Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 501/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5256

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Gegenstand

Verdeckte Gewinnausschüttung: Abzug der für Schmiergeldzahlungen aufgewandten Geldmittel; Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch das Ausstellen von Scheinrechnungen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 5. Juli 2021 aufgehoben,

a) betreffend diesen Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen

aa) in dem Fall 22 und 27 sowie in dem Fall 28 der Urteilsgründe; jedoch bleiben die Feststellungen zur Hinterziehung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer durch die [X.] für das [X.] aufrecht erhalten;

bb) im gesamten Strafausspruch;

b) betreffend den Mitangeklagten [X.],

aa) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit er in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit;

c) betreffend den Mitangeklagten [X.].   ,

aa) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit er in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit;

cc) im Ausspruch über die Einziehung.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hatte den Angeklagten [X.]     im ersten Rechtsgang wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Den Mitangeklagten [X.]     hatte es wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Mitangeklagten [X.].     wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Von den Strafen hatte das [X.] jeweils wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt erklärt. Gegen den Mitangeklagten [X.].    hatte das [X.] zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 204.667,92 Euro angeordnet. Auf die Revisionen der Mitangeklagten [X.]     und [X.].     hat der Senat das Urteil unter Erstreckung auf den Angeklagten [X.]     teilweise aufgehoben (Beschluss vom 5. September 2019 – 1 StR 12/19).

2

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      nunmehr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.].   hat das [X.] wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]      wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen eine solche von einem Jahr und vier Monaten verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Von den Strafen hat das [X.] wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung jeweils drei Monate als vollstreckt erklärt und jeweils die Vollstreckung der „verbleibenden“ Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das [X.] den Mitangeklagten [X.].  und [X.]    auf die Dauer von drei Jahren die Fähigkeit aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und gegen den Mitangeklagten [X.].   die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 128.313,87 Euro angeordnet.

3

Der Angeklagte [X.]     wendet sich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zugunsten der Mitangeklagten [X.].   und [X.]     – den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

4

1. [X.] [X.]   führt in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils.

5

a) Der Schuldspruch des Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in dem Fall 21 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

6

b) Demgegenüber haben die Verurteilungen in dem [X.] begangenen – Fall 22 und 27 sowie in dem Fall 28 der Urteilsgründe und die Einzelstrafe in dem Fall 21 der Urteilsgründe keinen Bestand.

7

aa) Der Angeklagte leistete durch das Ausstellen von Scheinrechnungen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den [X.] (Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung der [X.] 2007) und 28 (Einkommensteuer des Mitangeklagten [X.].    2009) sowie [X.] zu den [X.] (Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung der [X.] 2008) und 27 (Einkommensteuer des Mitangeklagten [X.].   2008) der Urteilsgründe.

8

Nach den Feststellungen des [X.]s zu der Hinterziehung der Einkommensteuer des Mitangeklagten [X.].   für die [X.] und 2009 flossen dem Mitangeklagten [X.].    verdeckte Gewinnausschüttungen zu, ohne dass er diese in den von ihm abgegebenen Einkommensteuererklärungen für die [X.] (Fall 27 der Urteilsgründe) und 2009 (Fall 28 der Urteilsgründe) als Kapitaleinkünfte offenlegte. Das [X.] ist bei der Schätzung der dem Mitangeklagten [X.].   aus den durch die – von dem Angeklagten ausgestellten – Scheinrechnungen der [X.] bzw. später [X.] generierten Barmitteln zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen von dem Gesamtvolumen der Scheinrechnungen ausgegangen und hat davon die Geldmittel für – im Wege der Schätzung ermittelte – Schwarzlöhne an Arbeitnehmer und Provisionszahlungen an den Angeklagten abgezogen. Nicht berücksichtigt hat das [X.] dabei allerdings rechtsfehlerhaft die für Schmiergeldzahlungen aufgewandten Geldmittel, die ebenfalls bei der Bestimmung der Höhe der dem Mitangeklagten [X.].   zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen in Abzug zu bringen waren (vgl. Beschluss vom 5. September 2019 – 1 StR 12/19 Rn. 27). Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Urteils des [X.]s im ersten Rechtsgang wurden die Scheinrechnungen bei der [X.] als laufende Betriebsausgaben verbucht, um so die Entnahme von liquiden Mitteln aus der [X.] zu verschleiern und das so generierte Bargeld einerseits für die Lebenshaltungskosten des Mitangeklagten [X.].   und von dessen Angehörigen sowie andererseits für Schwarzlöhne und Bestechungsgelder einzusetzen (Urteil des [X.] vom 23. Juli 2018 – 9 [X.], [X.], 77 f.). Demgemäß hat das [X.] den [X.] in den [X.] und 28 der Urteilsgründe fehlerhaft bestimmt.

9

bb) Aufgrund dieses Rechtsfehlers kann bereits der Schuldspruch in dem Fall 28 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Berücksichtigung der geleisteten Schmiergeldzahlungen dem Mitangeklagten [X.].  letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind. Auch der Schuldspruch in dem [X.] abgeurteilten – Fall 22 und 27 der Urteilsgründe ist aufzuheben. Zwar ist der Schuldumfang der Beihilfe zu Fall 22 der Urteilsgründe (Körperschaft- und Gewerbesteuer der [X.] für das [X.]) rechtsfehlerfrei bestimmt (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 EStG); die [X.] hierzu abgeurteilte Beihilfe zu Fall 27 der Urteilsgründe führt jedoch auch insofern zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 18. August 2020 – 1 [X.] Rn. 8 mwN).

cc) Darüber hinaus haben die Einzelstrafen in allen Fällen (Fälle 21, 22 und 27 sowie 28 der Urteilsgründe) auch deshalb keinen Bestand, weil das [X.] die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen nicht rechtsfehlerfrei begründet hat. Das [X.] hat für Fall 21 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten, für den [X.] verwirklichten Fall der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den [X.] und 27 eine solche von fünf Monaten und für Fall 28 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt. Zur Begründung, dass die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unerlässlich im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB sei, hat das [X.] unter anderem ausgeführt, dass sich die Hinterziehungen in den vorbezeichneten Fällen nahtlos in das bei den weiteren Taten vom Angeklagten gezeigte Verhalten einfügten ([X.]). Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und keine weiteren Taten des Angeklagten ersichtlich oder vom [X.] festgestellt sind, ist diese Bewertung nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft.

c) Die Aufhebung der Verurteilung in dem Fall 28 und in dem [X.] verwirklichten – Fall 22 und 27 der Urteilsgründe sowie des Strafausspruchs in Fall 21 entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Sie lässt aber die ohne Rechtsfehler ergangene Kompensationsentscheidung unberührt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 1 [X.] Rn. 19 mwN). Die den [X.] sowie 28 zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler betroffen und daher ebenfalls aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die dem [X.] zu Fall 27 verwirklichten Fall 22 zugrunde liegenden – und teilweise ohnehin bindenden – Feststellungen zur Hinterziehung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer durch die [X.] für das [X.] sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrecht erhalten bleiben.

2. Die Entscheidung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten [X.].   und [X.]   zu erstrecken, soweit der Mitangeklagte [X.].   in den [X.] und 28 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung und der Mitangeklagte [X.]    wegen Beihilfe zu diesen Steuerhinterziehungstaten verurteilt worden ist. Vor dem Hintergrund, dass für beide Fälle nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Mitangeklagten [X.].  bei Berücksichtigung der geleisteten Schmiergeldzahlungen letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind und damit keine Steuern verkürzt worden sind, ist betreffend der Mitangeklagten jeweils die Verurteilung in diesen Fällen aufzuheben.

Dies bedingt die Aufhebung der sie betreffenden Aussprüche über die Gesamtstrafen und über den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit gemäß § 45 Abs. 2 StGB, § 375 Abs. 1 AO.

Hinsichtlich des Mitangeklagten [X.].   konnte zudem die Einziehungsentscheidung nicht bestehen bleiben, da sich die vom [X.] angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen auf die der Aufhebung unterliegenden Taten (Fälle 27 und 28 der Urteilsgründe) bezieht.

Raum     

      

Bär     

      

Hohoff

      

Leplow     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 501/21

06.04.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 5. Juli 2021, Az: 21 KLs 4/20

§ 370 AO, § 8 Abs 3 KStG, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 501/21 (REWIS RS 2022, 5256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5256

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1 StR 12/19

1 StR 247/20

1 StR 464/17

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