Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2006, Az. VI ZR 237/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2801

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Versäumnisurteil [X.] Verkündet am: 4. Juli 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 249 [X.]; ZPO § 287 Zu den Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatrichters hinsichtlich der Frage, ob dem Geschädigten bei Anmietung eines Fahrzeugs zu einem überhöhten [X.] ein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - zugänglich war. [X.], Versäumnisurteil vom 4. Juli 2006 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 19. Oktober 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger macht gegen den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer [X.] auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 4. August 2003 geltend. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach außer Streit. 1 Der Kläger, dessen Fahrzeug aufgrund des Unfalls nicht mehr betriebs-sicher war, mietete am 4. August 2003, einem Montag, beim [X.], das neben der Durchführung von Fahrzeugreparaturen auch Mietfahrzeuge anbie-tet, ein Ersatzfahrzeug an. Am 15. August 2003 stellte das [X.] dem Kläger eine Rechnung über Mietkosten in Höhe von 876 • zuzüglich 140,16 • Mehrwertsteuer für "10 Tage gemäß Gruppe III [X.] der [X.] - 4 - Tabelle vom 4. 08. bis 14. 08. 2003". Die Beklagte erstattete 342 •. Sie [X.] sich dabei an einer [X.], die eine Wochenpauschale inklu-sive Mehrwertsteuer von 204 • und eine Tagespauschale von 46 • ausweist. Der Kläger klagt im Einverständnis mit dem [X.], an das er den [X.] auf Erstattung der Mietwagenkosten sicherungshalber abgetreten hat. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte an-tragsgemäß zur Zahlung an das [X.] verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe die tatsäch-lich entstandenen Mietwagenkosten in voller Höhe zu erstatten. Selbst wenn der geltend gemachte [X.] ungerechtfertigt überhöht gewesen sein sollte, sei dem Kläger ein anderer Tarif nicht zugänglich gewesen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass überhaupt kostengünstigere "Normaltarife" im Gegen-satz zu "[X.]en" existierten. Eine entsprechende Kenntnis des [X.] habe die Beklagte auch nicht behauptet. Deshalb habe er auch keine Ver-anlassung bzw. Möglichkeit gehabt, nach einem kostengünstigeren Angebot für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu fragen. 3 - 5 - I[X.] 4 Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. 5 1. Da der Kläger und Revisionsbeklagte in der [X.] trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision der [X.] antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung ([X.] 37, 79, 81; [X.], Urteil vom 18. November 1998 - [X.]II ZR 344/97 - NJW 1999, 647, 648). 2. Zutreffend ist der Ansatz des Berufungsgerichts, dass der [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen kann (vgl. Senatsurteil [X.] 132, 373, 375 f. m.w.N.). Das Berufungsgericht hat auch die Grundsätze zutreffend wiedergegeben, die der erkennende Senat bis zum Erlass des Berufungsurteils zur Erstattungsfähigkeit sogenannter [X.]e entwickelt hat (vgl. Se-nat [X.] 160, 377, 383 f.; vom 26. Oktober 2004 - [X.] ZR 300/03 - [X.], 241, 242; vom 15. Februar 2005 - [X.] ZR 160/04 - [X.], 569 und [X.] ZR 74/04 - [X.], 568 und vom 19. April 2005 - [X.] ZR 37/04 - [X.], 850). 6 a) Wie der erkennende Senat inzwischen klargestellt hat (vgl. Urteile vom 25. Oktober 2005 - [X.] ZR 9/05 - [X.], 133; vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 126/05 - [X.], 669, 670; vom selben Tag - [X.] ZR 32/05 - [X.], 564, 565; vom 9. Mai 2006 - [X.] ZR 117/05 - und vom 13. Juni 2006 - [X.] ZR 161/05 - jeweils z.[X.].) ist nicht erforderlich, dass der bei der Scha-densabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter für die Prü-fung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "[X.]s" die Kalkulation des konkreten Unternehmens - gegebenenfalls nach Beratung 7 - 6 - durch einen Sachverständigen - in jedem Fall nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter [X.] auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 - [X.] ZR 9/05 - und vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 126/05 - jeweils aaO). In Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den "Normaltarif" auch auf der Grundlage des gewich-teten Mittels des "[X.]" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten - gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung - ermitteln (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2006 - [X.] ZR 117/05 - z.[X.].). b) Die Frage, ob ein vom Geschädigten beanspruchter [X.] aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, kann dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem [X.] jedenfalls ein günstigerer "Normaltarif" bekannt und in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm die kostengünstigere An-mietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter dem Blickwinkel der ihm ge-mäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 32/05 Œ aaO, m.w.N.). Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall den den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Senat [X.] 132, 373, 376) auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. Senat, Urteile vom 15. Februar 2005 - [X.] ZR 160/04 - aaO und vom 19. April 2005 - [X.] ZR 37/04 - aaO). Insoweit ist die Auffassung des Berufungsgerichts im Grundsatz nicht zu beanstanden. 8 - 7 - c) Die Revision bemängelt aber zu Recht unzureichende Tatsachenfest-stellungen für die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger sei die [X.] eines Ersatzfahrzeugs zu einem günstigeren "Normaltarif" nicht zugänglich gewesen (§ 286 Abs. 1 BGB). Insoweit ist mangels anderweitiger Feststellun-gen revisionsrechtlich davon auszugehen, dass der [X.] auch mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Her-stellung erforderlich war im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. 9 aa) Wie der Senat im Urteil vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 126/05 - aaO, 671 dargelegt hat, muss der Geschädigte in einem solchen Fall darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner [X.] Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn [X.] Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günsti-gerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - zugänglich war (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 - [X.] ZR 9/05 - aaO und vom 4. April 2006 - [X.] ZR 338/04 - [X.], 852, 864). An die Überzeugungsbildung des Tatrichters sind auch in diesem Punkt die Anforderungen zu stellen, die für anspruchsbegründende Tatsachen gelten. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht gerecht. 10 [X.]) Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, dass dem Kläger ein "Normaltarif" nicht zugänglich gewesen sei, darauf, dass er über Unterschiede in den Tarifen nicht aufgeklärt worden sei - was insoweit unstreitig ist - und dass er von solchen auch keine Kenntnis gehabt habe. Letzteres will es daraus [X.], dass der Kläger die Frage, ob die Beklagte Mietwagenkosten entspre-chend einem "Normaltarif" gezahlt habe, mit "Nichtwissen" beantwortet habe. Indessen vermag diese Äußerung die vom Berufungsgericht gezogene Folge-rung nicht zu stützen. Zwar ist die tatrichterliche Beweiswürdigung [X.] - 8 - rechtlich nur beschränkt überprüfbar, doch wäre die Schlussfolgerung - um die es sich im Streitfall handelt - nur überzeugungskräftig, wenn andere Möglichkei-ten ernstlich nicht in Betracht kämen (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 1991 - [X.] ZR 97/90 - NJW 1991, 1894, 1895; [X.] 53, 245, 260 f. und [X.], Urteil vom 14. Januar 1993 - [X.] - NJW 1993, 935, 938). Das ist nicht der Fall, denn dem Kläger mussten die allgemeinen Unterschiede in den Tarifen für Mietfahrzeuge nicht deshalb unbekannt sein, weil er nicht wusste, nach wel-chem Tarif die Beklagte die Mietkosten erstattet hatte. [X.]) Insoweit weist die Revision mit Recht auf die Rechtsprechung des er-kennenden Senats hin, wonach den Geschädigten grundsätzlich eine Informati-onspflicht trifft. Ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter ist zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif schon unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessen-heit des ihm angebotenen [X.]s haben muss, die sich aus dessen Höhe sowie der kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - [X.] ZR 37/04 - aaO; vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 126/05 - aaO und vom 9. Mai 2006 - [X.] ZR 117/05 - z.[X.]). Auch liegt eine Nachfrage im eigenen Interesse des Geschädigten, weil er andernfalls Gefahr läuft, dass ihm ein überhöhter [X.] nicht in vollem Umfang erstattet wird. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen (vgl. Senats-urteile vom 2. Juli 1985 - [X.] ZR 86/84 - [X.], 1090 und - [X.] ZR 177/84 - [X.], 1092 sowie vom 7. Mai 1996 - [X.] ZR 138/95 - [X.] 132, 373, 378) darauf hingewiesen, dass der Geschädigte unter Umständen zur [X.] von ein oder zwei Konkurrenzangeboten gehalten sein kann. In diesem Zusammenhang kann eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Er-satzfahrzeug benötigt. Allein das allgemeine Vertrauen darauf, der ihm vom 12 - 9 - Autovermieter und der Reparaturwerkstätte angebotene Tarif sei "auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten", rechtfertigt es dagegen nicht, zu Lasten des Schädigers und dessen [X.] ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte [X.]e zu akzeptieren. 13 [X.]) Im Streitfall fehlt es bereits an schlüssigem, die Behauptung der Nichtzugänglichkeit eines "Normaltarifs" stützenden Klägervortrag, der [X.] aufzeigt und erforderlichenfalls unter Beweis stellt, welche ausnahmsweise geeignet gewesen wären, die vom Berufungsgericht angenommene Unwissen-heit zu begründen, obwohl der angebotene Tarif nahezu um das Dreifache über dem sonst üblichen Tagespreis für einen Mietwagen der entsprechenden [X.] liegt. Da der Kläger das Fahrzeug an einem gewöhnlichen Werktag, nämlich einem Montag, angemietet hat, hätte es angesichts des auffallend hohen Prei-ses nahe gelegen, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und - womöglich unter Einholung der Deckungszusage des [X.] - das Miet-fahrzeug zu einem günstigeren Preis zu bekommen (vgl. [X.] vom 19. April 2005 - [X.] ZR 37/04 -; vom 25. Oktober 2005 - [X.] ZR 9/05 - jeweils aaO; vom 4. April 2006 - [X.] ZR 338/04 - [X.], 852, 854; vom 9. Mai 2006 - [X.] ZR 117/05 - und vom 13. Juni 2006 - [X.] ZR 161/05 - jeweils z.[X.].). II[X.] Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es war [X.] und die Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung zurück-zuverweisen. Dieses wird bei [X.] des fehlenden Zugangs des [X.] zu einem günstigeren Tarif erforderlichenfalls mit sachverständiger [X.] - 10 - fe zu klären haben, ob der Aufschlag betriebswirtschaftlich wegen unfallbeding-ter Mehrkosten gerechtfertigt war. [X.] [X.]

[X.] [X.]

Zoll Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 03.06.2004 - 50 C 1557/04 - LG [X.], Entscheidung vom 19.10.2005 - 23 S 339/04 -

Meta

VI ZR 237/05

04.07.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2006, Az. VI ZR 237/05 (REWIS RS 2006, 2801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2801

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