Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2021, Az. VII R 7/19

7. Senat | REWIS RS 2021, 7582

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Gegenstand

Außergerichtlicher Rechtsbehelf als Voraussetzung einer Untätigkeitsklage


Leitsatz

NV: Wurde gegen einen Einfuhrabgabenbescheid kein Einspruch eingelegt, ist eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässig.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.], [X.] vom 18.12.2018 - 11 K 2208/17 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) setzte gegen den Kläger und [X.] (Kläger) als Gesamtschuldner neben der in [X.] ansässigen [X.] mit Einfuhrabgabenbescheid vom 20.01.2012 Einfuhrabgaben fest.

2

Zusätzlich zur Versendung des [X.] an eine Adresse des [X.] in der [X.] wurde die [X.] auf der Grundlage von Art. 5 des Zusatzprotokolls über die gegenseitige Amtshilfe im [X.] (97/403/EG, [X.] Nr. L 169 vom 27.06.1997, [X.]. 77 - 84) zwischen der [X.] und [X.]erischen Eidgenossenschaft um Zustellung des [X.] an den Kläger unter der Anschrift M [X.]traße x in [X.] in [X.] ersucht. Mit Zustellungsbescheinigung vom 03.07.2012 bestätigte die Oberzolldirektion W, den [X.]escheid am 27.06.2012 dem Kläger unter der Anschrift "Kläger, c/o [X.], [X.]-[X.]traße x, [X.]" zugestellt zu haben. Der Kläger war bei der [X.] als Mitglied des Verwaltungsrats tätig und im [X.] Handelsregister eingetragen.

3

Da der Kläger lediglich eine Zahlung in Höhe von 307 € (am 23.06.2016) an die Zollbehörden leistete, richtete die [X.]undesstelle Vollstreckung Zoll am 18.04.2017 ein Ersuchen um Einziehung nach Art. 24 des Abkommens vom 26.10.2004 über die Zusammenarbeit zwischen der [X.] und ihren Mitgliedstaaten einerseits und [X.]erischen Eidgenossenschaft andererseits zur [X.]ekämpfung von [X.]etrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen ([X.]G[X.]l II 2008, 184, [X.] Nr. L 46 vom 17.02.2009, [X.]. 8-25), an die [X.]. Der Kläger wurde über dieses [X.] schriftlich informiert.

4

Daraufhin wandte er mit [X.]chriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2017 gegenüber dem [X.] ein, dass er den Einfuhrabgabenbescheid vom 20.01.2012 erstmals durch die Zustellung der Einziehungsverfügung im Rahmen der internationalen Amtshilfe durch Einschreiben des Finanzdepartements [X.] erhalten habe. Das [X.] wertete diesen [X.]chriftsatz als Einspruch gegen das [X.] an die [X.]erische Eidgenossenschaft, wies den Kläger mit [X.]chreiben vom 01.06.2017 auf diesen Umstand hin und gewährte ihm Gelegenheit zur [X.]tellungnahme. Nachdem sich der Kläger hierzu nicht geäußert hatte, verwarf das [X.] den Einspruch gegen das [X.] als unzulässig (vgl. Einspruchsentscheidung vom 23.06.2017).

5

Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Einfuhrabgabenbescheid sei rechtswidrig, weil er dem Kläger erst nach der durch Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex bestimmten Frist von drei Jahren für die Nacherhebung der Einfuhrabgaben bekannt gegeben worden sei. Das [X.] habe nicht nachgewiesen, dass der Einfuhrabgabenbescheid dem Kläger unter der Anschrift der [X.] in [X.] ([X.]) zugegangen sei. Das Zustellungszeugnis der Oberzolldirektion W sei nicht vollständig ausgefüllt worden; die Zustellung des [X.] im Zusammenhang mit der Zustellung der Einziehungsverfügung sei jedenfalls verfristet.

6

Das [X.] begründet seine Revision mit der Verletzung von [X.]undesrecht und beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen und schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.

8

Die [X.]eteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

1. Der Senat entscheidet gemäß §§ 121 Satz 1, 90 Abs. 2 [X.]O ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichtet haben.

2. Die Klage ist unzulässig.

Der [X.] ([X.]) hat von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren in jeder Verfahrenslage das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Klageverfahren zu prüfen ([X.]-Urteil vom 19.10.2017 - III R 25/15, [X.]/NV 2018, 546, m.w.N.).

Eine Klage ist abweichend von § 44 [X.]O ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (Untätigkeitsklage), wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (§ 46 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Eine Untätigkeitsklage gegen einen Einfuhrabgabenbescheid ist demnach nur dann zulässig, wenn ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 ff. der Abgabenordnung) anhängig und lediglich noch nicht abgeschlossen ist (vgl. auch Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 46 Rz 3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 46 [X.]O Rz 82). Vorliegend fehlt es an einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren.

a) Unabhängig davon, ob der streitgegenständliche Einfuhrabgabenbescheid dem Kläger tatsächlich bereits im Jahr 2012 zugegangen ist, hat er damals jedenfalls keinen Einspruch eingelegt.

b) Auch im [X.] hat der Kläger keinen Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid eingelegt.

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.05.2017 richtet sich gegen das [X.] und kann nicht als Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 20.01.2012 ausgelegt oder dahingehend umgedeutet werden. Denn der Prozessbevollmächtigte hat darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gegenstand seiner "Inanspruchnahme" der Antrag auf Einziehung einer Forderung gegenüber seinem Mandanten aufgrund des [X.] vom 20.01.2012 sei. Diese Erklärung ist maßgeblich, weil nach der [X.]-Rechtsprechung Rechtskundige, wie Angehörige der steuerberatenden Berufe oder Rechtsanwälte, mit ihren Erklärungen beim Wort zu nehmen sind (vgl. [X.]-Urteil vom 14.06.2016 - IX R 11/15, [X.]/NV 2016, 1676, Rz 25, m.w.N.).

Im Übrigen hat der Kläger auf den Hinweis des [X.], aus dem hervorgeht, dass es das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.05.2017 als Einspruch gegen das [X.] angesehen hat, nicht reagiert und insbesondere keinen Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid nachgereicht.

c) Soweit der Kläger vor dem [X.] zuletzt neben der Aufhebung des [X.] vom 20.01.2012 auch die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2017 beantragt hat, lässt sich daraus nicht schließen, dass ein außergerichtlicher Rechtsbehelf i.S. des § 44 Abs. 1 [X.]O gegen den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid anhängig ist, weil Gegenstand dieser Einspruchsentscheidung ausschließlich das [X.] vom 18.04.2017 und nicht der Einfuhrabgabenbescheid vom 20.01.2012 war.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VII R 7/19

23.03.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 18. Dezember 2018, Az: 11 K 2208/17, Urteil

§ 46 Abs 1 S 1 FGO, § 347 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2021, Az. VII R 7/19 (REWIS RS 2021, 7582)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7582

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