191 Rn. 19 ff.).

Das Berufungsgericht hat ebenfalls zutreffend entschieden, dass der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich - entgegen der Ansicht der Revision - das Urteil des Gerichtshofs der [X.] (nachfolgend: [X.]) vom 11. Juni 2015 ([X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, Fahnenbrock u.a., [X.], 1250) nicht entgegensteht. Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 des Rates ([X.], ABl. L 324, [X.]) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu schaffen. Demgemäß hat der [X.] auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der [X.] verfolgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen (vgl. [X.], aaO Rn. 46). [X.] stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 24; [X.], [X.], 285, 288; [X.], [X.] 2015, 503, 504; [X.], EWiR 2015, 495, 496).

d) Allerdings ist die [X.] Gerichtsbarkeit - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nach den Grundsätzen der [X.] auch insoweit nicht eröffnet, als die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist (ebenso [X.], [X.], 285, 289 ff.; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 145 ff.; [X.], Urteil vom 26. Mai 2017 - 6 U 1/17, n.v. Umdruck S. 11 ff.; [X.], Urteil vom 21. Juni 2017 - 5 U 1533/16, n.v. Umdruck S. 7; [X.], Urteil vom 21. Juli 2017 - 16 U 85/16, n.v. Umdruck S. 21 ff.; [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 12 ff.; [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 1 U 145/16, n.v. Umdruck S. 8 ff.; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 6 ff.; [X.], Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, [X.]. 2013 Nr. 172 [X.], 372; [X.], [X.] 2016, 76, 77 ff.; [X.], Urteil vom 16. November 2015 - 21 O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rn. 16; [X.], Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 130 ff. und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 52 ff.; Freitag in [X.]/[X.], Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 6.657).

aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. nur [X.] 117, 141, 153; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 17; [X.], [X.], 1878, 1880; [X.], [X.], 1253, 1255 und [X.], 285, 287; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Juni 2015 - [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, Fahnenbrock u.a., [X.], 1250 Rn. 53).

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 17). Demgemäß hat das [X.] in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den [X.] Staat zugrunde lag (vgl. [X.], 244 Rn. 6), der den Nettolohn eines bei ihm in [X.] beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des [X.] gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten ([X.] ([X.], NJW 2014, 1723 Rn. 22). Damit hat das [X.] nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung ([X.], [X.], 285, 289).

bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus dem Wertpapierdepot des [X.] führten, maßgeblich ([X.], [X.], 285, 289 ff.; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 146 ff.; [X.], Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, [X.]. 2013 Nr. 172 S. 372; [X.], [X.] 2016, 76, 77; [X.], Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 131 und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 53).

(1) Auch wenn sich der Kläger darauf beruft, vertragliche [X.] aus den ursprünglich von ihm erworbenen Staatsanleihen geltend zu machen, ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht einfach die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso [X.], [X.], 285, 289; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 147; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die [X.] Recht unterlagen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und unstreitig vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9. März 2012 zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus dem Wertpapierdepot des [X.] ausgebucht wurden. Ferner ist in Art. 1 Nr. 9 des [X.] vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln führt.

Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9. März 2012 feststellt (vgl. [X.], [X.], 285, 289; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 149; [X.], [X.] 2016, 76, 78 f.; [X.], Urteil vom 26. April 2016 - 5 O 218/14, n.v. Umdruck S. 20).

Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.], [X.], 481, 485). Denn es geht - ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche - maßgeblich um die Frage, ob der [X.] Gesetzgeber berechtigt war, mit Wirkung gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Normen ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der [X.] unmittelbar berührt (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 25; [X.], [X.], 285, 290 f.; [X.] EWiR 2016, 577, 578).

(2) Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso [X.], [X.], 1878, 1880; [X.] WuB 2017, 290, 293; [X.] [X.] 2016, 80, 81) - auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlichkeit führenden Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und [X.]beschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist ([X.], Urteil vom 1. September 2017, aaO; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; [X.], [X.], 1793, 1794).

cc) Wie bereits oben unter [X.]) ausgeführt, steht der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2015 ([X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, Fahnenbrock u.a., [X.], 1250) nicht entgegen.

dd) Der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das Urteil des [X.] vom 20. Juli 2016 ([X.], [X.], 1586) entgegen (ebenso [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 16). In diesem Urteil hat der [X.] entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung [X.]r Staatsanleihen, die von der [X.] wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des [X.] verweigert wird, vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht ([X.], aaO Rn. 20 ff.). Die Frage der - möglicherweise fehlenden - Erfolgsaussichten einer Klage gegen die [X.] ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben worden war ([X.], aaO Rn. 32 ff.).

ee) Das Bestehen der [X.]n Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des [X.] über die Immunität der [X.] und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004 ([X.] (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in [X.] getreten und weder von [X.] noch von [X.] gezeichnet oder ratifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Artikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (vgl. [X.] (2) S. 34), die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus einschränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der Regelung für Arbeitsverträge in Art. 11 des Übereinkommens [X.]MR, Urteile vom 23. März 2010 - 15869/02, [X.]/[X.], Slg. 2010 - III, 153 Rn. 66 f. und vom 29. Juni 2011 - 34869/05, Sabeh [X.]/[X.], [X.] 2012, 1333 Rn. 54; in Bezug auf Art. 10 offengelassen von [X.], Urteil vom 24. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 290 Rn. 21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 18).

ff) Schließlich steht der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das Urteil des [X.] vom 26. April 2017 (5 [X.], [X.] 2017, 611 Rn. 15 ff.) entgegen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden vergleichbar, da die streitgegenständlichen Anleihen [X.] Recht unterlagen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen aus diesem System ausgebucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.

2. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die [X.] Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 [X.] aF noch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a [X.] aF, rechtlicher Überprüfung standhält.

[X.]          

      

Maihold          

      

Matthias

      

Derstadt          

      

Dauber          

      

Meta

XI ZR 247/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 12. Mai 2016, Az: I-8 U 44/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. XI ZR 247/16 (REWIS RS 2017, 356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 356


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZR 247/16

Bundesgerichtshof, XI ZR 247/16, 19.12.2017.


Az. 8 U 44/15

Oberlandesgericht Köln, 8 U 44/15, 12.05.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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