Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2011, Az. V ZR 120/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 816

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

2. Dezember 2011

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1004
Bei einer auf § 8 [X.], § 12 [X.], § 76 [X.] und vergleichbaren Vorschriften beruhenden Führung von Versorgungsleitungen ist der durch die Leitungen versorgte [X.]-
oder Teilnehmer weder unmittelbarer noch mittelbarer Störer.

[X.], Urteil vom 2. Dezember 2011 -
V [X.] -
LG [X.] (Oder)

[X.]

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr.
Krüger, die Richter [X.] und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richterinnen
Dr.
Brückner
und Weinland
für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.]s [X.] (Oder) vom 29. April 2011 wird [X.].
Die Kosten des Revisionsverfahrens unter Einschluss der
Kosten der [X.] zu 1 und 2 tragen die Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger sind Miteigentümer eines Grundstücks, das nur über einen zu dem Grundstück gehörenden Privatweg mit der öffentlichen Straße verbunden ist ("Hammer-
oder Pfeifenstielgrundstück"). Das Grundstück des [X.]n liegt auch im hinteren Bereich und ohne eine eigene Anbindung zur öffentlichen Straße. Der Zugang erfolgt über ein fremdes Grundstück und ist durch eine Grunddienstbarkeit in Form eines Geh -
und [X.] gesichert. Für die Versorgung mit Wasser, Strom und Telekommunikation wird nicht dieses Lei-tungsrecht
genutzt. Vielmehr ist das Grundstück an
Versorgungsleitungen an-geschlossen, welche die jeweiligen Versorgungsträger 1994 in dem Privatweg der Kläger verlegten. Der [X.] einigte sich in einem anderen Verfahren [X.] 2008 mit den Klägern
darauf, dass ein Notwegrecht nicht mehr besteht. Die 1
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Kläger beantragen
im Wesentlichen, den [X.]n zur Unterlassung einer Nutzung ihres Grundstücks zur Leitungsführung und zur Zahlung einer [X.] von 653,40

für die
Jahre 2007 bis 2009 zu verurteilen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie auf die Berufung des [X.]n abgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem [X.] zugelassene Revision der Kläger, mit welcher diese ihre Klageanträge weiterverfolgen. Der [X.] und seine Streithelferin zu 2 beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht prüft Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB, aus §
917 Abs. 2 BGB und aus §§ 44, 50 [X.] BB. Nach Ansicht des [X.] scheitert ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen den
Be-klagten
daran, dass er
das Eigentum der Kläger nicht stört. Die Versorgungslei-tungen seien von den Versorgungsunternehmen verlegt worden, die sie auch betrieben. Den Unternehmen stehe auf Grund von § 8 [X.], § 12 [X.] und § 76 [X.] ein eigenes Recht zur Benutzung des [X.] der Kläger zu. Darauf, wie sie
ihr Recht nutzten, habe der
[X.] keinen Einfluss. Die
Un-ternehmen hätten
die Entscheidung über den [X.] eigenständig und ohne Bindung an etwaige Vorschläge der [X.]nehmer getroffen. Ihr [X.] könne dem [X.]n deshalb auch nicht zugerechnet werden. Streit über die Verlegung sei im Verhältnis zwischen den Unternehmen und dem Ei-gentümer des in Anspruch genommenen Grundstücks, hier also den Klägern, zu entscheiden. Der bloße Bezug von Strom, Wasser und Telekommunikations-leistungen durch die Leitungen der Versorgungsträger stelle keine Nutzung des 2
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Grundstücks der Kläger dar. Die Regelungen
in § 8 [X.], § 12 [X.] und §
76 [X.] schlössen Ansprüche aus §
917 Abs. 2 BGB und §§ 44, 50 [X.] BB aus.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

1. Ein Anspruch auf Unterlassung einer Nutzung ihres [X.]s zur Leitungsführung steht den Klägern gegen den [X.]n nicht zu.
a) Der dazu zunächst in Betracht zu ziehende Anspruch aus § 1004 Abs.
1 BGB scheitert, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, daran, dass der [X.] nicht Störer ist.
aa) Die zu unterlassende Störung ihres Eigentum durch den [X.]n sehen die Kläger nach dem dazu gestellten Klageantrag in erster Linie darin, dass der [X.] ihr
[X.] selbst unbefugt
zur Leitungsführung nutzt oder unbefugt den Versorgungsträgern
eine Leitungsführung ermöglicht. Beides hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
(1) Der [X.] nutzt das [X.] nicht selbst zur Leitungsfüh-rung, und zwar auch nicht, indem er
dort auf seine Veranlassung verlegte [X.] trotz Fehlens oder Auslaufens
einer Befugnis zur Verlegung liegen [X.]. Die Versorgungsleitungen sind nicht von dem
[X.]n verlegt worden, sondern von den jeweiligen Versorgungsträgern. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme
des Berufungsgerichts, Nutzer dieser Leitungen seien allein diese Versorgungsträger, nicht die [X.]nehmer. Der Bezug von Strom, Wasser und [X.] ist allenfalls eine Benutzung des [X.]es, über welchen dieser Bezug erfolgt, nicht aber eine Benutzung des Verteilungsnetzes davor. Dieses
Verteilungsnetz wiederum beherrscht allein 3
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der jeweilige Versorgungsträger, der damit seine Verpflichtung zur Versorgung der [X.]-
bzw. Teilnehmer erfüllt. Die einzelnen [X.]nehmer haben tatsächlichen Zugriff nur auf Leitungen und Anlagen auf ihrem Grundstück
und üben ihre mögliche Sachherrschaft auch insoweit nur bei den Leitungen und Anlagen aus, die ihnen zugeordnet sind, nämlich bei dem eigenen [X.].
[X.] Der [X.] nutzt die Leitungen in dem [X.] der Kläger auch nicht durch Vermittlung der Versorgungsunternehmen. Das setzte voraus, dass die Versorgungsunternehmen die Leitungen auf dem [X.] nicht auf Grund originären unmittelbaren Fremdbesitzes betrieben, sondern auf Grund von dem [X.]n nach Maßgabe von §
868 BGB abgeleiteten [X.]. Das hat das Berufungsgericht in der Sache zu Recht verneint. Die Versorgungsträger leiten ihre Befugnis zur Führung der Versorgungsleitungen auf dem [X.] der Kläger nicht von dem [X.]n ab. Sie nehmen dafür eine eigene Besitzberechtigung gegenüber den
Klägern als [X.]-
und Teilnehmern der Versorgung mit Strom, Wasser und Telekommunikation in Anspruch. Als solche müssen
die Kläger nämlich nach Maßgabe von § 8 [X.], § 12 [X.] und § 76 [X.] auch Leitungen und Anlagen dulden, die der Versorgung anderer [X.]-
und Teilnehmer dienen.
[X.]) Der [X.] ist entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht mittelba-rer Störer.
(1) Zur Unterlassung von Störungen kann nach § 1004 Abs. 1 BGB auch ein sog. mittelbarer
(Handlungs-) Störer verpflichtet sein. Das setzt nach der Rechtsprechung des [X.] voraus, dass die unmittelbare Störung die adäquat kausale Folge des Handelns des als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen ([X.], Urteil
vom 20. Dezember 1988 -
VI
ZR 182/88, [X.]Z 106, 229, 234 f.; Senat, Urteile vom 7. April 2000 -
V
ZR 39/99, [X.]Z 144, 200, 8
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und vom 27. Januar 2006 -
V
ZR 26/05, [X.], 992, 993)
oder eines von diesem unterhaltenen Zustands ist (Senat, Urteil vom 30. Oktober 1981 -
V
ZR 191/80, NJW 1982, 440) und dass dieser in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern. Diese Voraussetzungen hat das Berufungs-gericht mit der im [X.] zutreffenden Begründung verneint, die Verlegung der Leitungen beruhe auf einer eigenständigen Entscheidung der [X.].
[X.] Es hat sich allerdings nicht (ausdrücklich) mit dem Vortrag
der Kläger befasst, der [X.] habe die Versorgungsträger darauf hinweisen müssen, dass ein [X.] über das eigene Grundstück möglich sei. Dieser ist [X.] unsubstantiiert.
(a) Der Vortrag der Kläger ergibt schon
nicht, dass die Verlegungsent-scheidung der Versorgungsträger nach den seinerzeit maßgeblichen Vorschrif-ten,
dem § 8 [X.], dem früheren § 8 [X.] und dem früheren §
10 [X.],
sicher anders ausgefallen wäre, wenn der [X.] das [X.] Rechtsvorgänger ins Spiel gebracht hätte. Das
[X.] musste ohnehin für solche
Leitungen
in Anspruch genommen werden, nämlich für die zum [X.] des Grundstücks der Kläger an die Versorgung
mit Strom, Wasser und Telekommunikation. Dieses Grundstück auch für den [X.] des Grundstücks des [X.]n zu nutzen und von der Verlegung einer zweiten parallelen Leitung auf dem Grundstück der Rechtsvorgänger des [X.]n abzusehen, war nicht von vornherein ermessensfehlerhaft, sondern konnte durchaus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 1992 -
VIII
ZR 219/91, NJW-RR 1993, 141, 143).
(b) Unabhängig hiervon ist der [X.] jedenfalls deshalb nicht mittelba-rer Störer, weil er keine Möglichkeit hat, die Versorgungsträger zu einer Ände-rung der Leitungsführung zu zwingen. Diese sind zwar unter bestimmten
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Voraussetzungen zur Verlegung von Leitungen und Anlagen verpflichtet. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist hier aber nicht zu entscheiden. Der [X.] und Anlagen steht jedenfalls nicht dem versorgten [X.]-
und Teilnehmer, sondern nach § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] und §
12 Abs.
3 Satz
1 [X.] dem Eigentümer des in Anspruch ge-nommenen Grundstücks und nach § 75 Abs. 2 [X.] dem zur Nutzung dieses Grundstücks Berechtigten zu. Das sind die Kläger, nicht der [X.].
b) Der [X.] schuldet den Klägern eine Einwirkung auf die [X.] auch nicht als Schadensersatz in Natur. Das setzte nach §
280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB voraus, dass er den Klägern auf Grund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme und in diesem Rahmen zu einem Hinweis auf die Möglichkeit einer Verlegung der Leitungen auf dem Grundstück seines [X.] verpflichtet war. Ob zwischen mehreren benachbarten Bewerbern um einen [X.] an Verteilungsnetze der öffentlichen Versorgung überhaupt ein gesetzliches Schuldverhältnis ent-steht, ist zweifelhaft. Sie bewerben sich nämlich jeder für sich bei dem [X.]
um einen [X.]. Es liegt rechtlich und tatsächlich allein in [X.], die Interessen der Bewerber bei der Standortwahl festzustellen und abzuwägen. Nur mit ihm entstehen nach Herstellung des [X.]es vertragli-che Beziehungen. Die Frage
muss hier nicht entschieden werden. Selbst wenn ein Schuldverhältnis bestanden hätte, ist jedenfalls aus den vorgenannten Gründen nicht schlüssig dargelegt, dass der [X.] die postulierte Schutz-pflicht gegenüber den Klägern hatte und dass er diese verletzte. Für einen [X.] aus § 826 BGB ist nichts ersichtlich.
2.
Unbegründet ist auch der
geltend gemachte Zahlungsanspruch.
a) Ansprüche aus § 988, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB, §
917 Abs.
2 und §§ 44, 50 [X.] BB scheiden aus. Das hat der Senat in dem parallelen 14
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Rechtsstreit der Klägerin
zu
1
gegen eine andere Nachbarin, die über die
glei-chen Leitungen mit Strom, Wasser und Telekommunikation versorgt wird, ent-schieden (Urteil vom 2. Dezember 2011 -
V
ZR 119/11). Auf die Ausführungen in diesem Urteil wird Bezug genommen.
b) Einen daneben noch denkbaren Anspruch auf Schadensersatz haben die Kläger aus den oben dargelegten Gründen nicht schlüssig vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101
BGB.
Krüger
[X.]
Schmidt-Räntsch

Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.07.2010 -
24 C 436/09 -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 29.04.2011 -
6a [X.]/10 -

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Meta

V ZR 120/11

02.12.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2011, Az. V ZR 120/11 (REWIS RS 2011, 816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 816

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 120/11

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