Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2019, Az. 1 StR 129/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3460

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Gegenstand

Einsatz von körperlicher Gewalt beim Raub: Abbremsen des Fahrzeugs des Geschädigten durch einen an der Ampel stehenbleibenden Pkw


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit der Revision, die er mit einer Verfahrens- sowie mit der Sachrüge begründet hat. Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel Erfolg.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Am 16. Juni 2018 forderte eine dem Angeklagten bekannte, aber nicht identifizierte Person namens     B.    diesen auf, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, für ihn einen Pkw anzumieten. Auf diese Aufforderung hin fuhr der Angeklagte mit     B.     und zwei weiteren, ihm bekannten Personen, zu einer Autovermietung. Auf die Frage des Angeklagten, wofür er den anzumietenden Pkw benötige, antwortete     B.     ihm, dass er und die zwei weiteren Personen einen Diebstahl begehen wollten. Man habe den Plan, eine Geldtasche aus dem stehenden Auto des [X.]    zu entwenden. Dass dieser über hohe Bargeldeinnahmen verfügte, war dem Angeklagten bekannt. Er hatte im Jahr 2017 selbst geplant, in das Privathaus des Geschädigten einzudringen, den [X.] aber damals wegen einer polizeilichen Kontrolle aufgegeben. Der Angeklagte ging zunächst davon aus, dass „die Täter an einer Ampel oder im Stau die [X.] des Zeugen [X.]    aufreißen, eine Tasche herausholen und wegrennen würden“ ([X.]). Er billigte diesen Plan, da keine Gewalt angewendet werden sollte, und mietete gegen 10.15 Uhr einen Pkw [X.], den er     B.     überließ.

4

Gegen 12.00 Uhr baten die zwei namentlich unbekannten Personen den Angeklagten, ihnen zusätzlich seinen Pkw [X.] zu überlassen. Sie würden „eventuell ein zweites Auto benötigen..., um dieses an einer Ampel vor das Auto des Zeugen [X.]    zu stellen, aus dem die Tasche gestohlen werden solle, damit dieses nicht nach vorne wegfahren könne, bzw. um das Auto des Zeugen [X.]    an einer Ampel abbremsen zu können“ ([X.]). Die beiden Personen versprachen dem Angeklagten einen Anteil an der [X.] in Höhe von 1.000 Euro. Auch dieser Bitte kam der Angeklagte nach und überließ den beiden zur Durchführung des geschilderten Tatplans sein Fahrzeug.

5

Tatsächlich entwendeten gegen 13.25 Uhr zwei Personen dem Geschädigten [X.]    einen Koffer mit insgesamt 22.330 Euro Bargeld aus dem Kofferraum, nachdem dieser seinen Pkw vor seinem Haus geparkt hatte. Um eine etwaige Gegenwehr des Zeugen [X.]    zu unterbinden, sprühte ein Täter ihm Pfefferspray ins Gesicht, als er gerade aussteigen wollte. Der weitere Täter nahm in Ausführung des gemeinsamen Tatplans den Koffer mit dem Bargeld an sich. Anschließend flüchteten beide mit dem vom Angeklagten angemieteten Pkw [X.].

6

2. Davon, dass es sich bei einem der zwei vor Ort handelnden Täter um den Angeklagten handelte oder dieser Kenntnis von dem geplanten Einsatz von Pfefferspray hatte, konnte sich das [X.] nicht überzeugen. Es geht aber davon aus, dass der Angeklagte aufgrund des ihm geschilderten Tatplans billigend in Kauf nahm, dass bei der Tatausführung Gewalt gegenüber dem Geschädigten angewendet werden würde. Diese sei in dem „Versperren des Weges bzw. in dem Erzwingen des [X.] durch ein Abbremsen mit dem zweiten Fahrzeug zu sehen“. Der zweite Pkw hätte sich als „unüberwindliches physisches Hindernis“ für den Geschädigten dargestellt, der durch das Versperren der Fahrbahn an einer Weiterfahrt bzw. Flucht und damit an einem körperlichen Widerstand gehindert gewesen sei. Eine Gegenwehr in Form des nach vorne Wegfahrens sei so „zumindest erschwert, wenn nicht gar ausgeschlossen gewesen“ ([X.] 28).

II.

7

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

1. Das [X.] ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die unbekannt gebliebenen Haupttäter sich gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht und der Angeklagte diese dabei unterstützt hat, indem er ihnen zwei Autos zur Verfügung stellte. Indes tragen die Feststellungen des [X.]s nicht die Annahme, der Gehilfenvorsatz des Angeklagten sei auf eine Haupttat in Form eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB gerichtet gewesen.

9

a) Gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist ein Raub gegeben, wenn der Täter mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der Einsatz eines qualifizierten [X.] im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB in Form der Gewalt gegen eine Person unterliegt in Abgrenzung zur einfachen Gewalt im Sinne der §§ 240, 253 StGB erhöhten Anforderungen (vgl. etwa [X.], StGB, 5. Aufl., § 240 Rn. 75; LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 7). Gewalt im Sinne des Tatbestandes des Raubs setzt eine unmittelbar oder mittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung voraus. Erforderlich ist, dass der Einsatz auch nur geringer Körperkraft durch den Täter eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer zur Folge hat. Lediglich psychisch vermittelter Zwang reicht dagegen nicht aus (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 4. Juni 2019 - 4 [X.] Rn. 5 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen lag in dem - nach der Vorstellung des Angeklagten - von den Haupttätern beabsichtigten Vorgehen keine Gewalt gegen die Person des Geschädigten vor.

aa) Nach den Feststellungen des [X.]s sollte sich der zweite eingesetzte Pkw im Bereich einer Ampel vor dessen Auto setzen und dieses entweder abbremsen oder bei Grünlicht stehen bleiben, so dass dem Geschädigten eine Weiterfahrt nach vorne nicht möglich sein würde. Auf Grundlage dieser Urteilsfeststellungen fehlt es bei der vom Angeklagten vorgestellten Verkehrssituation jedenfalls an einem körperlich wirkenden Zwang bei dem Geschädigten. Durch das langsame Abbremsen an einer Ampel oder das schlichte Stehenbleiben des Fahrzeugs bei „grün“ mangelt es jedenfalls an einer körperlichen Auswirkung bei dem Geschädigten. Eine Vollbremsung oder ein abruptes, starkes Abbremsen des Geschädigten, das gegebenenfalls eine körperliche Reaktion hätte auslösen können, war nach den Feststellungen nicht von dem Vorstellungsbild des Angeklagten umfasst. Die von dem vorliegenden Abbremsvorgang ausgehende Zwangswirkung geht mithin über einen lediglich psychisch vermittelten Zwang nicht hinaus.

bb) Darüber hinaus ist das von dem Angeklagten vorgestellte [X.] - so wie es das [X.] festgestellt hat - nicht durch körperliche Kraftentfaltung in Form der Blockade geprägt, sondern maßgeblich durch List, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit, um einen etwaigen Widerstand von vorneherein zu verhindern (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12. Dezember 1989 - 1 [X.] Rn. 6 mwN).

2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Beihilfe zum Raub. Eine Berichtigung des Schuldspruchs kommt nicht in Betracht, weil der [X.] nicht ausschließen kann, dass das neue Tatgericht Feststellungen treffen kann, die eine Bewertung des vom Angeklagten vorgestellten Tatgeschehens als Raub rechtfertigen und damit dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum Raub tragen würden.

3. Der [X.] hebt die bisherigen Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), damit das neue Tatgericht umfassende widerspruchsfreie Feststellungen treffen kann.

Raum     

        

Bellay     

        

Fischer

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 129/19

18.09.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aschaffenburg, 18. Dezember 2018, Az: 111 Js 6684/18 KLs

§ 240 StGB, § 249 Abs 1 StGB, § 253 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2019, Az. 1 StR 129/19 (REWIS RS 2019, 3460)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3460

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 StR 435/23

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4 StR 116/19

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