Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.06.2010, Az. 27 W (pat) 521/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 5428

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "LATINA (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2008 003 798.9

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 25. Juni 2010 durch [X.] [X.] und [X.] und Kruppa

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] (Markenstelle für Klasse 18) vom 8. Dezember 2009 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 8. Dezember 2009 die Anmeldung der in den Farben braun und weiß beanspruchten Darstellung

Abbildung

2

für die Waren und Dienstleistungen

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[X.]:

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nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die Bezeichnung „[X.]“ sei eine geografische Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], weil es sich hierbei um den Namen der Hauptstadt der [X.] handele. Der somit bestehenden Vermutung, dass an der freien Verwendbarkeit der genannten Ortsangabe ein schützenswertes Allgemeininteresse bestehe, stünden keine konkreten Anhaltspunkte entgegen, denen zufolge das Publikum wegen entsprechender Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warengebiet oder wegen der Eigenschaften des Ortes mit der fraglichen geografischen Angabe keinen beschreibenden Aussagegehalt verbinde; vielmehr spräche sogar einiges dafür, dass die geografische Angabe „[X.]“ für die beteiligten Verkehrskreise als beschreibender Herkunftshinweis in Frage komme, da es sich bei „[X.]“ um eine bedeutende und bekannte, am [X.] gelegene Urlaubsregion handele und die Textil- und Lederindustrie in [X.] stark vertreten sei. Es könne daher zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich künftig einschlägige Betriebe in der Region oder der Stadt [X.] ansiedelten. Wegen ihrer Eignung zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei die [X.] in Bezug auf die fraglichen Waren auch wegen fehlender Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung auszuschließen.

8

Mit ihrer Beschwerde macht  die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die [X.] sei schutzfähig, weil der Bestandteil „[X.]“ nicht als geografische Angabe in Betracht komme. Die entsprechende [X.] Kleinstadt sei dem inländischen Publikum nicht bekannt und für die beanspruchten Waren auch nicht renommiert. Es handele es sich auch nicht um eine bedeutende und bekannte Urlaubsregion; auch treffe nicht zu, dass dort bereits eine Textilindustrie ansässig oder dies in Zukunft zu erwarten sei. Der inländische Verbraucher werde den Begriff „[X.]“ daher in der Regel als Fantasiebezeichnung ansehen.

9

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 8. Dezember 2009 aufzuheben.

Zu dem Hinweis des Senats, dass der Begriff „[X.]“, der im Inland vorrangig als Bezeichnung einer Hispanoamerikanerin bekannt sei, auch als Hinweis auf weibliche Frauenmode in Betracht komme, hat die Anmelderin innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellung genommen.

II.

A. Die nach § 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Kennzeichnung ist für die beanspruchten Waren weder wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft noch als mögliche beschreibende Angabe nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, denn die angemeldete Bezeichnung besteht nicht zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. [X.], [X.] 2004, 450, 453 [Rz 32] - [X.]; [X.] 2008, 160, 162 [Rz. 35] - [X.]) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu [X.], 1093, 1094 – [X.]; [X.], 211, 232 – [X.]), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. [X.], 417, 419 – [X.]). Dabei kann dahinstehen, ob der in der [X.] enthaltene Begriff „[X.]“ eine beschreibende Angabe darstellt. Selbst wenn dies der Fall wäre, hat die Markenstelle verkannt, dass es sich bei der [X.] um eine Bildmarke handelt. Wie sich jedoch aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] („ausschließlich“) ergibt, sind Bildmarken von der Eintragung nach dieser Vorschrift nur dann ausgeschlossen, wenn auch ihre Bildbestandteile - bei denen es sich ebenfalls um „Zeichen“ i. S. d. Wortlauts des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] handelt - einen beschreibenden Inhalt haben. Weder die ausschmückende Schreibweise des Wortes noch der hellbraune Hintergrund noch die dem Wort unterlegte Grafik weisen aber beschreibende Bezüge zu den beanspruchten Waren auf, so dass ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von vornherein ausscheidet.

2. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ist die angemeldete Bezeichnung auch nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Entgegen der Ansicht der Markenstelle lässt sich dies für die vorliegend zu beurteilende angemeldete Bezeichnung wegen ihrer grafischen Ausgestaltung nicht feststellen.

c) Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der in der [X.] enthaltene Begriff „[X.]“ nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. [X.], 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – [X.]; [X.], [X.], 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION ). Allerdings spricht vieles dafür, dass dieser Begriff von maßgeblichen Teilen der inländischen Abnehmern der beanspruchten Waren - dies ist nach deren Art die Gesamtbevölkerung - in einer seiner möglichen Bedeutungen nur als Hinweis auf ein mögliches Merkmal der beanspruchten Waren verstanden wird (vgl. [X.] GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] - [X.]; [X.] 2003, 450, 453 [Rz. 32] - [X.]; [X.] 2004, 99, 109 [Rz. 97] - [X.]; [X.] 2004, 111, 115 [Rz. 38] - [X.]). Denn worauf der Senat die Anmelderin bereits hingewiesen hatte, ist das Wort „[X.]“ in der [X.] Umgangssprache als Bezeichnung für Hispanoamerikanerinnen geläufig (vgl. [X.] - [X.] Universalwörterbuch, 6. Aufl. [X.] 2006 [CD-ROM], Stichwort „[X.]“ unter Verweisung auf die männliche Form „Latino“; [X.] - [X.], 9. Aufl. [X.] 2007 [CD-ROM], Stichwort „[X.]“). Jedenfalls bei Teilen der beanspruchten Waren aus Klasse 18 sowie bei allen beanspruchten Waren der [X.] wird der Verkehr diesen Begriff daher ohne Mühe nur als Hinweis auf eine lateinamerikanische Modelinie verstehen.

d) Auch wenn damit der Schutzumfang der [X.] zumindest für die vorgenannten Waren den Begriff „[X.]“ nicht umfasst und der Anmelderin aus diesem gegenüber [X.] keine Rechte herleiten kann, bedeutet dies noch nicht, dass die [X.] aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung völlig vom Markenschutz ausgenommen ist. Da es sich bei ihr um eine Bildmarke handelt, können die bildlichen Bestandteile nämlich bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft nicht außer Betracht gelassen werden. Allerdings können auch grafische Elemente den Schutz einer angemeldeten Kennzeichnung nicht begründen, wenn es sich bei ihnen nur um werbeübliche Gestaltungsformen handelt oder diese den an sie zu stellenden Anforderungen, die umso höher sind, je stärker der beschreibende Gehalt der Wortelemente ist, nicht gerecht werden (vgl. [X.] WRP 2001, 1201, 1202 - [X.]). Beides ist indessen vorliegend nicht der Fall, weil die in der [X.] enthaltene konkrete Gestaltung eine den Schutz begründende hinreichende Komplexität aufweist.

Zwar ist die Hinterlegung eines in weißen Buchstaben wiedergegebenen Begriffs mit einer farbigen Hintergrundfarbe, die vorliegend sich zudem von der üblichen schwarzen bzw. dunkelgrauen Farbe kaum abhebt, und die Ausschmückung einzelner Buchstaben - wie hier bei den jeweils äußeren Buchstaben „L“ und „A“ sowie „N“ und „A“ - in der Werbung üblich. Dies lässt sich allerdings von dem vergleichsweise aufwändig gehaltenen Ornament, welches unter dem Wort angeordnet ist und wie eine Unterstreichung wirkt, nicht mehr sagen. Schließlich ist auch die in der vorliegend zu beurteilenden [X.] ganz konkret gewählte Anordnung einzelner Gestaltungsmittel als solche nicht werbeüblich, selbst wenn sie sich üblicher Gestaltungsmittel bedient. In ihrer Gesamtheit kann der aus mehreren Mitteln bestehenden bildlichen Gestaltung der [X.] eine hinreichende Eigenart nicht abgesprochen werden, so dass dieser infolge ihrer Grafik die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche Unterscheidungskraft letztlich nicht abgesprochen werden kann.

Der danach zu bejahenden Schutzfähigkeit stehen auch Belange der Allgemeinheit (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 51] – [X.]) nicht entgegen, weil die Anmelderin bei einer ungerechtfertigten Geltendmachung angeblicher Rechte aus dem für sich genommen schutzunfähigen Wortbestandteil oder aus einzelnen Gestaltungsmitteln gegenüber der von [X.] vorgenommenen - auch markenmäßigen - Verwendung von Kennzeichnungen, welche einen identischen oder ähnlichen Wortbestandteil enthalten oder sich identischer oder ähnlicher einzelner Gestaltungsmittel bedienen, ohne die allein schutzbegründende konkrete Gestaltungsform der [X.] aufzuweisen, mit zivil- (vgl. [X.], 882 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung) und ggf. auch mit strafrechtlichen (§§ 263, 22, 23 StGB) Folgen zu rechnen hätte.

3. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der [X.] zu Unrecht die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Meta

27 W (pat) 521/10

25.06.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.06.2010, Az. 27 W (pat) 521/10 (REWIS RS 2010, 5428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5428

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