Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2010, Az. X R 9/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 2256

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Gegenstand

Fehler im Veranlagungsverfahren rechtfertigen keinen Erlass


Leitsatz

1. NV: Ein Erlass dient nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen.

2. NV: Es gibt keine allgemeine Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden für den Fall, dass der Steuerpflichtige steuermindernde Umstände zunächst für ein falsches Jahr geltend macht und dies erst nach Bestandskraft des Bescheides für das richtige Jahr erkennt.

Tatbestand

1

I. Die drei [X.]läger und Revisionskläger ([X.]läger) gründeten zusammen mit einer weiteren Person im Jahre 1991 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ([X.]), an der alle Gesellschafter jeweils 25 % der Anteile hielten. Zweck der [X.] war der [X.]auf und die [X.]ewirtschaftung eines Grundstücks in [X.]. Das Grundstück war an ein [X.]auunternehmen verpachtet, die [X.]-GmbH ([X.]), an der dieselben Personen beteiligt waren. Von 1991 bis 1993 behandelten alle [X.]eteiligten die Einkünfte der [X.] als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die entsprechenden Feststellungsbescheide ergingen erklärungsgemäß und wurden bestandskräftig.

2

Mit Schreiben vom 29. November 1995 teilte [X.] dem [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) mit, dass der Feststellungsbescheid für das [X.] geändert werden müsse, da eine --als solche seither unstreitige-- [X.]etriebsaufspaltung zwischen [X.] und [X.] vorliege und ihre Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb seien. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sie 1993 ein Grundstück in [X.] mit einem von [X.] erstellten Rohbau erworben und nach Fertigstellung im Jahre 1995 verkauft habe. In der beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erklärte sie unter anderem bei den [X.]etriebsausgaben einen Posten "Roh-, Hilfs- und [X.]etriebsstoffe" in Höhe von 86.421,75 DM. Am 23. Januar 1996 lehnte das [X.] die Änderung ab, da die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) nicht vorlägen. [X.] legte keinen Rechtsbehelf ein.

3

Für das [X.] hatte [X.] am 30. November 1995 eine erste Feststellungserklärung eingereicht. Die Gewinnermittlung wies bei den [X.]etriebsausgaben 352,10 [X.], Hilfs- und [X.]etriebsstoffe aus. Am 30. Januar 1996 reichte sie eine geänderte Feststellungserklärung ein, die auf einer Erhöhung dieses Postens um 86.421,75 DM beruhte. In einem [X.]egleitschreiben erläuterte sie, dass die Änderung wegen der zum 1. Januar 1994 beginnenden [X.]etriebsaufspaltung erforderlich geworden sei. Die zusätzlichen [X.]osten beträfen das Grundstück mit aufstehendem Rohbau in [X.], das nach Fertigstellung veräußert worden sei und daher kein Anlagevermögen darstelle. Der [X.]escheid vom 23. Juli 1996 erging der --geänderten-- Erklärung entsprechend und wurde bestandskräftig.

4

In der am 16. Dezember 1996 eingegangenen Feststellungserklärung für das [X.] wies [X.] den Veräußerungserlös für das Grundstück in [X.] in voller Höhe als [X.]etriebseinnahme aus. Der erklärungsgemäß ergangene [X.]escheid vom 14. Mai 1997 wurde ebenfalls bestandskräftig.

5

Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahre 1998 stellte der Prüfer unter anderem fest, dass die in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Roh-, Hilfs- und [X.]etriebsstoffe die Aufwendungen für den [X.]auf des Grundstücks in [X.] beträfen. Da diese Mittel bereits im Jahre 1993 abgeflossen seien, seien sie im Jahre 1994 nicht als [X.]etriebsausgaben abziehbar. Das [X.] erließ einen geänderten Feststellungsbescheid. Einspruch, [X.]lage und Revision der [X.] blieben erfolglos.

6

Der [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) führte mit Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 20/04 ([X.]FHE 210, 313, [X.]St[X.]l II 2005, 758) aus, dass die im Jahre 1993 entstandenen [X.]osten nicht im Jahre 1994 geltend gemacht werden könnten. Allerdings minderten die Anschaffungskosten, die bisher nicht [X.]etriebsausgaben gewesen seien, den später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung (Fortführung des [X.] aus dem Urteil vom 7. Oktober 1971 [X.], [X.]FHE 103, 564, [X.]St[X.]l II 1972, 271). Das [X.] werde daher zu prüfen haben, ob der Feststellungsbescheid 1995 nach §§ 172 ff. [X.] entsprechend geändert werden könne. [X.]. sei an eine [X.]illigkeitsmaßnahme nach § 227 [X.] zu denken.

7

Die [X.]eteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass hinsichtlich des Feststellungsbescheides 1995 zum Zeitpunkt der [X.]FH-Entscheidung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 beantragten die [X.]läger jeweils den Erlass der auf diesem Vorgang beruhenden Einkommensteuer 1995 nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen. Mit [X.]escheiden vom 25. Oktober 2006 lehnte das [X.] die [X.] ab. Am 13. September 2007 wies das [X.] die --nicht weiter begründeten-- Einsprüche zurück. Sachliche [X.]illigkeitsgründe lägen nicht vor. Es sei den [X.]lägern zumutbar gewesen, durch rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs die [X.]estandskraft des Feststellungsbescheides 1995 der [X.] und damit der Einkommensteuerbescheide zu verhindern. Die Rechtswidrigkeit eines unanfechtbar gewordenen Steuerbescheides könne nur dann als unbillig in der Sache berücksichtigt werden, wenn Gründe vorgetragen würden, die es verständlich machten, dass von den gegebenen Rechtsbehelfen kein Gebrauch gemacht worden sei. Solche Gründe fehlten. Der im [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 210, 313, [X.]St[X.]l II 2005, 758 enthaltene Hinweis auf einen [X.]illigkeitserlass entfalte keine [X.]indungswirkung.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die [X.]lage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 727 veröffentlichtem Urteil ab.

9

Mit der Revision machen die [X.]läger geltend, der Streitfall unterscheide sich wesentlich von dem der [X.]FH-Entscheidung vom 21. Juni 2006 [X.] ([X.]FHE 214, 218, [X.]St[X.]l II 2006, 712) zu Grunde liegenden Sachverhalt. [X.]ährend dort die rechtliche [X.]ehandlung der Vorsteuer in jeder [X.]onstellation fehlerhaft gewesen sei, seien hier die Anschaffungskosten 1993 nicht vergessen, sondern zunächst systemgerecht behandelt worden. Die Fehlerhaftigkeit habe sich erst herausgestellt, als der Irrtum betreffend die [X.]etriebsaufspaltung erkannt worden sei. Zudem sei der gesamte Lebenslauf des [X.]irtschaftsgutes bis zur Veräußerung zu beurteilen.

Soweit es die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Abwehr der Fehlerhaftigkeit betreffe, sei auf das [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 210, 313, [X.]St[X.]l II 2005, 758 zu verweisen. Der [X.]FH selbst habe die Lösung des Streitfalls in der Änderung des [X.]escheides 1995, hilfsweise im [X.]illigkeitswege, gesehen. Soweit die [X.]läger die [X.]etriebsaufspaltung zunächst nicht erkannt hätten, sei zu bedenken, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des streitbefangenen Grundstücks die Einführung des geltenden Steuerrechts in [X.] noch keine drei Jahre zurück gelegen habe und die Rechtsfigur der [X.]etriebsaufspaltung im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sei. Dieser Umstand könne dazu geführt haben, dass seinerzeit auch das [X.] das [X.]estehen einer [X.]etriebsaufspaltung nicht wahr genommen habe.

Die [X.]läger beantragen sinngemäß,

das [X.] aufzuheben und die Einkommensteuer 1995 nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen insoweit zu erlassen, als sie auf der Nichtberücksichtigung der auf das Grundstück in [X.] entfallenen [X.]etriebsausgaben bei [X.] entfallen.

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass die Ablehnung der [X.] ermessensfehlerfrei i.S. von § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) war. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

1. Nach § 227 [X.] können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehen nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete [X.]eträge erstattet oder angerechnet werden. Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (vgl. [X.]surteil vom 14. Juli 2010 [X.]/08, [X.], 502). In der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche) [X.] sind nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar, so dass allein sachliche Unbilligkeit in [X.]etracht kommt.

a) Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im [X.]illigkeitswege zu entscheidende Frage --hätte er sie geregelt-- im Sinne der beabsichtigten [X.] entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung der Steuer den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. u.a. Urteile vom 26. Oktober 1972 [X.]/70, [X.]E 108, 146, [X.] 1973, 271; vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, [X.]E 174, 482, [X.] 1994, 833; vom 13. Mai 1998 II R 98/97, [X.]/NV 1998, 1376). Dies wiederum kann seinen Grund entweder in [X.] oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben (vgl. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 [X.] Rz 41, 42). § 227 [X.] ermächtigt allerdings nicht zur Korrektur des Gesetzes. Der Erlass ist daher nur zulässig, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint ([X.]-Urteile vom 23. März 1998 II R 41/96, [X.]E 185, 270, [X.] 1998, 396; [X.], [X.]/NV 1998, 1098; [X.]surteil in [X.], 502).

b) Die [X.]indung an die Wertungen des Gesetzgebers bedeutet im Hinblick auf den Streitfall zweierlei:

Zum einen sind Reichweite und Grenzen der Änderungsvorschriften in §§ 172 ff. [X.] zu beachten. Ein Erlass darf nicht Änderungsmöglichkeiten schaffen, die diese Vorschriften nicht vorsehen und nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht vorsehen sollten.

Zum anderen und damit zusammenhängend sind die Grundsätze der [X.]estandskraft zu beachten. Der Erlass dient nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen. [X.]ei Einwänden, die, wie hier, die materiellrechtliche Richtigkeit der Steuerfestsetzung betreffen, ist ein Erlass aus [X.]n nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 30. April 1981 VI R 169/78, [X.]E 133, 255, [X.] 1981, 611; vom 11. August 1987 VII R 121/84, [X.]E 150, 502, [X.] 1988, 512; [X.]surteil vom 21. Juli 1993 [X.]/91, [X.]/NV 1994, 597; Urteil vom 14. November 2007 II R 3/06, [X.]/NV 2008, 574).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Einziehung der Einkommensteuer 1995 sowie der Nebenleistungen, soweit sie auf der Nichtberücksichtigung der Anschaffungskosten als [X.]etriebsausgaben bei der [X.] beruhen, nicht unbillig. Die endgültige Nichtberücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Feststellungsbescheide für [X.] entspricht nicht nur den Vorschriften des Verfahrensrechts, sondern auch den zu Grunde liegenden gesetzlichen Wertungen.

a) Die Kosten hätten materiell-rechtlich entweder --vorrangig-- im Jahre 1993 oder --hilfsweise, auf der Grundlage des [X.]-Urteils in [X.]E 210, 313, [X.] 2005, 758-- im Jahre 1995 berücksichtigt werden können und müssen.

b) Für das [X.] widerspricht ein Erlass den in § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertungen; auch müssen sich die Kläger entgegenhalten lassen, dass [X.] die Ablehnung der Änderung nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen hat.

aa) Sollte das [X.] die Änderung zu Recht abgelehnt haben, dann deshalb, weil [X.] ein grobes Verschulden am nachträglichen [X.]ekanntwerden der Ausgaben getroffen hätte, das nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausschließt. Wenn tatsächlich grobes Verschulden vorgelegen hätte, verböte sich ein Erlass, der die hierauf beruhenden steuerlichen Nachteile ausgliche, von selbst.

bb) Sollte das [X.] die Änderung zu Unrecht abgelehnt haben, so hätte es [X.] oblegen, gegen diese Ablehnung Einspruch einzulegen und ggf. zu klagen. Anhaltspunkte, warum es [X.] unzumutbar gewesen sein sollte, gegen den Ablehnungsbescheid den Rechtsweg zu beschreiten, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist dies nicht mehr damit zu erklären, dass zum damaligen [X.]punkt in den neuen [X.]undesländern noch eine allgemeine Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Instituts der [X.]etriebsaufspaltung bestanden haben könnte. Die [X.]etriebsaufspaltung war zum [X.]punkt des [X.] allen [X.]eteiligten präsent; es ging nur noch um etwaige Irrtümer hinsichtlich der Änderungsmöglichkeiten nach der [X.].

c) Für das [X.] gilt im Ergebnis das Gleiche. In der [X.], in der eine [X.]erücksichtigung der streitigen Ausgaben im Jahre 1995 noch möglich gewesen wäre, hat [X.] die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, nicht wahrgenommen. Nach Ablauf dieser [X.] kollidierte ein Erlass mit den grundsätzlichen Wertungen der §§ 172 ff. [X.]. Der [X.] kann und muss in diesem Zusammenhang daher nicht beurteilen, ob und wann spätestens keine Änderungsmöglichkeiten mehr bestanden.

aa) [X.]ereits bei Fertigung der Feststellungserklärung für 1995 und bei Erlass des ersten [X.]escheides für 1995 war [X.] bekannt, dass das [X.] die fraglichen Anschaffungskosten im Jahre 1993 nicht berücksichtigt hatte. Gerade weil sie diesen [X.]escheid akzeptiert hatte, bestand Anlass zu prüfen, ob und ggf. in welchem Jahr stattdessen eine [X.]erücksichtigung in Frage kommen könnte. Es beruhte auf einer freien Entscheidung der [X.], die Kosten nicht 1995, sondern 1994 geltend zu machen. In der Sache wäre der Ansatz der Kosten im Jahre 1995 auch nicht unzumutbar gewesen, sondern hätte sogar näher gelegen als der Ansatz im Jahre 1994. Dieser kam aus den im Urteil in [X.]E 210, 313, [X.] 2005, 758 dargelegten Gründen unter keinen Umständen in [X.]etracht. Für 1995 drängte sich die Überlegung, dass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Anschaffungskosten vom Veräußerungspreis abzusetzen sind, weil andernfalls Gewinne besteuert werden, die so nie entstanden sind, auch ohne besondere Überlegungen zur Systematik der Gewinnermittlung auf.

Spätestens nach Änderung des Feststellungsbescheides 1994 am 4. März 1999 hätte [X.] alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen müssen, um die Anschaffungskosten steuerlich noch zu berücksichtigen. Wenn sie darauf für das [X.] verzichtete und sich stattdessen darauf verließ, eine [X.]erücksichtigung im Jahre 1994 erreichen zu können, handelte sie auf eigenes Risiko. [X.]. hätte sie unter umfassender Wahrung aller Rechte und Möglichkeiten im Rechtsmittelwege die [X.]erücksichtigung in beiden Jahren geltend machen können. Zwar hätte sie bei einer solchen Vorgehensweise für das "falsche" Jahr das Kostenrisiko des finanzgerichtlichen Verfahrens zu tragen gehabt. Dies kompensiert indes lediglich die damit einhergehende Ausschaltung des Risikos, den Rechtsbehelf auf das falsche Jahr beschränkt zu haben.

bb) Die zuletzt genannte Möglichkeit zeigt gleichzeitig, dass von dem [X.]punkt an, zu dem der Feststellungsbescheid 1995 nicht mehr änderbar war, ein Erlass mit den Wertungen und Abgrenzungen der §§ 172 ff. [X.], namentlich des § 174 [X.], in Konflikt geriete.

Für intertemporale Kollisionen verschiedener Art stellt § 174 [X.] Änderungsmöglichkeiten zur Verfügung. Den hier vorliegenden negativen Widerstreit (doppelte Nichtberücksichtigung) zu korrigieren, ermöglicht § 174 Abs. 3 und 4 [X.] nur unter bestimmten, dort beschriebenen Voraussetzungen. Hätten diese Voraussetzungen vorgelegen, so hätte es wiederum [X.] oblegen, über einen Änderungsantrag und ggf. Rechtsmittel die Änderung diesen Regeln entsprechend durchzusetzen. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht im Erlasswege umgangen werden.

Eine allgemeine Änderungsmöglichkeit für den Fall, dass der Steuerpflichtige sein [X.]egehren nach [X.]erücksichtigung eines Sachverhalts in einem falschen Jahr anbringt und dies später erkennt, sieht das Gesetz nicht vor. Da es grundsätzlich in der Verantwortung des Steuerpflichtigen liegt, sein Anliegen in dem zutreffenden Jahr anzubringen, und er überdies unter Übernahme des entsprechenden Kostenrisikos das Risiko der Wahl des falschen Jahres ausschließen kann (vgl. unter [X.]), besteht keine Rechtsschutzlücke. Das Fehlen einer solchen Änderungsmöglichkeit ist daher nicht unbillig und gebietet einen Erlass nicht.

3. Aus dem Urteil in [X.]E 210, 313, [X.] 2005, 758 folgt nicht, dass ein [X.]illigkeitserlass ausgesprochen werden müsste. Der IV. [X.] hat mit seinen Formulierungen, dass die Änderung des Feststellungsbescheides 1995 "zu prüfen" und ggf. an eine [X.] "zu denken" sei, deutlich gemacht, dass diese [X.]emerkungen kein Präjudiz für die endgültige [X.]eurteilung beider Fragen enthalten sollten. Da 1995 nicht Streitgegenstand war, war das folgerichtig.

Meta

X R 9/09

19.10.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 8. Oktober 2008, Az: 4 K 904/07, Urteil

§ 173 Abs 1 Nr 2 AO, § 174 AO, § 227 AO, § 4 Abs 3 EStG 1990, § 126 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2010, Az. X R 9/09 (REWIS RS 2010, 2256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2256

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