Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2014, Az. 2 B 92/13, 2 B 92/13 (2 C 24/14)

2. Senat | REWIS RS 2014, 2698

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Gegenstand

Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst bei fehlender zeitlicher und örtlicher Konkretisierung der Dienstleistungspflicht; Revisionszulassung


Tenor

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 4. Juli 2013 wird aufgehoben, soweit das Oberverwaltungsgericht darin die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] und die Bescheide der [X.] über den Verlust seiner Dienstbezüge für die [X.] vom 15. Juli 2010 bis zum 9. August 2010 (Schulferien) zurückgewiesen hat.

Insoweit wird die Revision zugelassen.

Im Übrigen wird die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 4. Juli 2013 zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

[X.]ie zulässige [X.]eschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 4. Juli 2013 ist begründet, soweit er sich gegen den Verlust seiner [X.]ienstbezüge wegen schuldhaften Fernbleibens vom [X.]ienst für die [X.] vom 15. Juli 2010 bis zum 9. August 2010 (Schulferien) wendet. Insoweit ist die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

2

Im Übrigen ist die [X.]eschwerde hinsichtlich des weiter streitgegenständlichen [X.]raums des Verlustes der [X.]ienstbezüge vom 28. Mai 2010 bis zum 14. Juli 2010 (Unterrichtszeit) unbegründet. [X.]ie von der [X.]eschwerde weiter nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten Revisionszulassungsgründe einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache liegen nicht vor.

3

[X.]er 1951 geborene Kläger steht seit 1975 als beamteter Lehrer im [X.]ienst des [X.]. Seit November 2009 versah er krankheitsbedingt keinen [X.]ienst. Sein behandelnder Facharzt bescheinigte ihm fortwährend Arbeitsunfähigkeit. [X.]er vom [X.] mit der Überprüfung der [X.]ienstfähigkeit beauftragte Amtsarzt befand den von ihm untersuchten Kläger als Lehrer hingegen für uneingeschränkt dienstfähig. [X.]araufhin forderte der [X.]eklagte den Kläger auf, spätestens am 17. Mai 2010 den [X.]ienst an der [X.] mit der bisherigen Stundenzahl wieder aufzunehmen. Gleichwohl trat der Kläger seinen [X.]ienst erst an, nachdem er dazu am 9. August 2010 seine [X.]ereitschaft erklärt hatte. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht eine vom Kläger beantragte einstweilige Anordnung gegen die Aufforderung zur [X.] am 5. August 2010 abgelehnt.

4

Mit weiterem [X.]escheid stellte der [X.]eklagte den Verlust der [X.]ienstbezüge des [X.] wegen schuldhaften Fernbleibens vom [X.]ienst fest. [X.]ie dagegen gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger auf der Grundlage der amtsärztlichen Feststellungen für den [X.]raum vom 28. Mai 2010 bis zum 9. August 2010 dienstfähig gewesen sei. [X.]aher sei er dem [X.]ienst auch während der Ferien vom 15. Juli 2010 bis zum 9. August 2010 unerlaubt ferngeblieben. Zwar habe während dieser [X.] für den Kläger keine in örtlicher Hinsicht konkretisierte [X.]ienstleistungspflicht bestanden. [X.]er Kläger habe seinem [X.]ienstherrn mit Ferienbeginn aber nicht zu erkennen gegeben, wieder [X.]ienst tun zu wollen. Insbesondere habe er nicht erklärt, eigenverantwortlich zu Hause zu arbeiten oder Erholungsurlaub zu nehmen. [X.]azu sei er verpflichtet gewesen, weil sich die in seiner Person liegenden Umstände weder objektiv noch subjektiv gegenüber der [X.] seines schuldhaften Fernbleibens vom [X.]ienst vor Ferienbeginn verändert hätten.

5

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang bundesgerichtlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. [X.]eschluss vom 24. Januar 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

6

[X.]er Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Lehrer während der Schulferien unerlaubt dem [X.]ienst fernbleiben kann.

7

[X.]er gesetzliche [X.]egriff des unerlaubten Fernbleibens vom [X.]ienst im Sinne von § 9 [X.][X.]esG ebenso wie in § 96 Abs. 1 [X.][X.]G, § 62 Abs. 1 Satz 1 L[X.]G NRW erfasst Verstöße gegen die formale [X.]ienstleistungspflicht. [X.]iese Pflicht verlangt von [X.]eamten, sich während der vorgeschriebenen [X.] an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten, um die dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Solange ein [X.]eamter dienstunfähig ist, ist er von der [X.]ienstleistungspflicht befreit, weil er sie nicht erfüllen kann (stRspr; vgl. Urteile vom 25. September 2003 - [X.]VerwG 2 [X.] 49.02 - [X.] 240 § 9 [X.][X.]esG Nr. 26, vom 11. Oktober 2006 - [X.]VerwG 1 [X.] 10.05 - [X.] 232 § 73 [X.][X.]G Nr. 30 Rn. 34 und vom 10. April 1997 - [X.]VerwG 2 [X.] 29.96 - [X.]VerwGE 104, 230 <232>).

8

[X.]emzufolge ist geklärt, dass der dienstfähige [X.]eamte dem [X.]ienst unerlaubt fernbleibt, wenn er die zeitlich und örtlich konkretisierte Pflicht zur [X.]ienstleistung nicht erfüllt, d.h. nicht (rechtzeitig) zum [X.]ienst erscheint oder sich vor der [X.] entfernt. [X.]agegen hat das [X.]undesverwaltungsgericht bislang nicht entschieden, ob unerlaubtes Fernbleiben vom [X.]ienst im Sinne von § 9 [X.][X.]esG auch ohne zeitliche und örtliche Konkretisierung der [X.]ienstleistungspflicht in [X.]etracht kommt, wie dies bei Lehrern während der [X.]en der Schulferien der Fall ist.

9

[X.]as [X.]undesverwaltungsgericht hat zu der Frage der [X.]ienstleistung von Lehrern während der Unterrichtszeit im Urteil vom 30. August 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 23.10 - [X.]VerwGE 144, 93 Rn. 13 ausgeführt:

Für Lehrer ist zu beachten, dass die zeitliche Festlegung der Unterrichtsverpflichtung, nicht aber der übrigen [X.]ienstpflichten der [X.]esonderheit Rechnung trägt, dass Lehrer nur während ihrer Unterrichtsstunden und weiteren anlassbezogenen [X.]ienstpflichten (wie Teilnahme an [X.], Gespräche mit Eltern, Pausenaufsicht u.a.) zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet sind. [X.]agegen bleibt es ihnen überlassen, wo und wann sie die [X.]ienstpflichten der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts einschließlich der Korrektur von Klassenarbeiten erfüllen (vgl. Urteile vom 23. September 2004 - [X.]VerwG 2 [X.] 61.03 - [X.]VerwGE 122, 65 <66 f.> = [X.] 240 § 6 [X.][X.]esG Nr. 23 S. 5 m.w.N. und vom 23. Juni 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 21.04 - [X.]VerwGE 124, 11 <13> = [X.] 240 § 6 [X.][X.]esG Nr. 24 S. 13).

[X.]agegen hat die Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, soweit das Oberverwaltungsgericht ein schuldhaftes unerlaubtes Fernbleiben des [X.] vom [X.]ienst für die [X.] vom 28. Mai 2010 bis zum 14. Juli 2010 angenommen hat. Für diesen [X.]raum bestand eine zeitlich und örtlich konkretisierte [X.]ienstleistungspflicht des [X.] während der Unterrichtsstunden und weiterer dienstlicher Anlässe, die seine Anwesenheit in der Schule erforderten. [X.]ie entscheidungserhebliche Frage nach der Feststellung der [X.]ienstfähigkeit eines abwesenden [X.]eamten ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt: [X.]anach kommt der medizinischen [X.]eurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes im Grundsatz Vorrang vor der [X.]eurteilung des behandelnden Privatarztes zu (vgl. zu den Voraussetzungen des Vorrangs: Urteil vom 11. Oktober 2006 a.a.[X.] Rn. 36). [X.]as Oberverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung dem [X.]erufungsurteil zugrunde gelegt.

Auch die weitere Frage der [X.]eschwerde, ob der Kläger dem [X.]ienst während des von ihm angestrengten einstweiligen Anordnungsverfahrens gegen die Aufforderung zur [X.] zum 17. Mai 2010 habe fernbleiben dürfen, lässt sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts eindeutig beantworten. [X.]ie Aufforderung zur [X.] nach Feststellung der [X.]ienstfähigkeit durch den Amtsarzt ist ein bloßer Hinweis auf die gesetzliche Pflicht des [X.]eamten zur [X.]ienstleistung im Sinne einer innerdienstlichen Weisung (Urteil vom 13. Juli 1999 - [X.]VerwG 1 [X.] 81.97 - [X.] 232 § 73 [X.][X.]G Nr. 13 S. 6). [X.]er dagegen vom Kläger beantragten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kommt deshalb keine aufschiebende Wirkung zu, sodass er die Weisung bis zur Entscheidung des [X.] hätte befolgen müssen ([X.]eschluss vom 27. Januar 1995 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.] 310 § 80 Nr. 60).

[X.]es Weiteren rechtfertigt auch die Frage nach dem Verhältnis von Urlaubs- und Eigenarbeitszeit während der Schulferien keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung, weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. [X.] ist allein, ob der Kläger dem [X.]ienst gemäß § 9 Satz 1 [X.][X.]esG schuldhaft ferngeblieben ist. Für die Entscheidung, ob es daran fehlt oder ein schuldhaftes Fernbleiben zu bejahen ist, kommt es auf die Verteilung von Urlaub und Eigenarbeit während der ([X.] nicht an.

Soweit sich die [X.]eschwerde für ein erlaubtes Fernbleiben des [X.] vom [X.]ienst schließlich auf die Verwaltungsvorschrift des § 12 Abs. 1 der Allgemeinen [X.]ienstordnung für Lehrer und Lehrerinnen, Schulleiter und Schulleiterinnen an öffentlichen Schulen in [X.] vom 20. September 1992 (A[X.]O, GA[X.]l. [X.]) beruft, handelt es sich nicht um revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ([X.]eschluss vom 1. April 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 90.08 - juris Rn. 6).

[X.]ie Feststellung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

2 B 92/13, 2 B 92/13 (2 C 24/14)

24.09.2014

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Juli 2013, Az: 3 A 1879/11, Urteil

§ 9 BBesG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2014, Az. 2 B 92/13, 2 B 92/13 (2 C 24/14) (REWIS RS 2014, 2698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2698

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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