Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. XII ZB 465/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1952

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 465/11

vom

26. Oktober 2011

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§
3, 511, 522, 888

a)
Allein aus der Festsetzung des Streitwertes für eine [X.]sklage auf über 600

nicht darauf schließen, dass das erstinstanzliche Gericht auch von einer entsprechend hohen Beschwer auf Seiten der zur [X.] verurteilten [X.] ausgegangen ist und deshalb keine Veranlassung gese-hen hat, die Berufung nach §
511 Abs.
4 ZPO zuzulassen (im [X.] an [X.] Beschluss vom 15.
Juni 2011 -
II
[X.]
20/10
-
NJW 2011, 2974 Rn.
16).

b)
Ist eine [X.] dazu verurteilt worden, über die Einkommensverhältnisse ei-nes [X.] [X.] zu erteilen, der seinerseits zur [X.]serteilung nicht bereit ist,
ist im Rahmen der Beschwer der Kostenaufwand für eine entspre-chende Rechtsverfolgung zu berücksichtigen.

[X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011 -
XII [X.] 465/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 26.
Oktober
2011
durch die Richter Dose, Weber-Monecke, Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Günter
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der Beschluss des 7.
Zivilsenats -
Familiensenat
-
des [X.]s [X.] vom 21.
März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Be-schwerdegericht zurückverwiesen.
[X.]: bis 1.200

Gründe:
I.
Die Beklagte wendet sich gegen die Verpflichtung, [X.] zu erteilen.
Die [X.]en sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind zwei, 1989 und 1991 geborene,
Kinder hervorgegangen. Der Kläger wird von der [X.] B.

auf Kindesunterhalt aus zwei Unterhaltstiteln in einer Gesamthöhe von monat-lich rund 348

Er hat die Beklagte auf [X.] mit der Begründung in Anspruch genommen, er benötige die [X.] über die Einkünfte der [X.] und ihres Lebensgefährten zur Berechnung seines 1
2
-
3
-
Haftungsanteils bezüglich des Kindesunterhalts für eine von ihm erwogene Ab-änderungsklage.
Das Amtsgericht, das den Streitwert auf 1.500

hat die Beklagte verurteilt, [X.] über "ihr Vermögen"
zu erteilen, unter anderem durch Vorlage ihrer Einkommensnachweise für die Monate Mai 2008 bis ein-schließlich April 2009 sowie durch Vorlage der Einkommensnachweise ihres Lebensgefährten für denselben Zeitraum. Das [X.] hat den Beru-fungsstreitwert auf 500

gesetzt und -
demgemäß
-
die Berufung der [X.] als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] findet auf das Verfahren das bis zum 31.
August 2009 geltende Recht Anwendung, da der Rechtsstreit zuvor [X.] geworden ist.
1. Die Rechtsbeschwerde der [X.] ist gemäß §§
522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft.
Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei im Hinblick auf die Wertgrenze des §
511 Abs.
2 Nr.
1 ZPO unzulässig, ver-letzt die Beklagte in ihrem aus dem Rechtsst[X.]tsprinzip abzuleitenden Verfah-rensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Dieses Verfah-3
4
5
6
7
-
4
-
rensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sach-gründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse
vom 6.
April 2011 -
XII
[X.]
553/10
-
FamRZ 2011, 966 Rn.
9
und vom 2.
April 2008

XII
[X.]
189/07
-
FamRZ 2008, 1338 Rn.
8 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungs-gericht allerdings nicht gehalten, eine Entscheidung über die Zulassung der [X.] gemäß §
511 Abs.
4 ZPO nachzuholen.
[X.]) Das Berufungsgericht hat nach der Rechtsprechung des [X.] -
bevor es die Berufung mangels ausreichender
Beschwer verwerfen darf
-
eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach §
511 Abs.
4 ZPO
zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlege-nen [X.] ausgegangen ist, die 600

23.
März 2011 -
XII
[X.]
436/10
-
FamRZ 2011, 882 Rn.
14 mwN; [X.] Be-schluss vom 15.
Juni 2011 -
II
[X.]
20/10
-
NJW 2011, 2974 Rn.
14
mwN).
[X.]) Eine solche Konstellation liegt dem Streitfall jedoch nicht zugrunde. Zwar hat das Amtsgericht den Streitwert auf 1.500

r-sagt diese Festsetzung als Anknüpfungspunkt für die Annahme, das erstin-stanzliche Gericht sei deswegen von einer entsprechenden Beschwer der [X.] und mithin vom Vorliegen der Voraussetzungen des §
511 Abs.
2 Nr.
1 ZPO ausgegangen. Denn bei der [X.]sklage fallen der Streitwert der Klage und die Beschwer des verurteilten [X.] in aller Regel auseinander. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des [X.] an der Erteilung der [X.]. Dieses ist nach einem gemäß §
3 ZPO zu schätzenden Teilwert des 8
9
10
11
-
5
-
Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information die-nen soll. Demgegenüber richtet sich die Beschwer des zur Erteilung der [X.] verurteilten [X.] nach seinem Interesse, die [X.] nicht erteilen zu müssen.
Ebenso wenig lässt sich aus der Angabe des §
708 Nr.
11 ZPO in den Entscheidungsgründen
darauf schließen, dass das Amtsgericht eine Entschei-dung über die Zulassung der Berufung für entbehrlich gehalten hat. Nach §
708 Nr.
11 ZPO sind (andere)
Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250

e-gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde jedoch nicht, dass das Amtsgericht von einer über 600

Denn auch bei [X.] darunter
liegenden Beschwer wäre §
708
Nr.
11 ZPO anzuwenden gewe-sen. Vielmehr spricht der Umstand, dass das Amtsgericht keine Abwendungs-befugnis gemäß §
711 ZPO ausgesprochen hat, dafür, dass seiner Auffassung nach die Voraussetzungen, unter denen
ein Rechtsmittel gegen das Urteil statt-findet, unzweifelhaft nicht vorlagen (vgl. §
713 ZPO).
b) Die Rechtsbeschwerde ist indessen begründet, weil das Berufungsge-richt
die Beschwer ermessensfehlerhaft zu niedrig festgesetzt hat.
[X.]) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Wert des [X.] richte sich bei einer zur [X.] verurteilten [X.] nach deren [X.], die [X.] nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses [X.] komme es, soweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht zu erkennen sei, auf den Zeit-
und Arbeitsaufwand an, den
die sorgfältige Erteilung der geschuldeten [X.] verursache. Der Zeit-
und Kostenaufwand sei vorliegend
mit
nicht höher als 500

Soweit die Beklagte auch 12
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14
-
6
-
verpflichtet
sei, über die Einkommensverhältnisse ihres Lebensgefährten [X.] zu erteilen, sei sie nicht zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden. Für die zu erteilende [X.] bedürfe es lediglich der geordneten Zusammen-stellung der sich bei der [X.] befindlichen Unterlagen. Da sich die [X.] der [X.] auf ihr eigenes unterhaltsrechtliches Einkommen beziehe, könne für den Streitwert auch nicht auf eventuell entstehende Gerichtskosten für Verfahren gegen dritte Personen abgestellt werden.
[X.]) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
(1) Allerdings hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, dass für die Bemessung des Wertes des [X.] bei der Verurteilung zur [X.]serteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die [X.] nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist
auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den
die sorgfältige Erteilung der geschuldeten [X.]
erfordert
(Senatsbeschluss vom 23.
März 2011 -
XII
[X.]
436/10
-
FamRZ
2011, 882 Rn.
9 mwN).
Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung einge-räumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf
überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschlüsse vom 14.
Februar 2007 -
XII
[X.]
150/05
-
FamRZ 2007, 711 Rn.
9; vom 3.
November 2004 -
XII
[X.]
165/00
-
FamRZ 2005, 104, 105; [X.]Z 155, 127 =
FamRZ 2003, 1267, 1268 und vom 24.
Juli 2002 -
XII
[X.]
31/02
-
FamRZ 2003, 597).
(2) Letzteres ist hier der Fall. Das Berufungsgericht
hat den
von der [X.] im Einzelnen dargelegten, mit
ihrer Verpflichtung, Einkommensbelege 15
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17
18
-
7
-
ihres Lebensgefährten vorzulegen, einhergehenden und zu erwartenden [X.] bei der Wertbemessung ersichtlich nicht berücksichtigt.
Vor allem ist es nicht auf den -
unter Beweis gestellten
-
Vortrag der [X.] eingegan-gen, wonach ihr Lebensgefährte nicht bereit sei, ihr seine Einkommensbelege vorzulegen und sie über die Höhe seiner Einkünfte zu informieren, weshalb sie ihren Lebensgefährten gerichtlich in Anspruch nehmen
müsse, um dem Urteil des Amtsgerichts zu genügen.
Anders lassen sich die Ausführungen des [X.], wonach
es für die erteilende [X.] lediglich der geordneten Zusammenstellung "der sich bei der [X.] befindlichen Unterlagen"
[X.], nicht erklären.
Das Berufungsgericht
hätte sich mithin die Frage vorlegen müssen, wel-chen Kostenaufwand diese -
im Rahmen der Rechtsbeschwerde zu unterstel-lende
-
Weigerung ihres Lebensgefährten erwarten lässt, will die Beklagte ihrer Verurteilung zur [X.]serteilung gerecht werden.
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang [X.] hin, dass der Kostenaufwand für die Prozessführung gegen den [X.], über dessen Verhältnisse die Beklagte [X.] erteilen soll, schon wegen der Unsicherheit
der Realisierung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruches eine Beschwer in entsprechender Höhe begründet.
Hinzu kommt, dass die [X.] mit ihrer Klage aller Voraussicht nach ohnehin unterliegen würde, weil für das Bestehen eines [X.]sanspruchs gegen den Lebensgefährten nichts ersichtlich ist. Geht man mithin davon aus, dass die Kosten für die [X.]s-klage von der [X.] aufzubringen sind, läge ihre Beschwer unter Hinzu-rechnung der vom [X.] (ohne Berücksichtigung dieses Aufwan-des) festgesetzten 500

19
20
-
8
-
Auch wenn die [X.]sklage nach dem Vorgesagten wenig Aussicht auf Erfolg haben dürfte, ist
es der [X.] nicht zu versagen, sich auf die Kosten eines solchen [X.]sverfahrens für ihre Beschwer zu berufen. [X.] würde man ihr den Versuch
absprechen, die nach §
888 ZPO durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft
erfolgende Zwangsvoll-streckung abzuwenden
(vgl. zu der Anwendung des §
888 ZPO auch für die Vorlage von Belegen [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der [X.] 8.
Aufl. §
10 Rn.
354). Zwar kann der Schuldner auch im Vollstre-ckungsverfahren Unmöglichkeit einwenden. Er muss indessen zunächst alles Zumutbare unternommen haben, um die geschuldete Handlung vorzunehmen; erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung feststeht, darf eine [X.] nicht mehr verhängt werden ([X.] FamRZ
2007, 63, 64).
c) Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass das [X.] sein Ermessen bei der Bemessung der Beschwer fehlerhaft ausgeübt hat. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Gemäß §
577 Abs.
4 ZPO ist die Entscheidung aufzuheben 21
22
-
9
-
und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückzu-verweisen. Die Zurückverweisung wird dem Beschwerdegericht Gelegenheit geben, in seine Ermessensentscheidung über die [X.] sämtliche hier einschlägigen
Umstände einzubeziehen.
Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Schilling

Günter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.03.2010 -
1 F 320/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.03.2011 -
7 UF 97/10 -

Meta

XII ZB 465/11

26.10.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. XII ZB 465/11 (REWIS RS 2011, 1952)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1952

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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