Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. 3 StR 210/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 303

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 [X.]
vom
12. Dezember 2013

Nachschlagewerk:

ja
[X.]St:

ja -
nur [X.] (Überschrift) Nr. 3
Veröffentlichung:

ja
________________________________

[X.] § 337 Abs. 1, § 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a

Allein auf der fehlenden oder fehlerhaften Protokollierung einer Belehrung ge-mäß §
257c Abs.
5, § 273 Abs. 1a Satz 2 [X.] kann das Urteil nicht beruhen.

[X.], Beschluss vom 12. Dezember 2013 -
3 [X.] ([X.])

in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: Unterstützung einer terroristischen [X.] im Ausland
u.a.

zu 2.: versuchten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der Beschwerde-führer und des [X.] -
zu
2. auf dessen Antrag -
am 12.
Dezember
2013 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten S.

S.

wird das Urteil des [X.] vom 17.
Dezember 2012, soweit es ihn betrifft, dahin ergänzt, dass er im Übrigen freigesprochen wird und die Staatskasse insoweit seine notwendigen Auslagen sowie die Kosten des Verfahrens trägt.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten S.

S.

und die Revision des Angeklagten J.

S.

werden verworfen.
3.
Der Angeklagte J.

S.

hat die Kosten seines Rechtsmittels, der Angeklagte S.

S.

die verbleiben-den Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten S.

S.

wegen Unterstützung einer terroristischen [X.] im Ausland in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Erwerb einer halbautomati-schen Kurzwaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun [X.] sowie den Angeklagten J.

S.

wegen versuchten Erwerbs 1
-
3
-
einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes sowie von Munition zu einer Gesamtgeldstrafe von 180
Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Be-währung ausgesetzt. Der Angeklagte S.

S.

erhebt mit seiner [X.] die allgemeine Sachrüge und eine Verfahrensrüge. Der Angeklagte J.

S.

begehrt mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision allein die Nachholung eines Teilfreispruchs. Während die Revision des Angeklagten S.

S.

insofern einen Teilerfolg erzielt, als bei ihm ein unterbliebener Teilfreispruch nachzuholen ist, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]).

A. Revision des Angeklagten S.

S.

I. Nach den Feststellungen und Wertungen des [X.]s för-derte der Angeklagte S.

S.

in mehreren Einzelfällen bewusst die "[X.]". Hierbei handelt es sich um eine von [X.] aus gesteuerte Gruppierung, die einen unabhängigen [X.] Khalistan sowie die Bewahrung des orthodoxen Sikh-Glaubens anstrebte und diese Ziele unter anderem durch Sprengstoffanschläge und die gezielte Ermordung von Gegnern zu erreichen suchte. Die nicht revidierenden Mitangeklagten B.

S.

und G.

S.

waren von [X.] 2009 bis zu ihrer Verhaftung im Juli 2010 in die Gruppierung eingeordnet, hatten regelmäßigen Kontakt zu de-ren damaliger Führungsperson R.

S.

und gestalteten unterschied-liche Aktionen mit. Der Angeklagte S.

S.

unterstützte sie und die Organisation im Einzelnen in folgender Weise: Spätestens seit September 2009 war er mit der Beschaffung von Handfeuerwaffen und Munition [X.]. Er beriet Anfang September 2009 G.

S.

und am 3.
November 2
3
-
4
-
2009 diesen sowie B.

S.

hinsichtlich verschiedener Waffen im Wissen, dass er die Mitangeklagten dadurch in die Lage versetzte, [X.] Waffen auch ohne seine weitere Mitwirkung zu erwerben und einzusetzen. Ferner erklärte er sich in einem Telefonat mit B.

S.

am 5.
Januar 2010 spontan bereit, notfalls persönlich nach [X.] zu reisen, um eine geplante Auskundschaftung verschiedener [X.] Militärstützpunkte zu unterstützen. Überdies beriet er am 2.
März 2010 im Rahmen eines Waffen-ankaufs B.

S.

telefonisch. Dieser erwarb schließlich -
ge-meinsam mit dem Angeklagten J.

S.

-
eine Schreckschusspisto-le, wobei alle drei davon ausgingen, dass es sich um eine halbautomatische Pistole handelte. Schließlich druckte der Angeklagte S.

S.

im April 2010 auf Anweisung einen Briefkopf der "[X.]" aus und stellte ihn B.

S.

zur Verfügung. Eine über diese einzelnen Tätigkeiten hinaus gehende dauerhafte Einbindung des Angeklagten S

S.

in die Verbandsstruktur der "[X.]" hat das Oberlan-desgericht nicht feststellen können.
Soweit der Angeklagte S.

S.

im Juli 2010 von dem [X.], einen Sektenführer in [X.] zu erschießen, und keine Maßnahmen ergriff, die von ihm abgelehnte Tat zu verhindern, ist das [X.] davon ausgegangen, dass eine Strafbarkeit wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten (§
138 Abs.
1 Nr.
5 oder Abs.
2 StGB) nicht in Betracht komme, weil die Strafverfolgungsbehörden durch Telefonüberwachungen bereits Kenntnis von der Planung gehabt hätten.
[X.] Die Rüge des Angeklagten S.

S.

, das [X.] habe "§§
257c Abs.
2, 4 und 5, 237
Abs.
1a [X.] in Verbindung mit dem Recht auf ein faires Verfahren" verletzt, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
4
5
-
5
-
1. Am 27.
Hauptverhandlungstag unterbreitete das [X.] den Angeklagten einen -
als Anlage zu Protokoll genommenen -
näher ausge-führten und begründeten "[X.] gemäß §
257c [X.]". Am 52.
Hauptverhandlungstag wurde laut (von der Revision insoweit nicht mitgeteil-tem) Protokoll festgestellt, dass unter anderem hinsichtlich des Angeklagten S.

S.

eine "verfahrensbeendende Absprache entsprechend §
257c [X.]" stattgefunden habe. Mit der Rüge beanstandet die Revision, dass sich aus dem Protokoll nicht ergebe, ob eine Verständigung zustande gekommen und eine Belehrung gemäß §
257c Abs. 5 [X.] erteilt worden sei. Zudem sei nicht dokumentiert, ob und wie die Angeklagten sich zu dem [X.] geäußert hätten. Überdies habe der gerichtliche Verständigungsvor-schlag einzelne Strafnormen zitiert, obschon der Schuldspruch nicht Gegen-stand der Verständigung sein dürfe.
2. Bereits unzulässig ist die Verfahrensrüge, soweit der [X.] beanstandet, das Zustandekommen einer Verständigung und der nähere Ablauf des vorangehenden Verfahrens seien nicht dokumentiert. Die Revision unterlässt es, die insofern zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen vollstän-dig vorzutragen. So teilt sie den die Verständigung betreffenden Inhalt des [X.] nicht abschließend mit, sondern verschweigt, dass laut Protokoll zum einen der Vorsitzende bereits am 26.
Hauptverhandlungstag über (nach Schluss des vorangegangenen Verhandlungstermins geführte) Besprechungen mit dem Ziel einer möglichen Verständigung berichtete und zum anderen später eine "verfahrensbeendende Absprache" festgestellt wurde. Die Kenntnis dieser Gesichtspunkte wäre indes für die Prüfung erforderlich, ob das Protokoll den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung in der nach §
273 Abs.
1a Satz
1 [X.] gebotenen Weise wiedergibt. Der lückenhafte Revisionsvortrag führt insoweit zur Unzulässigkeit der Rüge (vgl. [X.], [X.] vom 2.
November 2010 -
1 [X.], [X.]R [X.] §
344 Abs.
2 6
7
-
6
-
Satz
2 Anforderungen
1; vom 16.
April 1999 -
3 [X.]; [X.], Beschluss vom 25.
Januar 2005 -
2 BvR 656/99 u.a., [X.]E
112, 185, 208
f. [X.]).
3.
Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, aus dem Protokoll ergebe sich keine Belehrung des Angeklagten gemäß §
273 Abs.
1a Satz
2, §
257c Abs.
5 [X.], bleibt seine Verfahrensrüge ebenfalls erfolglos, da das Urteil auf dem geltend gemachten [X.] nicht beruhen kann (§
337 Abs.
1 [X.]).
a) Der Beschwerdeführer rügt, dass sich in der Sitzungsniederschrift [X.] Protokollierung einer gemäß §
257c Abs.
5 [X.] etwaig erteilten Belehrung finde. Damit ist Gegenstand der Verfahrensrüge allein die Frage einer [X.] Protokollierung; denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich -
auch bei einer Auslegung nach ihrem Gesamtzusammenhang -
nicht die Be-hauptung, dass eine Belehrung in der Hauptverhandlung tatsächlich unterblie-ben ist, und dieser Gesichtspunkt von der Urteilsanfechtung umfasst sein soll.
aa) Die Revisionsbegründung muss bei der Rüge der Verletzung einer Verfahrensnorm die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen angeben (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit etwa [X.], Beschluss vom 12.
November 1984 -
2 BvR
1350/84, NJW
1985, 125, 126). Nur in diesem Umfang ist das Revisionsgericht überhaupt zu eigener Prü-fung berechtigt (§
352 Abs.
1 [X.]). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dem Vorbringen in der Revisionsbegründung, ein bestimmter Verfahrens-vorgang sei nicht protokolliert worden, regelmäßig nicht die Behauptung zu [X.] ist, dieser Verfahrensvorgang habe tatsächlich in der Hauptverhand-lung auch nicht stattgefunden (vgl. allgemein [X.], Urteile vom 1.
Februar 1955 -
5 StR 678/54, [X.]St
7, 162
ff. [X.]; vom 20.
April 2006 -
4 [X.], NStZ-RR
2007, 52, 53; vom 12.
Januar 2005 -
2 StR 138/04, [X.], 281; 8
9
10
-
7
-
vom 20.
Oktober 1970 -
1 [X.]; Beschluss vom 4.
April 2006 -
3 StR 23/06; [X.], Urteil vom 26.
Mai 1914 -
II 374/14, [X.]St
48, 288, 289 f.; LR/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
344 Rn.
86). Dem liegt im Wesentlichen die Über-legung zugrunde, dass bei dem alleinigen Abstellen auf das Protokoll offen bleibt, ob der Vorgang gegebenenfalls stattgefunden hat und nur versehentlich nicht protokolliert worden ist. Im Übrigen würde das Erfordernis des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] übergangen, da an Stelle der bestimmten Behauptung [X.] lediglich das Protokoll, das nur ein Beweismittel
darstellt (vgl. §
274 Satz
1 [X.]), angeführt wird.

gemäß §
257c Abs.
5 [X.] erfolgt ist, ergibt sich -
falls die Verteidigung inso-weit nichts übersehen hat -
aus dem Protokoll nicht.") allein auf die fehlende Protokollierung ab. Dies wird durch die anschließenden [X.] gegen §
273a Abs.
1a [X.]" verstoßen habe. Zudem geht die Revision selbst von
einer "etwaig erfolgten Belehrung" aus und lässt damit ausdrücklich offen, ob eine solche erteilt worden ist oder nicht. Gerade in der Zusammenschau wird deutlich, dass die Verfahrensrüge die unterlassene Protokollierung und nicht eine unterbliebene Belehrung selbst zum Gegenstand hat.
b) Es kann offen bleiben, ob die danach allein zu prüfende Rüge, aus dem Protokoll lasse sich die Belehrung nach §
257c Abs.
5 [X.] nicht erken-nen, -
wie für "Protokollrügen" regelmäßig angenommen (etwa [X.], Beschluss vom
4.
April 2006 -
3 StR 23/06; Urteil vom 17.
Januar 1978 -
1 [X.]) -
bereits unzulässig oder in der konkreten Konstellation ausnahmsweise zulässig ist (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 2013 -
2 [X.], [X.]St
58, 310). Der [X.] bleibt der Erfolg jedenfalls versagt; denn es ist denklogisch ausge-11
12
-
8
-
schlossen, dass das Urteil auf einer unzureichenden Protokollierung beruht (§
337 Abs.
1 [X.]). Hierzu gilt:
Die Fertigstellung des Protokolls geht der Verkündung des Urteils nach. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Protokoll die Urteilsformel enthalten muss (§
273 Abs.
1 Satz
1 [X.]) und es mithin vor der Urteilsverkündung nicht fertiggestellt (vgl. §
271 Abs.
1 [X.]) werden kann. Vor der Fertigstellung steht der tatsächliche Protokollinhalt noch nicht fest und ist im Einzelnen ungewiss. Das Protokoll über den Verlauf der (sich gegebenenfalls über mehrere Tage erstreckenden) Hauptverhandlung bildet eine Einheit und ist erst mit den [X.] unter die gesamte Niederschrift fertiggestellt. Zuvor angefertigte [X.] sowie Mitschriften haben lediglich [X.] und sind nicht Bestandteil der Akten (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Oktober 1980 -
StB 43/80, [X.]St
29, 394, 395; Urteil vom 20.
November 1961 -
2 StR 395/61, [X.]St
16, 306, 307). Das Gericht hat -
ebenso wie alle Verfahrensbeteiligten -
keine Kenntnis vom späteren Protokollinhalt. Grundlage für das Urteil ist das tatsäch-liche Geschehen in der Hauptverhandlung, nicht die spätere Niederschrift. Liegt mithin das Protokoll erst
nach der Urteilsverkündung vor, ist ausgeschlossen, dass die Protokollierung einen Einfluss auf das bereits zuvor ergangene Urteil hat (st. Rspr.; instruktiv [X.], Urteil vom 29.
Januar 1909 -
II 975/08, [X.]St
42, 168, 170
f.; s. auch [X.], Urteile vom 20.
April 2006 -
4 [X.], NStZ-RR
2007, 52, 53; vom 1.
Februar 1955 -
5 StR 678/54, [X.]St
7, 162, 163; [X.] vom 11.
Oktober 2010 -
1 [X.], NStZ
2011, 170; [X.], NStZ
2013, 669).
c) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund ge-boten, dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafverfahren vom 29.
Juli 2009 (Verständigungsgesetz, BGBl.
I S.
2353) unter anderem das Ziel verfolgt, eine wirksame "vollumfängliche" Kontrolle verständigungsbasierter Ur-13
14
-
9
-
teile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen ([X.], Urteil vom 19.
März 2013 -
2 BvR 2628/10 u.a., NJW
2013, 1058, 1066 [Rn.
94]).
aa) Das Verständigungsgesetz hat die revisionsrechtlichen Regelungen der [X.] -
von dem Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts nach
einer Ver-ständigung (§
302 Abs.
1 Satz
2 [X.]) abgesehen -
unverändert gelassen. Zum einen sind die allgemeinen Vorschriften, nach denen dem Revisionsge-richt die Prüfung von Verfahrensverstößen nur aufgrund einer entsprechenden Rüge und der Angabe der zu ihrer Beurteilung erforderlichen Tatsachen erlaubt ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2, § 352 Abs. 1 [X.]), nicht modifiziert worden (vgl. im Ergebnis auch [X.], Urteil vom 10. Juli 2013 -
2 StR 47/13, [X.]St 58, 315; Urteil vom 3. September 2013 -
5 [X.], [X.], 671; BT-Drucks. 16/12310 S. 9). Zum anderen hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen,
Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung den absoluten [X.] zuzuordnen (vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2013 -
2 BvR 2628/10 u.a., NJW
2013, 1058, 1067 [Rn.
97]). Soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass ein Urteil regelmäßig auf einem Verstoß gegen "Transparenz-
und Dokumentationspflichten" des [X.] beruhe (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013 -
2 BvR 2628/10 u.a., [X.], 1058,
1067 [Rn. 97 ff.]; Beschluss vom 30.
Juni 2013 -
2 BvR
85/13, NStZ-RR
2013, 315, 316), war jeweils nicht allein die fehlende oder fehlerhafte spätere Protokollierung Entscheidungsgegenstand, sondern zumindest auch die Nichtbeachtung einer vor dem Urteilsspruch gegenüber Verfahrensbeteiligten bestehenden Transparenzpflicht an sich. Die Ausführun-gen des [X.] können deshalb nicht dahin verstanden werden, dass -
entgegen den Gesetzen der Logik -
kraft Verfassungsrechts grundsätzlich bereits auf die Rüge der unterlassenen Protokollierung eines nach den Regeln des [X.] erforderlichen Hinweises oder 15
-
10
-
einer notwendigen Belehrung die Aufhebung des angefochtenen Urteils gebo-ten sei.
Die Fragen, inwieweit das [X.] überhaupt [X.]e Vorgaben für eine im Tatsächlichen zu klärende Beruhensprüfung ma-chen kann (vgl. etwa [X.], NStZ
2013, 433, 436; [X.], ZIS
2013, 212, 215
f.) und wie weit die Bindungswirkung der Entscheidung im Einzelnen reicht (s. [X.], Beschlüsse vom 6.
November 1968 -
1 BvR 727/65,
[X.]E
24, 289, 297; vom 10.
Juni 1975 -
2 BvR 1018/74, [X.]E
40, 88, 93
f.; vom 18.
Januar 2006 -
2 BvR 2194/99, [X.]E
115, 97, 109
f.; [X.], Urteil vom 11.
August 1999 -
XI R 77/97, NJW
1999, 3798; [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.]G, §
31 Rn.
88 [Stand: Juli
2013]), bedürfen hier daher keiner weiteren Erörterung.
bb) Soweit der 2.
Strafsenat des [X.] in einem Urteil vom 10.
Juli 2013 (2 [X.], [X.]St
58, 310) die Auffassung vertreten hat, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch das Fehlen einer Dokumentation im Protokoll beeinflusst und ein Beruhen des Urteils auf dem [X.] nicht ausgeschlossen werden könne, vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Eines Verfahrens nach §
132 Abs.
2 [X.] bedarf es deswegen jedoch nicht. Zum einen betraf das dortige Urteil nicht die hier zu prüfende fehlende Protokollierung der Belehrung nach §
257c Abs.
5 [X.]. Zum anderen handelt es sich bei der Frage, ob das Urteil auf einem be-stimmten Verfahrensfehler beruhen kann, nicht um eine Rechtsfrage im Sinne des §
132 Abs.
2 [X.], sondern um eine im Einzelfall zu prüfende Tatsachen-frage (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
August 2006 -
1 [X.], NJW
2006, 3582, 3586; Herdegen, NStZ
1990, 513, 515).
16
17
-
11
-

4. Eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch (§
257c Abs.
2 Satz
3 [X.]) liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
Der Beschwerdeführer begründet seine diesbezügliche Annahme allein mit dem Wortlaut des gerichtlichen [X.]s, der konkrete Straftatbestände und diesen zugeordnete Sachverhalte aufführt. Indes ist dies ersichtlich nicht dahin zu verstehen, dass entsprechende Schuldsprüche Ge-genstand der Verständigung sein sollten. Vielmehr hat das [X.] lediglich dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen es "im Bewusstsein der Problematik einer vorläufigen Beweisprognose" zu dem allein die Rechtsfolgen betreffenden Vorschlag gekommen ist. Einer solchen unverbindlichen Beurtei-lung der Sach-
und Rechtslage steht weder Verfassungs-
noch Strafverfahrens-recht entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2013 -
2 BvR 2628/10 u.a., NJW
2013, 1058, 1068 [Rn.
106]). Das Gericht ist sogar grundsätzlich dazu gehalten, in seinem Vorschlag das vom Angeklagten im Rahmen der [X.] genau zu bezeichnen und "unter antizipie-render Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des [X.] vorzunehmen" ([X.], Urteil vom 21.
Juni 2012 -
4 [X.], [X.]St
57, 273, 278; vgl. auch BT-Drucks.
16/12310 S.
14). Eine solche Be-wertung ist schwerlich möglich, ohne zunächst klarzustellen, von welchen Delik-ten und Strafrahmen das Gericht ausgeht. Vor diesem Hintergrund folgt aus dem Hinweis auf einen bestimmten Sachverhalt und eine rechtliche Wertung, die es seinem Vorschlag vorläufig zugrunde legt, keine Verständigung über den Schuldspruch.
Dafür, dass das [X.] lediglich eine nicht abschließende und nicht von der eigentlichen Verständigung umfasste Einschätzung abgege-18
19
20
-
12
-
ben hat, spricht ferner, dass es den Angeklagten trotz der getroffenen [X.] nicht in dem Umfang schuldig gesprochen hat, der sich aus der im [X.] genannten Zwischenbewertung ergab (s. auch zum Bindungsumfang [X.], Beschluss vom 25.
Oktober 2012 -
1 [X.], NStZ-RR
2013, 184).
I[X.] Erfolg hat das Rechtsmittel insoweit, als das [X.] den Angeklagten S.

S.

nicht von dem in der zugelassenen Anklage-schrift erhobenen Vorwurf freigesprochen hat, er habe tateinheitlich zu einer Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] im Ausland spätestens am 27.
Juli 2010 von dem Vorhaben eines Mordes erfahren und eine rechtzeitige Anzeige unterlassen.
1. Geht der Eröffnungsbeschluss davon aus, dass die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als eine einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne darstellen, so muss ein Teilfreispruch zwar dann nicht ergehen, wenn sich eine der Handlun-gen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als nicht nachweisbar oder nicht strafbewehrt erweist, es im Übrigen aber bei der konkurrenzrechtlichen Bewer-tung der Einzelakte verbleibt ([X.], [X.], 56. Aufl., § 260 Rn. 12 [X.]). Anderes gilt indes, wenn die Hauptverhandlung ergibt, dass es sich bei den dem Angeklagten angelasteten Handlungen um selbständige, tatmehrheit-liche Delikte handelt, etwa weil das verbindende Element, das die Einzelakte zu einer natürlichen Handlungseinheit verschmolzen hätte, nicht zu belegen ist. Erweist sich in diesem Falle ein dem Angeklagten von Anklage und [X.] vorgeworfener Einzelakt als nicht nachweisbar, so ist der An-geklagte insoweit freizusprechen (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Juni 2011 -
2 [X.], juris Rn.
19; KK/[X.], [X.], 7.
Aufl., §
260 Rn.
20; zur fortgesetzten Handlung bereits [X.], Beschluss vom 7.
Januar 1988 -
4 [X.], [X.]R 21
22
-
13
-
[X.] §
260 Abs.
1 Teilfreispruch
4; [X.], Urteil vom 29.
Mai 1923 -
I 1161/22, [X.]St
57, 302, 303
f.).
2. So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte dem Angeklagten S.

S.

eine mitgliedschaftliche
Beteiligung an der (aus-ländischen) terroristischen [X.] (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 StGB) nicht nachgewiesen werden. Nur dieses Delikt verbindet indes aufgrund seiner Struktur die einzelnen Betätigungsakte des Mitglieds zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit ([X.], Beschluss vom 15. Februar 2007 -
StB 19/06, [X.], 401); erweist sich der Betätigungsakt noch nach einer weiteren Bestim-mung als strafbar, so besteht Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zwischen diesem Delikt und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der [X.] (vgl. [X.] dazu [X.], Urteil vom 11.
Juni 1980 -
3 [X.], [X.]St
29, 288, 290
f.
[X.]). Dagegen stehen Unterstützungshandlungen zugunsten einer (ausländi-schen) terroristischen [X.] (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 5
Satz 1 StGB), so sie nicht zur Erreichung eines einheitlichen Unterstützungserfolgs begangen werden, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit ([X.], Urteil vom 14. August 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 69, 131 f.); davon ist zutreffend auch das [X.] ausgegangen. Da es nun aber hinsichtlich einer dieser dem Angeklagten angelasteten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage der dargestellten Rechtslage allenfalls tatmehrheitlich verwirk-lichten [X.] eine Strafbarkeit verneint hat, hätte es den Angeklag-ten insoweit freisprechen müssen.
Eine Überprüfung der zur Verneinung der Strafbarkeit führenden Erwä-gungen des [X.]s (vgl. insofern zweifelnd etwa Arzt/[X.]/[X.], Strafrecht, Besonderer Teil, 2.
Aufl., §
46 Rn.
12) war dem Senat angesichts der allein vom Angeklagten eingelegten Re-vision nicht eröffnet.
23
24
-
14
-
3. Der Senat holt deshalb den Teilfreispruch -
mit der sich aus §
467 Abs.
1 [X.] ergebenden Kostenfolge -
nach (§
354 Abs.
1 [X.]).
IV. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrü-ge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S.

S.

erge-ben. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Senat auf die Antragsschrift des [X.].

B. Revision des Angeklagten J.

S.

I. Der Angeklagte J.

S.

begehrt mit seiner in zulässiger Weise beschränkten Revision allein einen Teilfreispruch, soweit das Oberland-gericht die -
nach Anklage und Eröffnungsbeschluss dem Angeklagten neben den beiden Waffendelikten jeweils in Tateinheit zur Last gelegte -
Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] nicht festgestellt hat. Auch wenn die Rechtsmittelbeschränkung nicht ausdrücklich erklärt wurde, kommt sowohl in der Revisions-
als auch in der [X.] zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer allein das Fehlen eines Teilfreispruchs beanstandet (vgl. zur [X.] bereits [X.], Urteil vom
16.
Februar 1956 -
3 StR 473/55, NJW
1956, 756, 757).
[X.] Die (insoweit beschränkte) Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J.

S.

ergeben. Eines Teilfreispruchs bedurfte es entgegen der mit der Revision vorgebrachten An-sicht -
anders als bei dem Angeklagten S.

S.

(s.o.) -
nicht.
Die mit dem Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage hatte dem [X.] J.

S.

zur Last gelegt, durch dieselbe rechtliche Hand-lung sich
spätestens ab Spätsommer 2009 bis zu seiner Festnahme im De-25
26
27
28
29
30
-
15
-
zember 2010 als Mitglied an der "[X.]" beteiligt zu haben, im
März 2010 gemeinsam mit B.

S.

mit Hilfe des Angeklag-ten S.

S.

versucht zu haben, eine halbautomatische Kurzwaffe zu erwerben, und bei seiner Festnahme eine einen anderen Gegenstand vortäu-schende Hieb-
und Stoßwaffe sowie Munition besessen zu haben. Zwar ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich nicht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereini-gung strafbar gemacht hat und daher die in Anklage und Eröffnungsbeschluss angenommene Verklammerung der beiden Waffendelikte zu einer Tat in mate-riellem Sinne wegfällt. Allerdings sind -
insoweit im Unterschied zum Angeklag-ten S.

S.

-
sämtliche danach bestehen bleibende einzelne Taten abgeurteilt worden. Eine selbständige (materiellrechtliche) Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, liegt
mithin nicht vor. Entfällt lediglich ein in [X.] stehender Tatvorwurf, kommt ein Freispruch nicht in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Mai 2004 -
5 [X.], NJW
2005, 2720, 2723). Da die nicht erwiesene Mitgliedschaft in der [X.] mit den beiden Waffendelikten [X.] in Tateinheit stünde, ist der Tatvorwurf des [X.] durch den Schuldspruch erschöpft.

[X.]Schäfer Mayer

Gericke Spaniol

Meta

3 StR 210/13

12.12.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. 3 StR 210/13 (REWIS RS 2013, 303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 303

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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