Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.06.2010, Az. 27 W (pat) 32/09

27. Senat | REWIS RS 2010, 5695

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - Löschungsverfahren - "Neue Post (Wort-Bild-Marke)" - grafische Ausgestaltung führt umso eher zur Schutzfähigkeit, je komplexer die Grafik ist


Leitsatz

Neue Post

Die grafische Ausgestaltung einer Marke führt umso eher zur Schutzfähigkeit, je komplexer die Grafik ist, auch wenn die einzelnen grafischen Elemente, jeweils für sich genommen werbeüblich sind.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 46 412

(hier: Löschungsverfahren [X.]/06 Lö)

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2010 durch [X.] [X.] und [X.] und Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin hat am 15. Mai 2006 die teilweise Löschung der am 3. August 2005 angemeldeten und seit 21. Oktober 2005 im Register für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 7 bis 9, 11, 14, 16, 18, 21, 24, 25, 28, 34, 35, 38, 39, 41 bis 44  in den Farben weiß, rot, grün und gelb eingetragenen Bildmarke

Abbildung

2

für folgende Waren und Dienstleistungen beantragt:

3

4

5

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7

8

9

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 11. Juni 2007 den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Marke sei ungeachtet eines möglichen beschreibenden Begriffsinhalts der in ihr enthaltenen Wortfolge, der ohnehin nur bei einem Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Betracht kommen könne, jedenfalls aufgrund ihrer Grafik bei ihrer Eintragung schutzfähig gewesen, da diese eine hinreichende prägnante Eigenart aufweise.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie hält die angegriffene Marke für nicht schutzfähig, weil die Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend sei und die Grafik allein für eine Schutzfähigkeit nicht ausreiche, denn letztere unterscheide sich nicht von den zahlreichen, von ihr im Einzelnen benannten angemeldeten Bildmarken mit [X.], bei denen ebenfalls eine Schutzfähigkeit allein aufgrund ihrer mit derjenigen der hier angegriffenen Marke vergleichbaren Grafik verneint worden sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 11. Juni 2007 aufzuheben.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält bereits eine beschreibende Bedeutung der Wortbestandteile der angegriffenen Marke für die angegriffenen Waren und Dienstleistungen für nicht gegeben und erachtet die Grafik im Übrigen für (ebenfalls) schutzbegründend, weil sie sich sogar von den eingetragenen Marken mit dem Bestandteil „Post“, die aufgrund ihrer deutlich geringeren Grafik für schutzfähig erachtet worden seien, erheblich absetze.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II.

A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung der angegriffenen Marke nach §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen.

1. Der Senat teilt die Auffassung der Markenabteilung, dass die angemeldete Bezeichnung bei ihrer Eintragung nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen war, sondern ungeachtet eines möglichen beschreibenden Begriffsinhalts ihrer Wortbestandteile, die auf sich beruhen können, zumindest  aufgrund ihrer Grafik zu Recht eingetragen worden war.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. [X.] vom 11.02.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] – [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Dies war bei der vorliegend zu beurteilenden Kennzeichnung bei ihrer Eintragung der Fall, weil sie ungeachtet eines möglichen beschreibenden Begriffsinhalts ihrer Wortbestandteile jedenfalls schon deshalb schutzfähig war, weil sich die grafischen Elemente, die in ihrer ganz konkreten Ausgestaltung nicht [X.] sind, bereits einen Schutz der angemeldeten Kennzeichnung begründeten (vgl. [X.], 1201, 1202 - [X.]).

c) Zwar gilt der Grundsatz, dass an die Grafik umso stärkere Anforderungen zu stellen sind, je beschreibender die Wortbestandteile eines Bildzeichens sind. Selbst wenn hier aber zugunsten der Antragstellerin von einem - allerdings nicht ohne Weiteres ersichtlichen - glatt beschreibenden Begriffsinhalt der Wortbestandteile ausgegangen würde, so dass an die Grafik die strengsten Anforderungen zu stellen wären, ist wegen der Komplexität der konkreten Gesamtgestaltung eine Schutzfähigkeit der Marke zu bejahen.

Zwar mögen die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen die vorliegend zu beurteilende Bildmarke zusammengesetzt ist - insbesondere die Inverswiedergabe der Wortbestandteile (d. h. in Form von weißen Buchstaben auf dunklem farbigen Hintergrund) und die Schreibweise der Buchstaben, welche üblichen Schreibtypen entspricht - je für sich genommen noch als [X.] anzusehen sein. Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke ist aber nicht in einer analysierenden Betrachtung allein auf die für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile abzustellen, vielmehr ist der Beurteilung der Schutzfähigkeit im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als [X.] anzusehen ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Dabei ist auch die Komplexität der Gestaltung ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der [X.] nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen. Eine solche Komplexität kann vorliegend aber nicht verneint werden. So werden die Wortbestandteile nicht nur auf zwei Zeilen aufgeteilt, sondern auch die jeweiligen Hintergründe verschiedenfarbig gehalten. Hinzu tritt die zusätzliche Umrahmung der [X.] durch ein mit dickem gelbem Strich gehaltenes Quadrat. Schließlich kann auch für die Farbzusammenstellung von weiß, rot, grün und gelb eine Werbeüblichkeit nicht festgestellt werden; in der Verbindung von vier Farben unterscheidet sich im Übrigen auch die angegriffene Marke von den von der Antragstellerin genannten zurückgewiesenen Bildmarken, welche in aller Regel nur eine geringere Zahl an Farben - häufig nur zwei, höchstens drei - enthielten. Die ganz konkrete Zusammenstellung verschiedenster Gestaltungsmittel auch wenn sie für sich genommen [X.] sein mögen, genügten damit noch, um eine Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke im Eintragungszeitpunkt selbst dann noch zu begründen, wenn ein beschreibender Begriffsinhalt ihrer Wortbestandteile unterstellt wird. Damit scheidet aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin ein Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schon infolge der Grafik der angegriffenen Marke aus.

2. Da die Markenabteilung somit zu Recht den Löschungsantrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hatte, war deren hiergegen gerichteten Beschwerde der Erfolg zu versagen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligten ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Meta

27 W (pat) 32/09

21.06.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.06.2010, Az. 27 W (pat) 32/09 (REWIS RS 2010, 5695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5695

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