Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.10.2010, Az. 7 B 22/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 2510

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Gegenstand

Nichtanrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union als Verfahrensmangel


Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen den der [X.]eigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Errichtung und zum [X.]etrieb des Kraftwerkblocks 5 (mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 750 MWth) auf deren [X.]etriebsgrundstück in [X.] Dieser wird von den Festsetzungen des [X.]ebauungsplans Nr. 110 ("nördlich der [X.]") erfasst, der mit dem [X.] "Kraftwerk" Flächen für Versorgungsanlagen ausweist. Die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem Grundstück des [X.] beträgt ca. 580 m.

2

Der Kläger erhob gegen die ausgelegten Pläne Einwendungen unter Verweisung auf die Schadstoff- und Lärmemissionen aus dem [X.]etrieb der Anlage. Die Festsetzungen des [X.]ebauungsplans würden nicht eingehalten. In unmittelbarer Nähe des Kraftwerks befinde sich eine Grundschule, deren Schüler besonderen [X.]elastungen ausgesetzt seien.

3

Die gegen den Vorbescheid erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Dieser verstoße nicht gegen dem Schutz des [X.] dienende Rechtsvorschriften. Von der geplanten Anlage gingen keine schädlichen Umweltauswirkungen auf das Grundstück des [X.] aus. Der streitgegenständliche [X.]escheid verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der [X.]ebauungsplan für den Kraftwerkstandort sei wirksam; erteilte [X.]efreiungen verletzten keine Nachbarrechte. Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie Darstellungen des Flächennutzungsplans begründeten im Regelfall keine Rechte Dritter.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

II.

5

Die [X.]eschwerde erweist sich bereits als unzulässig, da sie sich in Art einer [X.]erufungsbegründung in einer allgemeinen Kritik an der materiellen Richtigkeit des angegriffenen Urteils erschöpft (und insoweit insbesondere das Außerachtlassen der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme rügt), ohne einen der in § 132 Abs. 2 [X.] genannten Zulassungsgründe aufzuzeigen. Damit wird die [X.]eschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] nicht gerecht, wonach die grundsätzliche [X.]edeutung dargelegt bzw. die Divergenz oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden muss (vgl. [X.]eschluss vom 23. November 1995 - [X.]VerwG 9 [X.] 362.95 - [X.]uchholz 310 § 133 [X.] Nr. 20).

6

1. Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 [X.] die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll (stRspr, vgl. schon [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.>). Soweit die [X.]eschwerde sich auf eine klärungsbedürftige Frage bezieht, nimmt sie [X.]ezug auf die Umsetzung der [X.] (96/82/[X.], geändert durch Richtlinie 2003/105/[X.]) in nationales Recht und hieraus erwachsende behördliche Pflichten. Abgesehen davon, dass sich entgegen der [X.]eschwerde die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens angesichts des bestehenden [X.]ebauungsplans nicht nach § 34 [X.]auG[X.] richtet, hat das Oberverwaltungsgericht sich zur Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Art. 12 der [X.] nicht verhalten und hierzu folglich auch keine Feststellungen getroffen. Eine hierauf abhebende Frage würde sich in einem Revisionsverfahren daher nicht stellen.

7

2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des Gesetzes hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts aufgestellten, ebensolchen die Entscheidung des [X.]undesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 21. Juni 1995 - [X.]VerwG 8 [X.] 61.95 - juris Rn. 5 = [X.]uchholz 310 § 133 [X.] Nr. 18 und vom 13. Juli 1999 - [X.]VerwG 8 [X.] 166.99 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 [X.] Nr. 9). Hieran fehlt es wiederum im Hinblick auf den von der [X.]eschwerde benannten [X.]eschluss des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2009 - [X.]VerwG 4 C 5.09 - DV[X.]l 2010, 380). Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich mit der Thematik der [X.] nicht einmal ansatzweise befasst (vgl. zu dieser Voraussetzung [X.]eschluss vom 10. Februar 2000 - [X.]VerwG 11 [X.] 54.99 - juris Rn. 9 = [X.]uchholz 310 § 113 Abs. 1 [X.] Nr. 9). Des Weiteren ist der genannte Vorlagebeschluss des [X.]undesverwaltungsgerichts an den [X.] nicht divergenzfähig (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2010, § 132 Rn. 85; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 132 Rn. 64).

8

3. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.] ist schließlich nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 10. November 1992 - [X.]VerwG 3 [X.] 52.92 - [X.]uchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Die von der [X.]eschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 [X.]), dass nämlich das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf die im November 2009 von der [X.]eigeladenen vorgelegte Zusatzdarstellung zu den gas- und staubförmigen Emissionen der neuen Anlage hätte stützen dürfen, sondern seinerseits den schriftlichen Anträgen des [X.] entsprechend [X.]eweis hätte erheben müssen, bedürfte - um den genannten Anforderungen zu entsprechen - zusätzlicher Präzisierung. Insbesondere hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem [X.] in der mündlichen Verhandlung ein entsprechender förmlicher [X.]eweisantrag gestellt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne förmlichen [X.]eweisantrag von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. [X.]eschluss vom 6. März 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 81.94 - [X.]uchholz 310 § 86 Abs. 1 [X.] Nr. 265). Hieran fehlt es aber, wenn ein [X.]eweisantrag schriftsätzlich lediglich angekündigt, in der mündlichen Verhandlung dann aber nicht gestellt wird und das Gericht seinerseits die inhaltliche Richtigkeit der Zusatzdarstellung bei einer Fachbehörde hinterfragt hat.

9

Es begründet schließlich auch keinen Verfahrensmangel, wenn das [X.]erufungsgericht eine europarechtliche Frage nicht dem [X.] vorlegt (oder dessen Entscheidung zu einer bereits vorgelegten Frage abwartet) und es in seinem Urteil auch die Revision nicht zulässt ([X.]eschluss vom 22. Dezember 2004 - [X.]VerwG 10 [X.] 21.04 - juris Rn. 34 = [X.]uchholz 401.65 Nr. 8). Art. 267 Abs. 3 AEUV (vormals Art. 234 Abs. 3 [X.]V) verpflichtet das [X.]erufungsgericht zur Anrufung des Gerichtshofs der [X.] nur für den Fall, dass seine Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht weiter angefochten werden kann. Vorliegend ist hiergegen aber die streitgegenständliche [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft. Die Annahme der [X.]eschwerde, dass das [X.]erufungsgericht den Kläger [X.] entzogen hätte (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), scheidet daher aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 [X.]. Die [X.]eigeladene hat sich durch Antragstellung am [X.]eschwerdeverfahren beteiligt und damit ein Kostenrisiko übernommen (§ 154 Abs. 3 [X.]). Der [X.]illigkeit entspricht es daher, dem Kläger als unterlegener [X.] auch insoweit die Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 [X.]. § 52 Abs. 1 GKG. Der Ansatz des Streitwertes folgt aus Nr. 19.2 [X.]. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs vom 7./8. Juli 2004.

Meta

7 B 22/10

12.10.2010

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Dezember 2009, Az: 8 D 6/08.AK, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.10.2010, Az. 7 B 22/10 (REWIS RS 2010, 2510)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2510

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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