Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2014, Az. V ZB 108/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8684

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 108/13
vom

16. Januar 2014

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Januar 2014 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Richter [X.], Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, Dr.
Czub und Dr. Kazele
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Vollzug der durch Beschluss des [X.] vom 11.
Juli
2013 angeordneten [X.] ihn bis zum Ablauf des 17.
Juli 2013 in seinen Rechten verletzt hat. Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] zu 60% auferlegt. Im Übrigen findet eine Auslagenerstat-tung nicht statt. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht er-hoben.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Der Betroffene ist [X.] Staatsangehöriger. Er reiste nach eige-nen Angaben im Juni 2002 auf dem Luftweg nach [X.] ein und stellte 2003 einen Asylantrag. Diesen wies das zuständige [X.] mit einem seit 1
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dem 7. Mai 2005 bestandskräftigen Bescheid zurück. Darin forderte es den Be-troffenen auf, das [X.] zu verlassen, und drohte ihm die Abschiebung für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung an. Der Betroffene kam die-ser Aufforderung nicht nach und hielt sich bis Mitte 2008 unentdeckt in [X.] auf. Am 9. Juli 2008 stellte er einen weiteren Asylantrag, der mit einem seit dem 29. April 2013 bestandskräftigen Bescheid des zuständigen [X.]s zurückgewiesen wurde. Die von der beteiligten Behörde erbetene Erklärung, freiwillig auszureisen, gab er nicht ab.
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht gegen den Be-troffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung vom 11. bis zum 22.
Juli 2013 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das [X.]. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene, der am 22. Juli 2013 nach [X.] abgeschoben worden ist, die Feststellung erreichen, dass Anordnung und Vollzug der [X.] ihn in seinen Rechten verletzt ha-ben.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden. Ihr habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Daran ändere es nichts, dass nach den Haftrichtlinien für das [X.] gegen Ausreisepflichtige, die -
wie der Betroffene -
das 65. Lebens-jahr vollendet haben, Haft nicht beantragt werden solle. Diese Richtlinien [X.] nur die Behörden; ein Verstoß hiergegen mache den Haftantrag nicht unzu-lässig. Ein Dolmetscher habe wegen der ausreichenden Deutschkenntnisse des Betroffenen nicht hinzugezogen werden müssen. Die sachlichen Voraussetzun-gen für die Anordnung von [X.] hätten vorgelegen. Der Betroffene 2
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sei schon einmal untergetaucht. Es habe deshalb der begründete Verdacht [X.], dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Außerdem sei die Haftanordnung nach § 62 Abs. 3 Satz 2 [X.] gerechtfertigt. Sie sei auch unter Berücksichtigung des Alters des Betroffenen verhältnismäßig.

III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts war schon deshalb rechtswidrig, weil dem Betroffenen der Haftantrag vor seiner gerichtlichen Anhörung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 23 Abs. 2 FamFG). Denn [X.] muss vor der Anhörung durch den Haftrichter eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; dies muss einer schriftlichen Dokumentation durch das Gericht (Senat, Beschluss vom 19.
Dezember 2013 -
V [X.], z. Veröff. best.) im Vermerk über die Anhö-rung oder an sonstiger Aktenstelle (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012
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V [X.], [X.] 2012, 369 Rn. 9; Beschluss vom 6. Dezember 2012
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V [X.], [X.] 2013, 157 Rn. 5) zu entnehmen sein. Hieran fehlt es. Nach dem Protokoll über die Anhörung wurde der Haftantrag dem Betroffenen lediglich bekannt gegeben. Das genügt den Anforderungen nicht.
2. Die Entscheidung des [X.] über die Fortdauer der Haft ist dagegen nicht zu beanstanden.
a) Der Haftanordnung lag ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Zwar ist nach Nr. 2.2 der Richtlinien für den [X.] im Land [X.] in dem Runderlass des [X.] vom 19. Januar 2009 (15-39.21.-01-5-AHaftRL, [X.]. [X.] Nr. 26) von einem Antrag auf Ab-4
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schiebungshaft grundsätzlich abzusehen, wenn der Ausländer -
wie der Be-troffene -
das 65. Lebensjahr vollendet hat. Ein dennoch gestellter Antrag ist aber nicht unzulässig. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Anordnung nach ihrem Wortlaut (grundsätzlich) nur eine Regel formuliert, die Ausnahmen kennt.
b) Der in der fehlenden Aushändigung des [X.] liegende Mangel der Anhörung ist im Beschwerdeverfahren geheilt worden. Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Aushändigung des
[X.] an den Betroffenen, ähnlich wie bei der Übersendung an einen Verfahrenspfleger (dazu Senat, [X.] vom 26. September 2013 -
V [X.], juris Rn. 11),
dadurch [X.] werden konnte, dass der vollständige Haftantrag dem Beteiligten zu 2 als Vertrauensperson des Betroffenen zugeleitet wurde. Es reicht zur Nachholung der Aushändigung jedenfalls aus, dass die Verfahrensbevollmächtigte des Be-troffenen im Beschwerdeverfahren durch Akteneinsicht Kenntnis von dem voll-ständigen Haftantrag erlangen konnte (vgl. Senat, Beschluss vom 30.
Oktober
2013 -
V [X.], juris Rn. 6). Das Beschwerdegericht hat den Be-troffenen, wie zur Heilung des [X.] außerdem erforderlich (Se-nat, Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], juris Rn. 6), auch selbst (un-ter Beteiligung seiner Verfahrensbevollmächtigten und des Beteiligten zu 2 als seiner Vertrauensperson) persönlich angehört.
c) Das Beschwerdegericht hat schließlich jedenfalls den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu Recht angenommen. Der Betroffene
war spä-testens seit Erteilung der [X.] durch die kasachischen Behörden nach § 50 Abs. 1 [X.] zur Ausreise verpflichtet, weil ihm die Ausreise durch einen bestandskräftigen Bescheid des zuständigen [X.]s unter Androhung der Abschiebung gemäß § 59 [X.] aufgegeben worden und die ihm erteilte Duldung mit der Erteilung der [X.] ausgelaufen war. 8
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Die Ausreisepflicht war gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 [X.] vollziehbar,
und ihre Erfüllung bedurfte der Sicherstellung. Nach Erteilung der erforderlichen Do-kumente durch die kasachischen Behörden war schließlich sichergestellt, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer durchgeführt werden konnte. Daran änderte das Alter des Betroffenen nichts. Der Betroffene ist mit etwas über 66 Jahren nicht in einem Alter, in dem ohne Hinzutreten zusätzlicher Umstände typischerweise mit Komplikationen zu rechnen wäre, die Fluggesell-schaften veranlassen könnte, einen Lufttransport des Betroffenen abzulehnen. Für das Vorhandensein solcher zusätzlicher Umstände ist nichts ersichtlich. Jedenfalls zeigt die erfolgreiche Durchführung der Abschiebung zum vorgese-henen Zeitpunkt, dass sich das Alter des Betroffenen nicht als Hindernis aus-gewirkt hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Januar 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 144 Rn. 19 und vom 22.
Juli
2010 -
V ZB 29/10, [X.] 2011, 27 Rn. 24).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 84, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Kostenquote trägt dem Umstand Rechnung, dass die Rechtsbeschwerde nur für sieben der bean-

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standeten zwölf Tage Haft Erfolg hat. Die Festsetzung des [X.] beruht auf § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
[X.]
Schmidt-Räntsch

Czub
Kazele
Vorinstanzen:
AG Detmold, Entscheidung vom 11.07.2013 -
23 XIV 2825 -

LG Detmold, Entscheidung vom 18.07.2013 -
3 [X.] -

Meta

V ZB 108/13

16.01.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2014, Az. V ZB 108/13 (REWIS RS 2014, 8684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8684

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