Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2023, Az. III R 39/21

3. Senat | REWIS RS 2023, 7760

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Gegenstand

Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mieten für Standflächen bei Imbissbetrieben im Reisegewerbe


Leitsatz

1. Eine Hinzurechnung von Mieten für Standflächen eines im Reisegewerbe tätigen Imbissbetriebs nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes ist wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion unabhängig davon möglich, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Verkaufsflächen arbeiten.

2. Auch eine regelmäßig nur für kurze Zeit erfolgende Anmietung von unterschiedlichen Standflächen bewirkt deren Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen, wenn sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen darstellt.

3. Eine Umqualifizierung von Mieten für Standflächen in Herstellungskosten der angebotenen Produkte scheidet aus, wenn die Aufwendungen bei einer Gesamtbetrachtung unter das Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten fallen (§ 255 Abs. 2 Satz 4 des Handelsgesetzbuchs).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 16.11.2021 - 1 K 854/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist gewerblich tätig, indem sie mit Verkaufsständen an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen in Form von zubereiteten Speisen. erbringt. Für die Verkaufsstände mietet sie kurzzeitig --jeweils für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen-- Standplätze auf Märkten, Festivals und anderen Veranstaltungen an. Die zu verkaufenden Speisen bereitet die Klägerin in den Ständen zu. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom stellen die Vermieter zur Verfügung.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) setzte den [X.] für 2014 und 2015 mit Bescheiden vom 16.12.2015 und vom 19.08.2016 jeweils erklärungsgemäß, unter Berücksichtigung des abweichenden Wirtschaftsjahres der Klägerin vom ... bis ... und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ... € (2014) und ... € (2015) fest. Dabei hatte die Klägerin Mietzinsen für Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des [X.] ([X.]) in Höhe von ... € (2014) und ... € (2015) berücksichtigt.

3

Nach den Feststellungen einer für 2013 bis 2015 durchgeführten Betriebsprüfung waren stattdessen Mieten --langfristige Anmietungen und [X.] in Höhe von ... € (2014) und ... € (2015) nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchst. e [X.] dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen.

4

Das [X.] setzte daraufhin unter Berücksichtigung dieser und anderer, nicht streitiger Feststellungen den [X.] mit Bescheiden vom 28.02.2019 jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung abweichend auf ... € (2014) und ... € (2015) fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 08.07.2021 als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage, mit der die Klägerin eine Herabsetzung der bei den Hinzurechnungen berücksichtigten Mieten um ... € (2014) und ... € (2015) begehrte, insoweit statt, als in den [X.] nicht offen ausgewiesene, aber tatsächlich angefallene und im Schätzungswege zu ermittelnde Betriebskosten in Höhe von ... € (2014) und ... € (2015) enthalten waren. Im Übrigen wies es die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2022, 1125 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

6

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und die Bescheide über den [X.] 2014 und 2015 vom 28.02.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.07.2021 dahingehend abzuändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von ... € (2014) und ... € (2015) nicht in die Bemessungsgrundlage für die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung fremder unbeweglicher Wirtschaftsgüter einbezogen werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung der Mieten für die von der Klägerin angemieteten Standplätze vorliegen.

1. Nach § 8 Nr. 1 [X.]ewSt[X.] in der in den Erhebungszeiträumen 2014 und 2015 geltenden Fassung werden dem [X.]ewinn aus [X.]ewerbebetrieb (§ 7 [X.]ewSt[X.]) ein Viertel der Summe aus den dort unter den Buchst. a bis f benannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des [X.]ewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt. [X.] wird dabei auch ein Viertel aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e [X.]ewSt[X.]).

Die Annahme des [X.], dass es sich bei den von der Klägerin mit den Veranstaltern oder [X.] in Bezug auf die Standplätze abgeschlossenen Verträgen ihrem wesentlichen rechtlichen [X.]ehalt nach um Mietverträge im Sinne des bürgerlichen Rechts handelt, wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch im Übrigen keine Rechtsfehler erkennen.

2. Zu Recht ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass die Standplätze bei unterstelltem Eigentum der Klägerin zu deren Anlagevermögen gehört hätten.

a) Die [X.]rundsätze, nach denen sich bestimmt, ob ein Wirtschaftsgut dem Anlagevermögen zuzuordnen wäre, hat der Senat im Urteil vom 25.07.2019 - III R 22/16 ([X.], 386, [X.], 51, Rz 21 ff., m.w.[X.]) und im Beschluss vom 23.03.2022 - III R 14/21 ([X.], 182, [X.] 2022, 559, Rz 18 ff.) ausführlich dargestellt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

b) Bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung der für die angemieteten Standplätze aufgewendeten Entgelte vorliegen.

aa) Da die Frage, ob die streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen zuzuordnen wären, anhand des konkreten [X.]eschäftsgegenstands und der speziellen betrieblichen Verhältnisse der Klägerin zu beantworten ist, kommt es insoweit entscheidend auf die tatsächlichen Feststellungen und die tatsächliche Würdigung des [X.] an. Hieran ist der [X.] ([X.]) gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht worden sind. Der [X.] ist an die Würdigung des [X.] schon dann gebunden, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa [X.]-Beschluss vom 05.07.2016 - X B 201/15, [X.]/NV 2016, 1572, Rz 20; [X.]-Urteil vom 13.12.2018 - V R 65/16, [X.]/NV 2019, 303, Rz 27). So verhält es sich im Streitfall.

bb) Wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion kommt es --entgegen der Auffassung der [X.] insbesondere nicht darauf an, ob es im Reisegewerbe [X.] gibt, die insoweit mit Eigenkapital, also mit in ihrem Eigentum stehenden Standplätzen, arbeiten, und ob die Klägerin eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Anmietung und einem Erwerb der Standplätze hat ([X.]-Urteil vom 08.12.2016 - IV R 24/11, [X.]E 256, 526, [X.] 2022, 276, Rz 16).

cc) Das [X.] hat auch den [X.]eschäftsgegenstand der Klägerin berücksichtigt und sich soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen orientiert.

(1) Nach den Feststellungen des [X.] dienen die Standflächen dazu, die mobilen Verkaufsstände der Klägerin aufzustellen und in diesen die Speisen zuzubereiten, den Besuchern der Veranstaltung oder des Marktes anzubieten und zu verkaufen. Die Klägerin ist danach auf die ständige Verfügbarkeit solcher Standflächen angewiesen, da es ihr sonst nicht möglich wäre, ihre Produkte an die Kunden zu verkaufen.

Soweit die Klägerin dagegen einwendet, sie sei nicht darauf angewiesen, Standplätze anzumieten, sondern könne auch mietfreie Flächen auf Parkplätzen vor Bürogebäuden, Kaufhäusern oder Baumärkten nutzen, hat das [X.] dies schon nicht festgestellt. Im Übrigen wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin im Streitjahr mehr als ... Standplätze zu erheblichen Kosten angemietet hat, wenn ihr gleich umsatzstarke kostenfreie Standplätze zur Verfügung gestanden hätten.

(2) Der Annahme von Anlagevermögen steht nicht entgegen, dass die Standplätze von der Klägerin regelmäßig nur für kurze Zeit --nach den Feststellungen des [X.] für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren [X.] angemietet wurden. Denn insoweit stellt sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen dar. Als Reisegewerbetreibende orientiert sich die Klägerin daran, dass sie ihre Verkaufsstände möglichst häufig auf umsatzstarken Standplätzen aufstellen kann. Insofern ist die Klägerin --anders als zum Beispiel ein Produktionsbetrieb, der seine Produkte nur für insgesamt wenige Tage im Erhebungszeitraum auf den dafür vorgesehenen Fachmessen präsentieren will (s. dazu den Fall im Senatsurteil vom 20.10.2022 - III R 35/21, [X.]/NV 2023, 714)-- nicht auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen, sondern kann vergleichbare Standplätze an verschiedenen Orten gegeneinander austauschen. Dabei ist es --entgegen der Auffassung der [X.] unerheblich, ob viele Veranstaltungen nicht regelmäßig oder nur in größeren Zeitabständen stattgefunden haben. Denn nach den betrieblichen Verhältnissen der Klägerin kommt es wegen der dargelegten Austauschbarkeit der Veranstaltung oder des Marktes nicht auf eine ganz bestimmte Veranstaltung oder einen ganz bestimmten Markt an. Auch wenn die Klägerin bestimmte besonders umsatzstarke Standplätze bevorzugen wird, könnte sie auf weniger attraktive Standplätze ausweichen, wenn sie beispielsweise unter mehreren Bewerbern nicht den Zuschlag für den Standplatz erhalten würde.

Insofern und in weiteren Punkten unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der dem Urteil des [X.] Düsseldorf vom 29.01.2019 - 10 K 2717/17 [X.], Zerl (E[X.] 2019, 544) zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation, die die Klägerin als Vergleichsfall fruchtbar machen will. Denn die dortige Klägerin nahm nur alle [X.] an einer bestimmten Fachmesse für ihre Produkte teil und diese Fachmesse erstreckte sich nur auf einen Zeitraum von fünf Tagen.

Ebenso wenig greift der Einwand der Klägerin durch, die angemietete Fläche fließe entsprechend den im Senatsurteil vom 25.07.2019 - III R 22/16 ([X.], 386, [X.], 51) formulierten [X.]rundsätzen als [X.] in das von ihr vertriebene [X.]esamtprodukt ein und verbrauche sich, wenn der Kunde dieses verzehrt oder den Stand verlassen habe. In dem vom Senat entschiedenen Reiseveranstalter-Fall stellte die kurzfristige Anmietung bestimmter Hotelzimmer kein Surrogat für eine langfristige Nutzung eines solchen Hotelzimmers dar. Vielmehr kam es auf die konkrete Lage des Hotels an, da es in Abhängigkeit von der angebotenen Sportreise angemietet wurde.

Dass die Annahme von Anlagevermögen mit dem Betrieb eines [X.] generell nicht vereinbar sei, lässt sich den von der Klägerin zitierten Literaturstellen entweder schon nicht entnehmen oder beruht auf einer unzureichenden Beachtung der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion ([X.] in [X.]/[X.], [X.]ewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Buchst. e, Rz 17 und 17a; [X.]erritzen/Matheis, [X.] --DStR-- 2013, 236, 238, die vielmehr auch die kurzfristige Präsenz auf einer Fachmesse von einer Wanderveranstaltung abgrenzen; [X.], [X.], 296; [X.]/[X.], [X.], 645).

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Fall dem vom [X.] mit Urteil vom 25.10.2016 - I R 57/15 ([X.]E 255, 280, [X.] 2022, 273) entschiedenen Fall vergleichbar sei. Auch wenn die Standflächen --wie von der Klägerin [X.] bei einem Überangebot an Bewerbern nach § 70 Abs. 3 der [X.]ewerbeordnung oder im Losverfahren verteilt worden sein sollten, blieben sie untereinander vergleichbar und austauschbar. Denn die Klägerin entschied selbst darüber, nach welchen Kriterien sie die verschiedenen Standplätze bewertete und um welche Standplätze sie sich bewarb. Sie war nach ihrem [X.]eschäftszweck auf das ständige Vorhandensein entsprechender, vergleichbarer Standplätze angewiesen. Hingegen war die Klägerin in dem im Urteil vom 25.10.2016 - I R 57/15 ([X.]E 255, 280, [X.] 2022, 273) entschiedenen Fall von der Auswahlentscheidung ihres Kunden abhängig.

3. Schließlich gehören die Mietzinsen entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht zu den Herstellungskosten der von der Klägerin vertriebenen Produkte und sind deshalb auch aus diesem [X.]rund nicht von der Hinzurechnung ausgeschlossen.

a) Nach dem Einleitungssatz des § 8 [X.]ewSt[X.] werden die in der nachfolgenden Aufzählung genannten Beträge nur hinzugerechnet, "soweit sie bei der Ermittlung des [X.]ewinns abgesetzt worden sind". Der betreffende Aufwand muss deshalb bei der [X.] [X.]ewinnermittlung eine Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes darstellen (vgl. [X.]-Urteil vom 11.12.1997 - IV R 92/96, [X.]/NV 1998, 1222, unter 1. und 2.). Eine [X.]ewinnabsetzung liegt dagegen nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht (Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, [X.]E 269, 342, [X.] 2022, 279, Rz 22; [X.]-Urteil vom 20.05.2021 - IV R 31/18, [X.]/NV 2021, 1367, Rz 16). Insoweit werden auch Miet- und Pachtzinsen vom [X.] nicht mehr erfasst, soweit sie in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeflossen sind (Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, [X.]E 269, 342, [X.] 2022, 279, Rz 27). Die Umqualifizierung der Mietaufwendungen in Herstellungskosten hängt nicht davon ab, ob es sich um Herstellungskosten von Anlagevermögen oder von Umlaufvermögen handelt. Sind Miet- oder Pachtzinsen den Herstellungskosten von Umlaufvermögen zuzuordnen, können sie nicht mehr als Miet- oder Pachtzinsen zu einer [X.]ewinnminderung führen (Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, [X.]E 269, 342, [X.] 2022, 279, Rz 28). Das gilt selbst dann, wenn keine Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag stattgefunden hat, weil die Wirtschaftsgüter bereits unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind (Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, [X.]E 269, 342, [X.] 2022, 279, Rz 30).

b) Der handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff ist unabhängig von der Art der Einkünfte und der Art ihrer Ermittlung auch für das Einkommensteuerrecht maßgebend (Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, [X.]E 269, 342, [X.] 2022, 279, Rz 32). Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (H[X.]B) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von [X.]ütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des [X.] des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist (§ 255 Abs. 2 Satz 2 H[X.]B). Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden (§ 255 Abs. 2 Satz 4 H[X.]B).

Das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 Satz 4 H[X.]B betrifft neben den Einzelkosten des Vertriebs auch die Vertriebsgemeinkosten ([X.] in [X.]roßkomm H[X.]B, 6. Aufl., § 255 Rz 37; Tiedchen in [X.] Kommentar zum Bilanzrecht, 1. Aufl. 2013 § 255 H[X.]B Rz 116, m.w.[X.]). Der [X.]rund für das Einbeziehungsverbot von Vertriebskosten ist im [X.] (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 H[X.]B) und im Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 H[X.]B) zu suchen, da diese Kostenbestandteile von zweifelhafter Werthaltigkeit sind und der eigentliche Wertsprung erst mit der tatsächlichen Umsatzrealisation erfolgt ([X.], Der Umfang der Herstellungskosten im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 1997, S. 171 f., m.w.[X.]; [X.]/[X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Thiele, Bilanzrecht, § 255 H[X.]B Rz 201, m.w.[X.]). Daher ist im [X.] zwischen Herstellungs- und Vertriebskosten der Werthaltigkeit der Kostenbestandteile besonderes [X.]ewicht beizumessen. Ist eine überwiegende Zuordnung zum Fertigungsbereich oder die Werthaltigkeit nicht gegeben, so ist aufgrund der expliziten Regelung in § 255 Abs. 2 Satz 4 H[X.]B und des im Bilanzrecht verankerten [X.]s das Einbeziehungsverbot verbindlich; dieses Verbot gilt auch für alle Zweifelsfälle (zum Beispiel gleiche Nutzung im Herstellungs- und Vertriebsbereich bei nicht gewährleisteter Werthaltigkeit, [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 6 ESt[X.] Rz 250; s. dazu auch MüKoH[X.]B/Ballwieser, 4. Aufl., § 255 Rz 82).

c) Dies zugrunde gelegt, sind die Mietaufwendungen für die von der Klägerin für ihre Verkaufsstände genutzten Standflächen nicht als Teil der Herstellungskosten der von ihr verkauften Waren, also von Umlaufvermögen, zu qualifizieren, weil sie jedenfalls weit überwiegend den unter das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 Satz 4 H[X.]B fallenden Vertriebskosten zuzuordnen und von zweifelhafter Werthaltigkeit sind.

Die Klägerin macht geltend, die Standmieten würden aufgewendet werden, um in den Verkaufsständen die von ihr angebotenen Speisen herzustellen. Von den in § 255 Abs. 2 Satz 2 H[X.]B genannten Kostenkategorien käme allenfalls eine Qualifikation als Fertigungsgemeinkosten in Betracht. Hierunter versteht man allerdings Aufwendungen, die mit der technischen Herstellung des Produkts zusammenhängen (s. etwa die Beispiele bei [X.] in [X.]roßkomm H[X.]B, 6. Aufl., § 255 Rz 34 und in [X.] 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012) und die zudem von den nicht in die Herstellungskosten einbeziehungsfähigen Vertriebskosten abzugrenzen sind (Senatsurteil vom 03.03.1978 - III R 30/76, [X.]E 125, 70, [X.] 1978, 412, unter 3., m.w.[X.]).

Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Standmieten verschiedenen Zwecken dienen. Soweit die Klägerin die Stände nutzt, um potentielle Kunden anzusprechen, die Produkte zu präsentieren, Bestellungen entgegenzunehmen und den Verkaufsprozess abzuwickeln, betrifft dies die Vermarktung und nicht die Herstellung des Produkts (vgl. auch Senatsurteil vom 29.03.1976 - III R 171/72, [X.]E 118, 514, [X.] 1976, 409, unter 2., wonach schon rein äußerlich zum Verkauf gehörende Vorgänge keinen Teil des Fertigungsprozesses darstellen). Ebenso wenig stellt die Lagerung von Vorprodukten in den Ständen einen Teil des Herstellungsprozesses dar. Aber auch die Zubereitung der Speisen selbst dient nicht nur deren technischer Herstellung, sondern zugleich der Präsentation der frischen Zubereitung gegenüber dem Publikum und damit der Kundengewinnung. Zudem ist bezogen auf den rein technischen [X.] zweifelhaft, inwiefern sich die Standmieten überhaupt im Wert der zubereiteten Speisen niederschlagen und nach welchem Maßstab eine am Wertzuwachs orientierte Umlegung der Standmieten auf die Herstellungskosten der Produkte erfolgen könnte. Somit unterfallen die Standmieten unter Berücksichtigung des primären und dominierenden Zwecks der Aufwendungen, der zweifelhaften Werthaltigkeit für die angebotenen Produkte und der mangelnden Aufteilbarkeit zwischen dem Herstellungs- und dem Vertriebsbereich dem Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 Satz 4 H[X.]B.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 39/21

12.10.2023

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 16. November 2021, Az: 1 K 854/21, Urteil

§ 8 Nr 1 Buchst e GewStG 2002, § 255 Abs 2 S 1 HGB, § 255 Abs 2 S 2 HGB, § 255 Abs 2 S 4 HGB, GewStG VZ 2014, GewStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2023, Az. III R 39/21 (REWIS RS 2023, 7760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7760

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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