Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2013, Az. VII R 15/13

7. Senat | REWIS RS 2013, 1250

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Gegenstand

Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA


Leitsatz

1. Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 AO, über den durch Verwaltungsakt gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entschieden werden kann, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch .

2. Auch die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA kann nur in diesem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis abgewickelt werden. Denn ein Anspruch auf Rückgewähr einer Leistung teilt die Rechtsnatur des Anspruchs, auf den jene Leistung erbracht worden ist .

3. Für diese Rückforderung kann sich das FA mangels Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO oder einer sonstigen Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen, sondern muss den Zivilrechtsweg beschreiten .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der P-GmbH (GmbH). Die von der GmbH für März 2009 und April 2009 angemeldeten [X.] hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) aufgrund einer erteilten Lastschrift zu den Fälligkeitsterminen eingezogen. Auf Antrag der GmbH vom 9. Juni 2009 wurde am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht als Insolvenzverwalter die Lohnsteuerzahlungen an. Das [X.] erstattete deswegen die vereinnahmten Beträge zur Insolvenzmasse. Nach erneuter Überprüfung des Sachverhaltes gelangte es jedoch zu der Erkenntnis, die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung hätten nicht vorgelegen und die Insolvenzmasse habe deswegen keinen Erstattungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) gehabt. Mit auf § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) gestützten Rückforderungsbescheid forderte es den Kläger zur Rückzahlung der erstatteten Beträge auf. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht ([X.]) der dagegen erhobenen Klage statt.

2

Das [X.] urteilte, § 37 Abs. 2 [X.] sei eine spezialgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für das Steuerrecht und setze einen Anspruch auf Korrektur einer aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen [X.] und Finanzbehörde bewirkten [X.] voraus. Die Erstattung von [X.]en außerhalb des [X.] könne nicht nach § 37 Abs. 2 [X.] verlangt werden, sondern sei auf dem ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen und nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu korrigieren. Im Streitfall habe das [X.] den mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Betrag nicht zuvor an den Kläger zur Erfüllung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zurückgezahlt, sondern in Befolgung einer --vermeintlich oder tatsächlich-- sich aus § 143 Abs. 1 [X.] ergebenden bürgerlich–rechtlichen Verpflichtung. Dies schließe die Rückforderung durch Verwaltungsakt aus.

3

Seine Revision begründet das [X.] mit seiner Rechtsauffassung, bei unberechtigter Insolvenzanfechtung sei die Rückgewähr von Steuerzahlungen an die Insolvenzmasse eine [X.] im Rahmen eines Steuerschuldverhältnisses; die Rückforderung sei als Umkehrung dieses Vorgangs ebenfalls Teil dieses Steuerschuldverhältnisses. Die §§ 143 ff. [X.] normierten lediglich die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus einer berechtigten Insolvenzanfechtung ergäben. Bei einer Rückzahlung aufgrund unberechtigter Insolvenzanfechtung schaffe das [X.] einen neuen steuerrechtlichen Sachverhalt in dem bestehenden Steuerschuldverhältnis, ohne welches das [X.] die --rechtsgrundlos wieder ausgekehrten-- Steuerbeträge nicht vereinnahmt hätte. Die bei der Entscheidung über das Bestehen des Rückzahlungsanspruchs des [X.] vorgreiflich zu entscheidende Frage über das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen sei hier nicht rechtswegbestimmend. Bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnung des [X.] mit Steuerforderungen gegen Erstattungsansprüche des Insolvenzverwalters unter dem Gesichtspunkt "anfechtbarer Erwerb der Aufrechnungslage" sei anerkannt, dass das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen inzidenter in den Verfahren vor den [X.] über die Rechtmäßigkeit der [X.] zu prüfen sei (Hinweis auf Urteil des [X.] --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, [X.], 413; Senatsurteil vom 2. November 2010 VII R 6/10, [X.], 488, [X.], 374). Auch habe der [X.] ([X.]) dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer bei einer rechtsgrundlosen Anmeldung und Abführung von Lohnsteuern einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 [X.] zuerkannt (Senatsbeschluss vom 15. November 1999 VII B 155/99, [X.]/NV 2000, 547). Für den hier gegebenen umgekehrten Fall der rechtsgrundlosen Auszahlung der Lohnsteuer an den Arbeitgeber könne nichts anderes gelten. Hinzuweisen sei auch auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 27. September 2010 [X.] 1/09 ([X.], 105). Für die Bestimmung des richtigen Rechtswegs habe der [X.] nicht auf den insolvenzrechtlichen [X.] abgestellt, sondern auf die dem Anspruch zugrunde liegende arbeitsrechtliche Leistungsbeziehung, so dass der Rechtsstreit auf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verwiesen worden sei. Übertragen auf den Streitfall könne die Insolvenzanfechtung als Umkehrung der steuerlichen Leistungsbeziehung in Form der Rückgewähr dessen, was der Insolvenzmasse als Steuerzahlung entzogen wurde, beurteilt und als prägendes Element des Rechtsstreits angesehen werden. Dem folgend sei die steuerrechtliche Leistungsbeziehung nicht nur für den Rechtsweg, sondern auch dafür bestimmend, ob ein steuerrechtlicher Erstattungsanspruch wegen Zahlung auf eine unberechtigte Insolvenzanfechtung gegeben sei.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [X.] entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

5

Das [X.] hat den auf § 37 Abs. [X.] gestützten Rückforderungsbescheid des [X.] zu Recht aufgehoben. Nach dieser Vorschrift hätte das [X.] einen Anspruch auf Erstattung des an den Kläger zurückgezahlten Betrags, wenn an ihn eine Steuer ohne rechtlichen Grund zurückgezahlt worden wäre. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs hätte es gemäß § 218 Abs. 2 Satz [X.] einen Rückforderungsbescheid erlassen können.

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Im Streitfall geht es aber nicht um die Rückforderung einer ungerechtfertigten Steuerrückzahlung, sondern um die Rückabwicklung der --nach erneuter Prüfung nunmehr als unberechtigt angesehenen-- Befolgung der Insolvenzanfechtung. Denn das [X.] hat die durch Lastschrift von der GmbH eingezogenen Steuern zur Insolvenzmasse erstattet, weil es den [X.] des [X.] aus § 143 Abs. 1 [X.] zunächst anerkannt hat. Wie der [X.] bereits in seinem Beschluss vom 5. September 2012 VII B 95/12 ([X.], 325, [X.], 854) im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 24. März 2011 IX ZB 36/09, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 1365) entschieden hat, ist der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr (vermeintlich) in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 [X.] kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. [X.], weil er kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. [X.], sondern ein [X.]r Anspruch ist. Auch wenn sich dieser Anspruch auf Rückzahlung einer (zurückgezahlten) Steuer richtet, so dass § 37 Abs. [X.] wortwörtlich genommen einschlägig zu sein scheint, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der in § 37 Abs. [X.] geregelte Anspruch auf der Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. [X.] beruht (vgl. im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O: [X.]sbeschluss vom 27. September 2012 VII B 190/11, [X.], 526, [X.], 109).

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Begründet aber der [X.] des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 [X.] ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis, so kann auch die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des [X.] nur in diesem Rechtsverhältnis abgewickelt werden. Denn ein Anspruch auf Rückgewähr einer Leistung teilt die Rechtsnatur des Anspruchs, auf den jene Leistung erbracht worden ist. Für diese Abwicklung kann sich das [X.] mangels Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz [X.] oder einer sonstigen Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen, sondern muss den Zivilrechtsweg beschreiten.

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Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob die Rückzahlung des [X.] "aufgrund eines wirklich bestehenden oder eines vermeintlichen Insolvenzanfechtungsanspruchs erfolgte". Auch wenn sich später herausstellt, dass die Anfechtung nicht berechtigt war, hat das [X.] in Befolgung des Anfechtungsanspruchs und nicht "ohne Rechtsgrund allein auf der Grundlage des [X.]" zurückgezahlt. Zwar trifft es zu, dass "mit der Genehmigung der [X.] die zugrunde liegenden Steuerforderungen erfüllt und damit erloschen" sind, wenn "die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff. [X.] nicht vor(liegen)". Ob der Steueranspruch durch die Steuerzahlung endgültig erloschen ist, hängt aber gerade davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Zahlung wirksam angefochten hat. Wie der [X.] bereits entschieden hat, bleibt das Steuerschuldverhältnis bei [X.], die in [X.] fallen, selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen [X.] des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 [X.] bewirkt gemäß § 144 [X.], dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des [X.] ist insoweit auflösend bedingt ([X.]surteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, [X.], 303, BStBl II 2009, 342). Das bedeutet, erst wenn rechtsverbindlich feststeht, dass die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff. [X.] nicht vorliegen (oder nicht wirksam angefochten ist), hat das [X.] einen gesicherten Anspruch auf die entrichtete Steuer und das Steuerschuldverhältnis ist endgültig erloschen. Die entscheidende vorrangige Frage der Anfechtungsberechtigung --mit den Rechtsfolgen der §§ 143, 144 [X.]-- beantwortet sich allein nach den §§ 129 ff. [X.]. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der [X.]sentscheidung in [X.], 488, [X.], 374. In jenem Fall hatte das [X.] in einem Abrechnungsbescheid den Vorsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin mit den gegen sie gerichteten Umsatzsteuerforderungen des [X.] verrechnet. Zu entscheiden war über die Zulässigkeit dieser Aufrechnung, wenn das [X.] die Möglichkeit dazu durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Frage der Rechtsnatur der Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des [X.] spielte in diesem Rechtsstreit keine Rolle.

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Soweit sich das [X.] zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf das BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11 ([X.], 137, [X.], 298) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass der [X.] im Beschluss in [X.], 325, [X.], 854 dargelegt hat, dass er der --dort nicht tragenden und den Ausführungen des [X.] in NJW 2011, 1365 widersprechenden-- Begründung nicht folgt. Hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung des insolvenzanfechtungsrechtlichen [X.]s komme es auf das Rechtsverhältnis an, welches der angefochtenen Rechtshandlung zugrunde liege. In der nämlichen Entscheidung hat der [X.] weiter ausgeführt, dass auch der Gemeinsame [X.] in [X.]Z 187, 105 das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters betreffende Streitigkeiten als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten angesehen und lediglich im Fall angefochtener Lohnzahlungen (bei denen es sich auch um [X.] Ansprüche handelt) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorgegeben hat.

Meta

VII R 15/13

12.11.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 7. März 2013, Az: 12 K 3560/12 AO, Urteil

§ 37 Abs 1 AO, § 37 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 S 2 AO, § 129ff InsO, § 143 InsO, § 144 InsO, § 129 InsO, § 33 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2013, Az. VII R 15/13 (REWIS RS 2013, 1250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1250

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Referenzen
Wird zitiert von

IX ZR 55/15

S 16 AS 387/19

27 U 35/14

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