Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2017, Az. 2 StR 509/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 16873

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:240117B2STR509.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 509/16

vom
24. Januar 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 24.
Januar 2017 gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 19.
April 2016 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] und schweren Raubs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklag-ten. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.] war der Angeklagte W.

an
Raubüberfällen
auf Tankstellen am 13. und 19.
April 2012 beteiligt, die er ge-meinsam mit den Nichtrevidenten O.

und B.

beging. B.

führte
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-
jeweils das Fluchtfahrzeug. Am 13.
April 2012 stand der Angeklagte W.

vor
dem Verkaufsraum
der Aral-Tankstelle in Ü.

Schmiere, während
O.

darin die Zeugin M.

mit einer Gaspistole bedrohte und dazu zwang,
den Einsatz aus der Kasse zu entnehmen und auf die [X.] zu legen, woraus er 820
Euro wegnahm. Am 19.
April 2012 drang
der Angeklagte W.

als zweiter Täter gemeinsam mit O.

in den Verkaufsraum der [X.]
in E.

ein, wo O.

den Zeugen K.

mit einer Pistole bedrohte und
der Angeklagte W.

ein Messer vorzeigte. Der Zeuge K.

wurde dazu ge-
zwungen, die Kasse zu öffnen, aus der O.

400
Euro entnahm, der anschlie-
ßend auch mehrere Packungen Zigaretten an sich nahm.
Das [X.] ist den Angaben des Mitangeklagten O.

gefolgt, der

.

als Tatbeteiligten be-
nannt hat. Den Einwand, dass der Zeuge K.

den zweiten Täter des Über-
falls auf die [X.], bei dem es sich um den Angeklagten W.

gehan-
delt haben soll, größer eingeschätzt habe, als es der Angeklagte W.

ist, hat
das [X.] unter anderem mit der Bemerkung zurückgewiesen, Tatopfer von Gewaltdelikten schätzten die Größe von [X.] nach den Erfahrungen [X.] der auf Lichtbildern von Überwachungskameras aus dem Verkaufsraum erkennbare zweite Täter nach Größe und Statur nicht mit dem Angeklagten
W.

übereinstimme, der zur Tatzeit 60
kg gewogen habe und schmächtig ge-
wesen sei, hat das [X.] entgegengehalten, an der Proportion der Körper im Verhältnis zu Regalen im Verkaufsraum sei zu erkennen, dass der zweite Täter jedenfalls kleiner gewesen sei als der erste.
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-
4
-
II.
Die Revision des Angeklagten ist mit der Verfahrensrüge begründet, das [X.] habe einen Beweisantrag der Verteidigung auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht gemäß §
244 Abs.
4 Satz
1 [X.] zu-rückgewiesen.
1.

k-te gelangten Lichtbildern der Videoüberwachungskamera der
[X.]

-
geklagte W.

nur eine Körperlänge von 170

o-

fotografierten
Person auch unter Ausgleich perspektivischer Verzerrungen nä-her festzulegen.
Das [X.] hat den Antrag wie folgt zurückgewiesen:

-lichen Beweisantrag im Sinne des §
244 Abs.
3, 4 [X.] handelt

unter Beweis gestellt ist die Tatsache, dass es sich bei dem auf den Lichtbildern zu sehenden

zweiten Täter nicht um den Angeklagten W.

handelt, was indes letztlich eine
Bewertung darstellt; dem Tatsachenbeweis zugänglich ist allenfalls die Frage, ob die auf den Lichtbildern zu sehende Person eine gewisse Größe aufweist oder nicht aufweist, wobei der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, dass exakte Größenangaben derartigen Bildern regelmäßig ohnehin nicht zu entnehmen sind

, ist der Antrag gem.
§
244 Abs.
4 S.
1 [X.] zurückzuweisen. Das Gericht besitzt die zur Beurteilung der Frage erforderliche Sachkunde, ob 4
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5
-
der auf den Lichtbildern zu sehende Täter von der Größe her der Angeklagte
W.

2.
Die Verfahrensrüge der fehlerhaften Zurückweisung des [X.] ist im Sinne des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] zulässig erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer in der [X.] das [X.] unter Auslassung des Volltextes von Beweisantrag und Ablehnungsbeschluss zunächst nur mit eigenen Worten erläutert und den Be-weisantrag sowie den Beschluss der [X.] in vollem Umfang als Anlage zur
[X.] beigefügt hat. Im Ganzen sind die zur Beurtei-lung des [X.]s erforderlichen [X.] in der [X.] vollständig mitgeteilt worden. Ein Fall unstrukturierten und deshalb nicht nachvollziehbaren Vortrags der [X.] liegt nicht vor.
3.
Die Rüge hat auch in der
Sache Erfolg.
a)
Bei dem Antrag der Verteidigung handelt es sich um einen förmlichen Beweisantrag, der nur nach Maßgabe des §
244 Abs.
3 oder Abs.
4 [X.] zu-rückgewiesen werden durfte. Unter Beweis gestellt wurde nach der Erläuterung des Antragsvorbringens nicht nur das Beweisziel, dass der auf den Lichtbildern erkennbare zweite Täter nicht der Angeklagte W.

gewesen sei, sondern dass
der zweite Täter nach Körperlänge und Statur nicht dem Erscheinungsbild des
Angeklagten W.

entspricht. Dies enthält eine dem Beweis zugängliche Tat-sachenbehauptung und nicht nur das Ergebni

b)
Indem das [X.] den Beweisantrag gemäß §
244 Abs.
4 Satz
1 [X.] unter Berufung auf eigene Sachkunde zurückgewiesen hat, hat es sich auf einen im vorliegenden Fall untauglichen Ablehnungsgrund gestützt.
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-
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aa)
Die Frage, ob mit Mitteln der Bildbearbeitung und Raumvermessung, verwiesen hat, näherer Aufschluss über die Größe der auf Fotos vom Verkaufs-raum der [X.] abgebildeten Person zu gewinnen ist, zählt nicht zu allgemein vorhandenem Wissen, auf das Tatrichter ohne weiteres zurückgreifen können. Der Hinweis des [X.], aus anderen Verfahren sei ihm [X.], dass exakte Größenangaben derartigen Bildern regelmäßig ohnehin nicht zu entnehmen seien, ist demgegenüber nicht aussagekräftig. Sie erklärt nicht, dass und warum die Bildbearbeitung und Raumvermessung keine weite-ren Erkenntnisse ergeben könne. Sie steht zudem in Widerspruch zur eigenen Bewertung der Lichtbilder in den Urteilsgründen.
bb)
Deshalb hätte die eigene Sachkunde des Gerichts näherer Darle-gung bedurft.
(1)
Eine solche wäre nach §
244 Abs.
6 [X.] zunächst im Ablehnungs-beschluss vorzunehmen gewesen, um der Verteidigung eine Reaktion hierauf noch in der Hauptverhandlung zu ermöglichen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
244 Rn.
220; [X.]/[X.], [X.] im Strafprozess, 6.
Aufl., 2.
Teil 2.
Kap. Rn.
1442). An einer Erläuterung der eigenen Sachkunde
fehlt es aber in der Begründung des Beschlusses, abgesehen von dem nicht aussagekräftigen Hinweis auf die angebliche Unmöglichkeit einer genaueren Größenbestimmung durch Sachverständige.
(2)
Nach der Rechtsprechung genügt gegebenenfalls auch eine Dar-legung der Sachkunde des Gerichts in den Urteilsgründen (vgl. [X.], Urteil
vom 10.
Juli 1958

4
StR
211/58, [X.]St 12, 18, 20; s.a. [X.][X.], [X.], 12
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7
-
26.
Aufl., §
244 Rn.
339). Sie ist aber entgegen der Auffassung des General-bundesanwalts
auch daraus nicht ausreichend zu entnehmen.
Die Anforderungen, die an die Darlegung der eigenen Sachkunde im
Urteil zu stellen sind, richten sich nach der Schwierigkeit der konkret zu be-urteilenden Beweisfrage, die Art und Umfang des erforderlichen Spezialwissens bestimmt. Erfordert die Materie eine besondere Ausbildung oder kontinuier-
liche wissenschaftliche oder praktische Erfahrung, sind die Anforderungen an die Darlegungspflicht erhöht (MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], [X.], §
244 Rn.
73 mwN).
Wenn die [X.] nach den Urteilsgründen selbst anhand des [X.] der fotografierten Personen im Verhältnis zu den im [X.] erkennbaren Regalen Schlüsse auf die Größenverhältnisse gezogen hat, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, durch Bildbearbeitung und Raumvermessung sei kein genauerer Aufschluss zu gewinnen. Der [X.] ist insoweit dem [X.] zutreffend mit der Bemerkung entgegen-spricht, so handelt es sich lediglich um Vermutungen, denn die Täter sind auf keinem Bild gleichzeitig anwesend und daher (ist) nur ein ungefährer Vergleich möglich. Nur ein Fachmann kann hier genau erkennen, wie der [X.] tatsächlich ist und auch eine Körpergröße angeben, vor allem wenn man

c)
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.

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4.
Die Rüge führt zur [X.] im Ganzen, denn sie berührt auch die Beweisgrundlage für die Verurteilung wegen des Überfalls auf die Aral-Tankstelle. Das [X.] ist in beiden Fällen den Angaben des Mitangeklag-
ten O.

gefolgt. Würden diese zur Behauptung der Tatbeteiligung des Ange-
klagten W.

an dem Überfall auf die [X.] durch die Feststellung
erschüttert, dass der Angeklagte W.

wegen der näher ermittelten Größe des
zweiten Täters entgegen der Aussage des Mitangeklagten O.

nicht im Ver-
kaufsraum an diesem Überfall beteiligt gewesen sein kann, wäre die Glaubhaf-tigkeit der Aussage des Mitangeklagten O.

auch hinsichtlich der Tatbeteili-
gung des Beschwerdeführers am ersten Überfall
in Frage gestellt.
Fischer
Appl
Eschelbach

Zeng
Grube
19

Meta

2 StR 509/16

24.01.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2017, Az. 2 StR 509/16 (REWIS RS 2017, 16873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16873

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