Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2018, Az. 1 StR 42/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6497

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:050718B1STR42.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 42/18

vom
5. Juli
2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

zu 1.:
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu 2.:
wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln

in
nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer
am 5. Juli
2018
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] OPf. vom 10. Oktober 2017 mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten W.

wegen uner-laubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter [X.] eines Teils der Freiheitsstrafe ange-ordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen die Angeklagte R.

hat es wegen Beihilfe zu der Tat des Angeklagten W.

eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt. Die von beiden Angeklagten mit der Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts geführte Revision hat jeweils schon mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an.
1. Nach den Urteilsfeststellungen erwarb der Angeklagte W.

am 2. April 2017 auf dem drei Kilometer von der deutsch-1
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tschechischen Grenze entfernten [X.] in C.

167,1 Gramm Metamphe-tamin zum überwiegenden gewinnbringenden Weiterverkauf, aber auch zum Eigenkonsum und führte das Rauschgift in seiner Jackentasche zu Fuß von der [X.] nach [X.] ein. Seine Schwester, die [X.]

, die Kenntnis von seinem Vorhaben hatte, entschloss

2. Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand, weil sich die Beweiswür-digung der [X.] als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist (§ 261 StPO).
a) Die Angeklagten haben zum Tatvorwurf im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung geschwiegen. Der Angeklagte W.

sein [X.] begleitet habe.
b) Das [X.] hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte W.

das Rauschgift in [X.] erworben und nach [X.] eingeführt und seine Schwester ihn begleitet habe, im [X.] aus der [X.] gewonnen. Beide Angeklagten befanden sich etwa einen Kilometer von der [X.] entfernt; sie [X.] zu Fuß auf einem Fuß-/Radweg landeinwärts zum nächst gelegenen Bahnhof, als sie aufgegriffen wurden. In seiner Jackentasche trug der Ange-klagte W.

das in zwei Kondome eingepackte Rauschgift. Die Angeklagte R.

trug einen Rucksack, in dem sich das zum Teil [X.] Verpackungsmaterial für die Kondome und Einweghandschuhe befanden. [X.] hat das [X.] ausgeführt, dass es vor diesem Hinter-3
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[X.] gewes-ä-
seinem Schweigerecht Gebrauch macht, dies nicht zu seinem Nachteil gewertet wer-den könne. Allerdings sei es weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestünden ([X.]).
c) Mit diesen Erwägungen verstößt die [X.] gegen den [X.] der Angeklagten.
aa) Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu [X.] oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht
Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Oktober 2015

3 [X.], [X.], 220 mwN). So liegt der Fall aber hier.
bb) Es ist zwar rechtlich zutreffend, dass der [X.] es nicht gebie-tet, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für de-ren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen. Das [X.] stellt jedoch in seiner Beweiswürdigung, aber auch in der rechtlichen Würdigung, an mehreren Passagen ([X.], 21, 22, 23 und 39) ausdrücklich darauf ab, dass sich die Angeklagten nicht zu den Gründen ihres Aufenthalts im Bereich des [X.] geäußert oder erklärt haben. Damit wird im Ergebnis zum Nachteil ge-6
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wertet, dass die Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht ha-ben.
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mit den [X.]. Der Senat weist weiter darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen zur [X.] der Angeklagten R.

eine Verurteilung wegen ei-ner Beteiligung an den Taten des Angeklagten W.

nicht tra-gen. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

.

d, ist den Urteilsgründen nicht zu [X.]. Ausweislich der rechtlichen Würdigung scheint die Kam-mer für die [X.] zunächst auf das bloße Begleiten des Angeklagten W.

abzustellen ([X.] 36).
Hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge kommt eine strafrechtlich relevante Unterstützungshandlung durch das Begleiten des Angeklagten W.

auf der Reise nach [X.] nicht in [X.]. Insoweit handelte
es sich

sogar noch bei der Übernahme der Betäubungsmittel im Ausland

lediglich um eine straflose Vor-bereitungshandlung (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BtMG, 8.
A., 2016, § 29, Teil 5, Rn. 116 [X.]), an der eine Teilnahme noch nicht möglich ist [X.], StGB, 65. A., 2018, § 27,
Rn. 3). Unterstellt, die Angeklagte sei in [X.] gewesen, gilt, dass das bloße Dabeisein und die Kenntnis von einem Rauschgifttrans-port ohne einen objektiv fördernden Beitrag nicht als Beihilfe zu werten ist ([X.], Beschluss vom 17. November 2009, 3 StR 9
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455/09, juris Rn. 4 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BtMG, 8. A., 2016, § 29, Teil 4, Rn. 232 und Teil 5, Rn. 176 jeweils [X.]).
Sofern eine psychische Beihilfe durch die Begleitung der Angeklag-ten in Betracht
kam, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, inwieweit sie hierdurch den Tatentschluss des Angeklagten W.

bestärkt oder ihn bei der Tatausführung unter-stützt hat (vgl. Fischer, StGB, 65. A., 2018, § 27, Rn. 11 [X.]). Insbesondere ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob und inwieweit die Anwesenheit der Angeklagten dem Angeklagten W.

ein Gefühl der Sicherheit bei der Tatausfüh-rung verschafft hat (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 2008,
4 [X.], juris Rn.
4).
Auch den Schuldspruch wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Han-deltreiben in nicht geringer Menge durch das Transportieren des Rucksacks ([X.] 37) tragen die Feststellungen nicht.
Unbeschadet des Umstands, dass sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob die Angeklagte tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Rucksacks hatte, stellt das Tragen eines Rucksacks eine neu-trale Alltagshandlung dar. Danach bleibt das Verhalten eines Bei-helfers straflos, wenn er kein sicheres Wissen vom [X.] hat und einen deliktischen Bezug nur für möglich hält (vgl. [X.]/[X.]/
[X.]/[X.], BtMG, 8. A., 2016,
§ 29,
Teil 4, Rn.
236). Zwar hat die Kammer in den Blick genommen ([X.] 38), dass der Transport des [X.] hat. Entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die den erhöhten Anforderungen bei [X.] Alltagshandlungen entsprechen, fehlen jedoch in den Urteils--
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gründen. Die bloße Feststellung, dass die Voraussetzungen gege-ben seien, genügt insoweit nicht (UA

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so wie hier -

Selbst wenn der Angeklagten der Inhalt des Rucksacks vor ihrer vorläufigen Festnahme bekannt geworden sein sollte, hätte es einer
näheren Begründung bedurft, weshalb in dem Tragen desselben eine taugliche [X.] zu sehen sein soll. Eine solche setzt gemäß § 27 Abs. 1 StGB voraus, dass sie den Taterfolg des [X.] in irgendeiner Weise objektiv erleichtert oder fördert
[X.], StGB, 65. A., 2018, § 27,
Rn. 14 [X.]; [X.]/[X.]/
[X.]/[X.], BtMG, 8. A., 2016, § 29, Teil 4, Rn. 236). Dies [X.] beim Tragen eines weitgehend leeren und mithin leichten -
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Rucksacks, auf den der Haupttäter für den Transport der [X.] objektiv nicht angewiesen war, zweifelhaft. Der Ab-transport einer geringfügigen Menge
an Verpackungsmüll war [X.] nicht geeignet, das unerlaubte Handeltreiben des Ange-

Raum Jäger Bellay

Fischer Hohoff

Meta

1 StR 42/18

05.07.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2018, Az. 1 StR 42/18 (REWIS RS 2018, 6497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6497

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1 StR 42/18

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