Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. 2 StR 161/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5417

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Gegenstand

Mittäterschaft bei schwerer bzw. gefährlicher Körperverletzung: Voraussetzungen bei einer Förderung der Tatausführung durch Beschaffung des Tatwerkzeuges und Anwesenheit am Tatort, Voraussetzungen einer psychischen Unterstützung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2016, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer - Jugendkammer - des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen trafen am Abend des 20. Dezember 2015 der Mitangeklagte [X.], der ältere Bruder des Angeklagten, und der stark alkoholisierte Nebenkläger an der U.    in [X.]aufeinander. Möglicherweise kam es zwischen den beiden Männern zu einer verbalen Auseinandersetzung.

3

In der Folge erhielt der Angeklagte von [X.] einen Anruf, in dem dieser ihn aufforderte, ihm den Baseballschläger zu bringen, den er, [X.]  , im Ankleidezimmer seiner Wohnung aufbewahre. Der Angeklagte folgte dem Ansinnen und begab sich mit dem Baseballschläger zu dem wenige Meter entfernten Kinderspielplatz an der U.   . Er traf dort, wie verabredet, auf seinen Bruder und übergab ihm den Baseballschläger, damit dieser ihn gegen den Nebenkläger verwenden konnte. Über den geplanten Einsatz des [X.] hatte [X.]den Angeklagten zuvor am Telefon informiert.

4

Nachdem der Angeklagte seinem Bruder den Baseballschläger übergeben hatte, schlug dieser mit voller Wucht einmal auf den Kopf des [X.], der sofort zu Boden ging. Der Angeklagte und sein Bruder verließen den [X.]. [X.]  veranlasste kurze [X.] später die Zeugin [X.]  , einen Krankenwagen zu verständigen.

5

Der Schlag mit dem Baseballschläger war potentiell lebensgefährlich. Der Nebenkläger erlitt durch den Schlag eine Trümmerfraktur des Gehirn- und Gesichtsschädels sowie den dauerhaften Verlust des linken Augenlichts. Er musste längere [X.] stationär behandelt und mehrfach operiert werden. Bis heute leidet er physisch und psychisch unter den Folgen der Tat.

II.

6

Der Schuldspruch wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 226 Abs. 1 Nr. 1, 1. Var., 25 Abs. 2, 52 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

1. Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängt (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 2017 - 2 StR 220/17, juris Rn. 6; [X.], Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13; vom 22. März 2017 - 3 [X.], juris Rn. 12; vom 2. Juli 2008 - 1 [X.], [X.], 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 [X.], [X.], 253, 254).

8

2. Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar weist die [X.] zutreffend darauf hin, dass in dem Überbringen und der Übergabe des als Tatwerkzeug verwendeten [X.] durch den Angeklagten ein wesentlicher Tatbeitrag zu sehen ist, der die anschließende Tatausführung durch [X.]  überhaupt erst ermöglichte und maßgeblich prägte. Zudem war der Angeklagte am [X.] anwesend. Beides vermag aber, auch unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13), die Annahme von Mittäterschaft nicht zu rechtfertigen. Denn der Angeklagte hat weder die Tat initiiert, noch hat er an der unmittelbaren Tatausführung mitgewirkt. Auf die Auswahl des [X.] bzw. die Art der Tatausführung hatte er keinen Einfluss. Ein maßgebliches Tatinteresse ist nicht festgestellt.

9

Soweit die [X.] die Mittäterschaft mit dem „gemeinsamen [X.]“ begründet, wird diese Annahme nicht durch die Feststellungen belegt. Denn der Mitangeklagte [X.]  hatte im [X.]punkt des Anrufes beim Angeklagten den [X.] bereits gefasst und begehrte lediglich die Unterstützung seines Bruders durch Übergabe des Tatwerkzeugs.

Die Annahme der Kammer ein weiterer, die bisherige Tathandlung ergänzender, mittäterschaftlicher Tatbeitrag des Angeklagten habe darin gelegen, seinen Bruder am [X.] psychisch zu unterstützen, wird durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Die psychische Unterstützung eines [X.] setzt voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass dies dem unterstützenden [X.] bewusst ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, [X.], 351, 352; vom 30. April 2013 - 3 [X.], [X.], 249; Senat, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 14). Zum Beleg einer psychischen Unterstützung bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, [X.], 351, 352; vom 25. Oktober 2011 - 3 [X.], [X.], 316).

Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass die Anwesenheit des Angeklagten am [X.] die Tathandlung seines Bruders psychisch förderte, noch, dass der Angeklagte mit einer entsprechenden Willensrichtung am [X.] verblieb. Es versteht sich keineswegs von selbst, dass [X.]  von seinem jüngeren Bruder jenseits der Übergabe des [X.] eine weitere Unterstützung erbeten hätte. Denn der mit einem Baseballschläger bewaffnete [X.]  brauchte angesichts des hochgradig alkoholisierten [X.], der „ein leichtes“ und „weitgehend schutzloses Opfer“ war, für die geplante körperliche Attacke erkennbar keine weitergehende Unterstützung.

Letztlich wird auch die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe ein „nicht unwesentliches“ eigenes Interesse am [X.] gehabt, nicht durch die Feststellungen getragen. Dass es dem Angeklagten darum ging, „die gekränkte Familienehre wieder herzustellen“, hat die Kammer nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Dies lässt sich insbesondere nicht aus der „problematischen Vorgeschichte im Zusammenhang mit dem Geschädigten“ schließen. Denn die Feststellungen belegen weder, dass der Nebenkläger gegenüber einem Familienmitglied noch gegenüber den Hunden der Familie S.  übergriffig geworden ist. Hinsichtlich des „vermeintlichen“ Übergriffs auf die Schwester ist lediglich festgestellt, dass es im Dezember 2015 zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger auf der einen und den Zeuginnen De.   S.  - der Schwester des Angeklagten - und deren Freundin    [X.]  auf der anderen Seite gekommen war, in deren Folge der Nebenkläger mindestens einer [X.] mit der Hand einen „Klaps“ auf den Hinterkopf versetzt hatte.

Ob der nachtatlichen Behauptung des Angeklagten gegenüber der Zeugin [X.]  , der Nebenkläger habe nach dem Hund des [X.]  getreten, ein realer Tritt gegen den Hund zu Grunde lag, bleibt offen. Mit der naheliegenden Möglichkeit, dass diese Behauptung falsch war und allein zur Rechtfertigung der Tat vor der Zeugin [X.]  diente, hat die [X.] sich nicht auseinandergesetzt. Dies hätte aber nahegelegen, zumal keiner der beiden Angeklagten im Rahmen der Einlassung einen tatsächlichen Tritt des [X.] gegen den Hund des [X.]  geschildert hat.

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar eine Beihilfe des Angeklagten zu einer gefährlichen Körperverletzung in den festgestellten drei Tatmodalitäten sowie zu einer tateinheitlich hierzu begangenen schweren Körperverletzung durch den Mitangeklagten D.   [X.](§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, [X.]., 4 und 5, 226 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 27 StGB). Eine Schuldspruchberichtigung kommt gleichwohl nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können, die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen.

Appl     

       

Krehl     

       

Zeng   

       

Grube     

       

[X.]     

       

Meta

2 StR 161/17

13.09.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hanau, 21. Dezember 2016, Az: 3325 Js 935/16 - 2 KLs

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 224 StGB, § 226 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. 2 StR 161/17 (REWIS RS 2017, 5417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5417

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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