Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2017, Az. 1 StR 188/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9776

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Gegenstand

Bewaffnete unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Erfüllung des Qualifikationstatbestands bei Mitsichführen eines Klappmessers


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2016, soweit es die Angeklagte betrifft,

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagte

in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe der Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen sowie

in Fall II. 3. der Urteilsgründe der bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und

in Fall II. 5. der Urteilsgründe der bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

schuldig ist;

b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, sowie hinsichtlich der Bestimmung des [X.] aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen bewaffneten unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Das [X.] hat die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel von der ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre und sechs Monate zu vollziehen sind.

2

Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

[X.]

3

1. [X.] für die unter [X.] 2. bis 5. der Urteilsgründe festgestellten Taten hat keinen Bestand. Der [X.] hat in seiner Antragsschrift vom 20. April 2017 dazu unter anderem ausgeführt:

„1. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen täterschaftlichen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a BtMG) nicht. Ob die Beteiligung an einem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder als Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über diese Beteiligungsformen. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängt (st.Rspr.; vgl. [X.], 482). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st.Rspr.; vgl. [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 58 m.w.N.).

Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände sind die jeweiligen Tatbeiträge der Angeklagten in Bezug auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Gehilfentätigkeit zu werten. Sie erschöpften sich darin, die Mitangeklagten bei deren Aktionen zu begleiten oder für diese eng umgrenzte Aufträge zu erfüllen. Die von der [X.] zur Begründung der Mittäterschaft zitierte Fundstelle ([X.]/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rdnr. 121) bezieht sich demgegenüber auf den selbständig tätigen Kurier. Entgegen der Revision ([X.]) liegt eine Beteiligung am vollendeten Handeltreiben vor. Vollendung tritt ein, wenn der Täter mit seinen umsatzfördernden Bemühungen in Worten oder Taten erkennbar begonnen hat. Dabei reicht bereits der Eintritt in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer bei einem beabsichtigten An- und Verkauf zum gewinnenden Weiterverkauf aus (Körner/[X.]/[X.] § 29 Teil 4 Rdnr. 196 f). Dies hat die [X.] jeweils festgestellt ([X.]-31).

Dagegen hat sich die Angeklagte in den Fällen [X.] 3. und 5. der Urteilsgründe nach den Feststellungen der täterschaftlichen unerlaubten bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) schuldig gemacht. Dem steht nicht entgegen, dass die Angeklagte ständig von anderen Bandenmitgliedern überwacht wurde und entsprechend der Absprache mit diesen Anweisungen entgegennahm. Denn sie erfüllte dennoch in eigener Person alle Tatbestandsmerkmale der Einfuhr mit Wissen und Wollen und ist deshalb Mittäterin ([X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 - Täter 1; Körner/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 29 Teil 5 Rdnr. 169). Anders als im Fall der täterschaftlichen Beteiligung am bandenmäßigen Handeltreiben (vgl. [X.], 216) kommt der täterschaftlichen Einfuhr neben der bloßen Beihilfe zum Bandenhandel selbständige rechtliche Bedeutung zu, so dass Tateinheit gegeben ist.

...

2. Entgegen den Revisionsvorbringen ([X.]) tragen die Feststellungen die Verurteilung der Angeklagten jeweils wegen bandenmäßiger Begehungsweise. Die Verbindung zu einer Bande setzt voraus, dass sich mindestens drei Personen mit ausdrücklich oder schlüssig bekundeten ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, künftig für eine gewisse Dauer selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten der in den §§ 30 a Abs. 1 BtMG genannten Art zu begehen ([X.]R BtMG § 30a - Bande 9 m.w.N.). Erforderlich ist ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen. Für den auf gewisse Dauer angelegten und verbindlichen Gesamtwillen ist kennzeichnend, dass die Mittäter ein gemeinsames übergeordnetes Bandeninteresse verfolgen. Dies ist hier der Fall: Alle Angeklagten waren in eine auf Dauer angelegte deliktische Gruppierung eingebunden, die vom Erwerb und der Einfuhr der Betäubungsmittel aus [X.] bis hin zur Weiterveräußerung im Inland arbeitsteilig aufgebaut war. Auch die Angeklagte, die zwar erst später in die Bandenstruktur eintrat, die aber als Körperschmugglerin in mehreren Fällen nicht nur völlig untergeordnete Beiträge erbrachte, hat zur Verwirklichung des [X.] maßgeblich beigetragen. Auch der Umstand, dass die Aufgaben der Angeklagten in den Fällen [X.] 2. und 4. bei wertender Betrachtung nur als Gehilfentätigkeit erscheinen, hindert die Beteiligung als Mitglied der Bande nicht ([X.]R BtMG § 30a - Bande 10).

Entgegen der Auffassung der Revision ist gegen die Beweiswürdigung insoweit nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer tragfähigen Grundlage, ist nicht in sich widersprüchlich oder unklar oder lückenhaft und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Soweit die Revision mit teilweise urteilsfremdem Vorbringen ersucht, die Wertung des Tatgerichts durch eigene Schlussfolgerungen zu ersetzen, wie zum Beispiel die Bewertung der Einlassungen der Angeklagten und der Mitangeklagten, kann sie damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.“

4

Diesen Ausführungen des [X.]s schließt sich der Senat an.

5

Indem die Angeklagte in Fall [X.] 5. der Urteilsgründe das Rauschgift von [X.] aus nach [X.] eingeführt und dabei - wie die Kammer aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung festgestellt hat - ein Klappmesser und damit einen sonstigen Gegenstand, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, mit sich geführt hat, ist zugleich tateinheitlich der [X.] des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. November 2012 - 3 [X.] und vom 11. Juni 2002 - 3 [X.], [X.], 277; [X.]/[X.]/[X.], 8. Aufl., BtMG, § 29 Teil 5 Rn. 8 f. sowie § 30a [X.] 3 Rn. 74 ff., 106 ff. BtMG, jeweils mwN).

6

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil die Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

7

2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen nach sich.

8

3. Die Aufhebung im Strafausspruch lässt die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unberührt. Die Bestimmung des [X.] war hingegen ebenfalls aufzuheben.

Raum     

       

Jäger     

       

Bellay

       

Cirener     

       

Hohoff     

       

Meta

1 StR 188/17

08.06.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hof, 22. November 2016, Az: 313 Js 2559/16 - 5 KLs

§ 30a Abs 2 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2017, Az. 1 StR 188/17 (REWIS RS 2017, 9776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9776

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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