Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2005, Az. III ZR 265/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3532

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL [X.]/04
Verkündet am: 19. Mai 2005 [X.] , Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 288 Zu den Anforderungen an ein gerichtliches Geständnis.

[X.], Versäumnisurteil vom 19. Mai 2005 - [X.]/04 - OLG [X.]

LG Gera - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. April 2004 auf-gehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die klagende [X.] AG verlangt von den beklagten Stadtwerken, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden, Schadensersatz für einen Wasserschaden vom 27. Oktober 1997, bei dem der [X.] der im Ausbau befindlichen [X.]e [X.], Kilometer 15,2 bis 15,8, durch beträchtliche Wassermengen tiefgreifend aufgeweicht und beschädigt - 3 -

wurde. Die Klägerin führt diese Schäden auf einen Defekt der Zulaufsteuerung in dem von der [X.] betriebenen [X.]

zurück; der Defekt habe einen unkontrollierten [X.] in das Kanalsystem [X.], das in einen Graben seitlich des beschädigten [X.] mündet.

Von dieser Schadensursache ging zunächst auch die [X.] aus. Die [X.]en verhandelten vornehmlich über die Schadenshöhe, insbesondere dar-über, welche Sanierungsmaßnahmen mit welchem Aufwand erforderlich waren. Der Kommunale Schadensausgleich ([X.]) als Versicherer der [X.] zahlte an die Klägerin vorpro[X.]sual ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 100.000 DM.

Im jetzigen Rechtsstreit macht die Klägerin weitergehende behauptete Schäden geltend. Die [X.] hatte in der Klageerwiderung zunächst ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und insoweit auf den Wasser- und Ab-wasserzweckverband J. (nunmehr: Zweckverband J. Wasser) verwiesen, der Betreiber der Rohranlage sei und für den der [X.] auch die Verhandlungen über die Ersatzpflicht geführt habe. Nur vorsorglich hatte die [X.] zudem die Schadenshöhe bestritten.

Der vom [X.] zu Fragen der Schadenshöhe beauftragte [X.] kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Schaden nicht auf das aus dem [X.] kommende Rohr, sondern auf die neben dem Bahndamm verlaufende [X.] (Abwasserleitung aus der Ortslage [X.]) mit starkem Wasserfluß zurückzuführen sei. - 4 -

Mit Schriftsatz vom 19. September 2002 machte sich die [X.] die Ausführungen des Gutachters zur Schadensursache zu eigen und bestritt [X.], daß die geltend gemachten Schäden durch Wasser verursacht [X.] seien, welches aus einem Rohr aus dem Pumpwerk der [X.] ausge-treten sei. Die [X.] erhob Widerklage auf Rückzahlung des geleisteten Betrages von 100.000 DM.

Nachdem das [X.] daraufhin Beweis auch über die Schadensur-sache erhoben hatte, gab es der Klage im wesentlichen - bis auf einen Teil der Zinsforderung - statt und wies die Widerklage ab. Die Berufung der [X.] blieb erfolglos. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Klageabweisungs- und ihren Widerklageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

1. Da die Klägerin und Revisionsbeklagte in der [X.] nicht vertreten war, ist über die Revision der [X.] antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und [X.]standes, soweit er in der Revisionsinstanz angefallen ist ([X.] 37, 79, 81; [X.], Urteil vom 18. November 1998 - [X.] = NJW 1999, 647, 648).
- 5 -

2. Das [X.] hat aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisauf-nahme für erwiesen angesehen, daß die schadensstiftenden Wassermassen aus einer Rohrleitungsanlage ausgetreten waren, die zu dem Pumpwerk [X.], das zwar im Eigentum des [X.] stand, aber - wie inzwischen außer [X.] steht - von der [X.] in eigener Verant-wortung betrieben wird. Es hat deshalb den Schadensersatzanspruch der Klä-gerin unter dem Gesichtspunkt der Wirkungshaftung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG) für begründet erachtet.

3. Das Berufungsgericht hält die von der [X.] gegen die erstinstanz-liche Beweiswürdigung erhobenen Verfahrensrügen zwar für sachlich berechtigt, da die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von zwei Zeugen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§§ 355, 286 ZPO) erfolgt sei. Es meint indessen, dieser mögliche Verfahrensfehler sei im Ergebnis unschädlich, da die [X.] sich an ihrer ursprünglichen Einlassung über die Schadensursache festhalten lassen müsse. Die Schadensursache, nämlich daß das Wasser aus einer Rohrleitung der [X.] ausgetreten sei, sei von der [X.] zugestanden worden (§ 288 ZPO). An diesem Geständnis müsse die [X.] sich auch im [X.] festhalten lassen (§ 535 ZPO).

4. Die hiergegen gerichteten [X.] der Revision greifen durch.

a) Das gerichtliche Geständnis ist die innerhalb des Rechtsstreits [X.] Erklärung einer [X.], daß eine vom Gegner behauptete, ihr im Rechtssinne ungünstige Tatsache wahr sei. Die Wirkung dieser Erklärung ist eine doppelte. Zunächst wirkt sie auf dem Gebiet des [X.] 6 -

[X.] in bezug auf das Gericht ebenso wie das Schweigen auf die gegnerische Behauptung: Was eine [X.] gegen sich gelten läßt, wird ohne weiteres zur [X.]. Zu dieser Wirkung bedarf es an sich weder einer Erklärung des Geständnisses, noch eines sie stützenden [X.]willens; vgl. § 138 Abs. 3, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die zweite Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, die ihm allein als spezifische zukommt, besteht dagegen in der Bindung der [X.] an ihr Wort: Während das bisher unterlassene Bestreiten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung jederzeit (vorbehaltlich der Zurückwei-sung als verspätet) mit der Wirkung nachgeholt werden kann, daß die [X.] nunmehr des Beweises bedarf, ist nach Ablegung des gerichtlichen [X.]ses ein einfaches Bestreiten ausgeschlossen und der Widerruf an den doppelten Nachweis gebunden, daß das Geständnis der Wahrheit nicht ent-spricht und daß es durch einen Irrtum veranlaßt ist. In dem Geständnis liegt somit ein Willensmoment: die [X.] erklärt, eine Tatsache gegen sich gelten lassen zu wollen. Die Willenserklärung, die somit positiv-rechtlich in dem [X.] liegt, ist die Erklärung des Einverständnisses damit, daß die Tatsache ungeprüft zur [X.] gemacht wird ([X.], ZPO 21. Aufl. 1996 § 288 Rn. 1 bis 4 m.w.[X.]).

b) Einen derartigen Geständniswillen (s. dazu auch die in [X.]R ZPO § 288 Geständniswille 1 bis 6 nachgewiesenen Entscheidungen des Bundes-gerichtshofs), der revisionsrechtlich uneingeschränkt nachprüfbar ist ([X.]R [X.]O 1, 4 und 6), vermag der Senat hier nicht festzustellen.

[X.]) Soweit das Berufungsgericht darauf abhebt, daß die [X.] in der Klageerwiderung nur den Einwand der mangelnden Passivlegitimation erhoben und "vorsorglich" zur Schadenshöhe Stellung genommen, aber mit keinem - 7 -

Wort ihre Verantwortlichkeit für den Schadenseintritt bestritten habe, so reicht dies allein nicht aus, um ein eindeutiges Geständnis hinsichtlich der Verant-wortlichkeit dem Grunde nach anzunehmen. Wenn das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des [X.] vom 6. No-vember 1961 ([X.] = [X.], 252) bezieht, so macht die Revision hiergegen zu Recht geltend, daß in dieser Entscheidung, die eine ähnlich ge-lagerte Konstellation betrifft, das Vorliegen eines Geständnisses gerade ver-neint worden war.

[X.]) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können weder das Schreiben der [X.] vom 7. Januar 1999 noch die Aktennotiz vom 17. April 1998 Grundlage eines "außergerichtlichen Geständnisses" der [X.] sein. Zwar wird in beiden Dokumenten, die jeweils von Bediensteten der [X.] - aber nicht von ihrem gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 51 ZPO - [X.] worden sind, festgehalten, daß das Wasser aus dem Kanalsystem der Pumpstation ausgetreten sei. Diese Schriftstücke müßten jedoch, um eine [X.]wirkung nach § 288 Abs. 1 ZPO begründen zu können, vom [X.] und nicht vom Gegner in den Prozeß eingeführt worden sein (vgl. [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. 2005 § 288 Rn. 4; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. 2005 § 288 Rn. 2). Dies ist jedoch nicht der Fall. Beide Urkunden sind von der Klä-gerin in Kopie als Anlage zur Klageschrift bzw. zu einem späteren Schriftsatz vorgelegt worden. Zwar ist es richtig, daß die [X.] ein im Auftrage des [X.] erstelltes Gutachten des Ingenieurbüros F. vorgelegt hat, in dem - neben anderen Unterlagen - auch diese beiden Schriftstücke als "vom Auftraggeber übergebener Schriftverkehr" aufgeführt werden. Diese gutachterliche Stellungnahme verhält sich jedoch auftragsge-mäß allein zur "angegebenen Schadenshöhe". Nur in diesem Zusammenhang - 8 -

hat sich die [X.] in der Klageerwiderung auf das Gutachten bezogen und sich die gutachterlichen Ausführungen zu eigen gemacht. Daher kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch die Vorlage des [X.]durch die [X.] nicht als "Einführung ihres außergerichtli-chen Geständnisses" gewertet werden.

[X.]) Dementsprechend blieb es der [X.] unbenommen, sich die erst durch die landgerichtliche Beweisaufnahme zutage getretene Möglichkeit eines abweichenden Kausalverlaufs zu eigen zu machen und ihren Sachvortrag zur Schadensursache den nachträglich gewonnenen neuen Erkenntnissen anzu-passen. Deswegen ist die Verfahrensweise des [X.]s, das inzidenter eine Bindungswirkung der früheren Einlassung der [X.] verneint hat und dementsprechend in die Beweisaufnahme über die Schadensursache eingetre-ten ist, vom Ansatz her nicht zu beanstanden.

5. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine - wiederholende oder ergänzende - Beweisaufnahme über die Schadensursache für entbehrlich gehalten ist, ist daher insgesamt nicht tragfähig. Da das Berufungsurteil sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), muß es auf-gehoben und muß die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

[X.][X.]
[X.] Hermann

Meta

III ZR 265/04

19.05.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2005, Az. III ZR 265/04 (REWIS RS 2005, 3532)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3532

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