Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2020, Az. V R 48/19

5. Senat | REWIS RS 2020, 3286

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zur Steuerbarkeit und Steuerpflicht einer Auslandsunfallversicherung


Leitsatz

1. Die gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII abgeschlossene Auslandsunfallversicherung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG im Inland steuerbar, soweit die versicherten Personen als Arbeitnehmer des inländischen Unternehmers (Versicherungsnehmer) ihrer Beschäftigung im Ausland nachgehen.

2. Die Auslandsunfallversicherung gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII ist nicht nach § 4 Nr. 3 VersStG von der Versicherungsteuer befreit.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 06.06.2018 - 2 K 3284/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Berufsgenossenschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ([X.]). Auf der Grundlage von § 140 Abs. 3 Satz 3 des [[X.].] ([[X.].]) bietet die Klägerin ihren Mitgliedern als Trägerin der Auslandsversicherung den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung ([[X.].]) gemäß § 140 Abs. 2 [[X.].] für deren Arbeitnehmer an. Nach § 3 Abs. 1 der Richtlinien für die Auslandsunfallversicherung u.a. der [X.] vom 01.01.2016 (Richtlinien [[X.].]) wird "auf Antrag des Unternehmers (…) für ins Ausland entsandte Personen Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Versicherungsfälle) im Ausland gewährt, wenn diese Personen nicht bereits aufgrund des [X.] (Ausstrahlung) oder des zwischen- oder überstaatlichen Rechts versichert sind". Nach § 4 Abs. 1 der Richtlinien [[X.].] ist Voraussetzung für die Gewährung des Versicherungsschutzes eine Auslandstätigkeit im Zusammenhang mit einer Beschäftigung oder ehrenamtlichen Tätigkeit bei einem inländischen Unternehmen. Das [X.] teilte der Klägerin 2013 mit, dass die [[X.].] Teil der öffentlich-rechtlichen Sozialversicherung und somit nicht von der Fachaufsicht betroffen sind.

2

Im November 2017 (Streitjahr) vereinnahmte die Klägerin für bei ihr abgeschlossene [[X.].] Versicherungsentgelte in Höhe von 3.530 €. Die Versicherungen betrafen Personen, die in [X.], in [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] tätig waren. Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum November 2017 eine als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltende Versicherungsteueranmeldung ab (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des Versicherungsteuergesetzes i.d.[X.] --[X.]-- i.V.m. § 168 der Abgabenordnung --AO--) und erklärte darin eine Versicherungsteuer von 563,61 €.

3

Die hiergegen gerichtete [X.] hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) bejahte die Versicherungsteuerpflicht der [[X.].]. Die Voraussetzungen der Steuerbarkeit im Inland lägen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] vor. Die mit der [[X.].] abgedeckten Risiken entstammten nicht ausschließlich der im Ausland gelegenen Sphäre der versicherten Personen. Das Versicherungsverhältnis werde maßgeblich zur Absicherung der den Versicherungsnehmer und Arbeitgeber treffenden Haftungsrisiken abgeschlossen. Denn ohne die [[X.].] sähe sich der Arbeitgeber Ansprüchen gegenüber, die der im Ausland tätige Arbeitnehmer auf arbeitsvertraglicher Basis geltend machen könne. Die Steuerbarkeit der [[X.].] im Inland widerspreche auch nicht dem Unionsrecht, das nicht auf den Aufenthalt der versicherten Person, sondern auf die Risikobelegenheit abstelle. Die im Inland versicherungsteuerbare [[X.].] sei auch steuerpflichtig. Es handele sich bei der [[X.].] um eine Versicherung nach § 140 Abs. 2 [[X.].], die nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 [X.] falle.

4

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Für die Steuerbarkeit komme es nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] wie auch nach Unionsrecht darauf an, wo das versicherte Risiko belegen sei. Das beurteile sich entgegen der Auffassung des [X.] nicht danach, wo der Versicherungsnehmer ansässig sei. Selbst wenn man die Steuerbarkeit der Versicherungsentgelte der [[X.].] bejahte, wären sie steuerfrei. Denn der Wortlaut des § 4 Nr. 3 [X.], der eine Unfallversicherung nach dem [[X.].], soweit sie nicht auf § 140 [[X.].] beruhe, von der Steuerfreiheit ausnehme, [X.] auf einem Redaktionsversehen. Jedenfalls sei die Vorschrift teleologisch und verfassungsrechtlich aufgrund der Vergleichbarkeit mit der gesetzlichen Unfallversicherung in einer Weise zu reduzieren, auch die [[X.].] in die Steuerfreiheit einzubeziehen.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Steueranmeldung für November 2017 vom 07.12.2017 aufzuheben.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Versicherungsentgelte der [[X.].] seien steuerbar. Die [X.] dienten dazu, den [X.] gegen Ansprüche der eigenen Arbeitnehmer zu versichern. Das Haftungswagnis realisiere sich immer am Sitz des Unternehmens/Arbeitgebers. Dies entspreche auch dem Gemeinschaftsrecht. Überdies betreffe der Streitfall Personen, die in [X.] tätig gewesen seien. Deshalb sei die "Risikobelegenheit" jenseits der Vorgaben des [X.] Richtlinienrechts autonom gesetzlich geregelt. Die Versicherungsentgelte seien nach § 4 Nr. 3 [X.] auch steuerpflichtig, da das Gesetz die [[X.].] nach § 140 [X.] von der Steuerfreiheit ausnehme.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil ist aufzuheben, weil es § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] verletzt hat (unter 1.). [X.] ist aber nicht spruchreif, weil der [X.] ([X.]) aufgrund fehlender Feststellungen nicht erkennen kann, ob sich die [X.] auf ausländische Betriebsstätten, Tochtergesellschaften oder Einrichtungen der Versicherungsnehmer beziehen (unter 2.).

9

1. Die Klägerin muss als Versicherer nach § 7 Abs. 2 [X.] für ihre Mitglieder als Versicherungsnehmer und Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 [X.]) die Versicherungsteuer entrichten (§ 43 Satz 2 AO). Denn die [X.], um die es hier geht, ist ein die Versicherungsteuer nach § 1 Abs. 1 [X.] auslösendes Versicherungsverhältnis. Versicherungsverhältnis ist das Rechtsverhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen. Wesentliches Merkmal für ein "Versicherungsverhältnis" i.S. des § 1 Abs. 1 [X.] ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen [X.] ([X.]-Urteil vom 08.12.2010 - II R 12/08, [X.]E 232, 223, [X.], 383).

Die Steuerpflicht richtet sich --wovon die Vorinstanz wie auch die Beteiligten zutreffend ausgehen-- nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.]. Besteht danach das Versicherungsverhältnis --wie hier mit der [X.] mit einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der [X.] niedergelassen ist, und geht es nicht --wie hier-- um die Versicherung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten Risiken (unbewegliche Sachen, Fahrzeuge oder Reiserisiken), so besteht die Steuerpflicht, wenn der Versicherungsnehmer keine natürliche Person ist und sich bei Zahlung des [X.] der Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet. Das [X.] hat aber den örtlichen Bezug des [X.]s zum Inland rechtsfehlerhaft schon deshalb bejaht, weil die [X.] zu einem Haftungsausschluss des Versicherungsnehmers gegenüber dem versicherten Arbeitnehmer führe, der dem Sitz des Versicherungsnehmers im Inland zuzurechnen sei. Damit hat das [X.] das versicherte Risiko einer [X.] verkannt und aufgrund unzutreffender Maßstäbe in das Inland verlagert.

a) Die [X.], die dem Streitfall zugrunde liegt, ist gemäß § 140 Abs. 2 [X.] eine Versicherung gegen Unfälle, die Personen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im Ausland erleiden. Diese Versicherung ist nur dann in [X.] steuerbar, wenn sich das Versicherungsverhältnis, also die [X.], auf den hier befindlichen Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung bezieht. Das Versicherungsverhältnis bezieht sich auf einen dieser Orte im Inland, wenn hier --also im [X.] das versicherte Risiko liegt (vgl. [X.]/[X.], [X.], [X.], Kommentar, 1. Aufl. 2016, § 1 [X.] Rz 280; [X.], [X.], ab 01.01.2015, § 1 [X.] Rz. 67, Aktualisierung v. 23.05.2017). Das entspricht dem unionalen Rechtsrahmen, der sich aus der Richtlinie 2009/138/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der [X.] --Solvabilität II-- (Amtsblatt der [X.] vom 17.12.2009 L 335/1) --im Folgenden Richtlinie 2009/138/[X.]-- ergibt. Nach Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Doppelbuchst. ii der Richtlinie 2009/138/[X.] ist "Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist" in Fällen wie denen des Streitfalls, in dem der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht. Dabei ist "Niederlassung" eines Unternehmens sein Sitz oder eine seiner Zweigniederlassungen (Art. 13 Nr. 12 der Richtlinie 2009/138/[X.]). Ist damit der Ort der Belegenheit des Risikos als der Ort maßgebend, an dem die Tätigkeit ausgeübt wird, deren Risiko durch den Vertrag gedeckt wird, muss auf konkrete und physische Merkmale statt auf rechtliche Merkmale abgestellt werden (so Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 14.06.2001 - [X.]/99, [X.]:C:2001:332, Rz 44, 47, 48, [X.] --[X.]-- 2001, 919, zur gleichlautenden Vorgängervorschrift in Art. 2 der [X.], [X.] L 172 vom 04.07.1988, S. 1 bis 14; EuGH-Urteil "A" vom 17.01.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.], Versicherungsrecht 2019, 1107).

b) Das versicherte Risiko ist bei einer Versicherung i.S. des § 140 Abs. 2 [X.] der Unfall, den die versicherte Person im Ausland erleidet. § 140 [X.] soll die Lücke im Unfallversicherungsschutz schließen, und zwar für Tätigkeiten im Ausland, die mit einem inländischen Unternehmen zusammenhängen, die aber im Ausland wegen des Territorialitätsprinzips (§ 3 des [X.]) nicht versichert wären und auf die auch die Ausstrahlung nach § 4 SGB IV nicht anwendbar ist. Die Unfallversicherungsträger richten diese Versicherung gegen Unfälle nach § 140 Abs. 2 [X.] aufgrund eines Beschlusses der Vertreterversammlung ein. Der Beschluss der Vertreterversammlung schafft autonomes Recht (Ricke in [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 140 [X.] Rz 9), wie es in den Richtlinien [X.] zum Ausdruck kommt.

§ 140 Abs. 2 [X.] erfasst damit vor allem längere oder dauernde Auslandstätigkeiten jenseits der Ausstrahlung und jenseits der von zwischenstaatlichen Abkommen oder supranationaler Regelungen erfassten Fälle (vgl. dazu Ricke, a.a.[X.], § 140 [X.] Rz 3, m.w.[X.]; [X.] in [X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl. 2014, § 140 Rz 39 ff.). Die Norm und die auf ihrer Grundlage beruhende Richtlinie erstrecken sich auf alle im Inland nach dem [X.] versicherbaren Tätigkeiten (§ 3 der Richtlinien [X.]; vgl. dazu Ricke, a.a.[X.], § 140 [X.] Rz 8, m.w.[X.]; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 140 Rz 47). Das versicherte Risiko ergibt sich deshalb aus § 7 Abs. 1 [X.]. Es sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (sowie deren mittelbare Folgen; vgl. im Einzelnen §§ 5 und 8 der Richtlinien [X.] und dazu Ricke, a.a.[X.], § 140 [X.] Rz 10 f.).

c) Anders als das [X.] in seiner Vorentscheidung ausführt, ist die Absicherung der den Versicherungsnehmer und Arbeitgeber treffenden Haftungsrisiken kein versichertes Risiko. Die Haftungsbeschränkung ist die Rechtsfolge einer [X.], nicht aber das versicherte Risiko selbst.

aa) Nach § 104 Abs. 1 [X.], der auch bei einer [X.] anwendbar ist (§ 3 Abs. 3 der Richtlinien [X.]), sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des [X.], den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] versicherten Weg herbeigeführt haben. Von diesen Ausnahmen abgesehen, wird die an sich nach den Vorschriften des Privatrechts für die Folgen des Arbeitsunfalls gegebene Haftung des Arbeitgebers durch dieses in mehrfachen Beziehungen für den Versicherten günstigere [X.] Schutzsystem abgelöst; zugleich wird Gefahren für den [X.] begegnet, die sich aus einer Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um Haftungsfragen ergeben können (Urteil des [X.] --BGH-- vom 10.12.1974 - VI ZR 73/73, [X.], 313; dazu auch [X.] in [X.], a.a.[X.], § 104 [X.] Rz 8 f.). Der Haftungsausschluss ist wesentliches Element des Gesamtsystems der gesetzlichen Unfallversicherung ([X.] vom 16.09.1993 - IX ZB 82/90, [X.], 268) und verhindert, die teilnehmenden Unternehmer, die als Unfallversicherungsträger die Kosten der [X.] tragen (§ 2 der Richtlinien [X.]), doppelt zu belasten: kollektiv mit Beiträgen zur [X.] und individuell mit Schadensersatzleistungen (Ricke, a.a.[X.], § 104 [X.] Rz 2a ff., m.w.[X.]; [X.] in [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 104 [X.] Rz 1; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 104 [X.] Rz 10 f.).

bb) Auch wenn die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz zugleich wie eine Haftpflichtversicherung wirkt, ergibt sich das versicherte Risiko aus dem Versicherungsverhältnis für die in das Ausland entsandte Person. Für diese Personen wird Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Versicherungsfälle) gewährt (§ 2 der Richtlinien [X.]) und diese Versicherungsfälle bilden das versicherte Risiko. Denn der Unfallversicherungsträger tritt für die sich aus dieser Versicherung ergebenden Verpflichtungen ein (§ 2 Abs. 2 der Richtlinien [X.]). Die Schädigung durch die versicherte Person führt im Ausland einen Versicherungsfall der Geschädigten herbei (§§ 7 bis 9 [X.]) und ist dem Unternehmen der Schädiger zuzurechnen.

Es mag zwar sein, dass der wirtschaftliche Zweck der [X.] für die Mitglieder der Klägerin als Versicherungsnehmer in der Absicherung der sie treffenden Haftungsrisiken liegt, wie sie sich als Folge der [X.] aus § 104 [X.] ergibt (vgl. oben unter aa). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] stellt aber nicht auf die wirtschaftliche Zweckrichtung oder Folgewirkung der Risikoübernahme ab, sondern knüpft ausschließlich an die geographische Belegenheit des Risikos an. Demgemäß ist für die Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] auf die im Streitfall geschlossenen [X.] allein entscheidend, dass sich die versicherten Risiken (d.h. die im Versicherungsvertrag bezeichneten Schäden in Bezug auf den Unfall, den die versicherte Person im Ausland erleidet) am Ort der Belegenheit im Ausland verwirklichen (vgl. [X.]-Urteil vom 11.12.2013 - II R 53/11, [X.]E 244, 56, [X.], 352, Rz 19 ff., m.w.[X.]).

d) Ist damit das versicherte Risiko bei einer [X.] durch §§ 7 und 8 [X.] festgelegt, umfasst eine [X.] Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach Maßgabe des [X.] und der ergänzenden Vorschriften. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.] begründenden Tätigkeit (zur versicherten Tätigkeit s. Urteil des [X.] vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2014, 303). So liegt im Fall eines Arbeitsunfalls der Ort dort, wo der Arbeitnehmer im Ausland tätig wird. Das kann eine Tochtergesellschaft des Versicherungsnehmers sein (dazu EuGH-Urteil [X.], [X.]:C:2001:332, Rz 57, [X.] 2001, 919), aber auch eine Betriebsstätte als Niederlassung oder Einrichtung im jeweiligen Ausland. Das versicherte Risiko liegt jedenfalls nicht allein deshalb am inländischen Sitz des [X.], weil sich dort die Folge der [X.] --die [X.] realisiert. Vielmehr ist bei der hier vorliegenden Versicherung fremder Risiken (nämlich solcher der versicherten Arbeitnehmer) auf den Aufenthaltsort der [X.] abzustellen. Dieser Aufenthaltsort der versicherten Arbeitnehmer ist ein konkretes und physisches Merkmal zur Bestimmung des [X.] und führt zu einer Einrichtung i.S. des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.], die einer Betriebsstätte entspricht und auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht (vgl. dazu [X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 74; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 280). Versichert werden durch die [X.], um die es im Streitfall geht, als entsandte Arbeitnehmer Personen, die in [X.], in [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] tätig waren. Es kommt deshalb darauf an, ob ihre Tätigkeit einer Niederlassung, Tochtergesellschaft oder einer Betriebsstätte zuordenbar ist. Werden die Arbeitnehmer direkt vom inländischen Sitz der Versicherungsnehmer aus im Ausland tätig, kann ihr (dauerhafter oder langfristiger) Tätigkeitsort im jeweiligen Ausland --als eine Einrichtung-- auch der Ort sein, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht. Das Versicherungsverhältnis ist stets risikobezogen zu verorten. Liegt das versicherte Risiko --wie hier-- in einer Tätigkeit im Ausland, erfasst § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] mit dem [X.] der Einrichtung alle langfristigen oder dauerhaften Beschäftigungsorte des versicherten Arbeitnehmers.

e) Die hier gefundene Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] erfasst auch versicherte Personen, die sich --wie hier-- in [X.] aufhalten. Das Gesetz stellt nur darauf ab, dass der Versicherer in einem Mitgliedstaat der [X.] oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] niedergelassen ist. Das Gesetz unterscheidet aber nicht mit Blick auf die versicherte Person. Deshalb erschließt sich dem Senat die Argumentation des BZSt nicht, dass die [X.] des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] bei einem Drittlandsfall "alternativ" [X.] und es ausreiche, dass sich entweder der Sitz oder die Betriebsstätte im Geltungsbereich des [X.] befänden. Indes geht es hier um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals mit der Wortfolge "die sich auf das Versicherungsverhältnis bezieht". Diese Voraussetzung bezieht sich entsprechend dem unionsrechtlichen Rahmen (Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138/[X.]) auf alle Formen der "Niederlassung", also auf den Sitz, die Tochtergesellschaft, die Betriebsstätte oder auf eine sonstige Einrichtung.

2. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben.

a) [X.] ist nicht spruchreif. Das [X.] hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend, keinerlei Feststellungen dazu getroffen, in welcher Weise die Arbeitnehmer des jeweiligen Versicherungsnehmers der Klägerin im Ausland tätig geworden sind, ob sie von einer Tochtergesellschaft oder einer Betriebsstätte aus tätig geworden sind oder ob ihr jeweiliger Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) sie direkt von seinem Sitz im Inland aus in das Ausland entsandt hatte und sie dort einen langfristigen oder dauerhaften Tätigkeitsort innehatten. Zwar spricht vieles dafür, dass die Versicherungsnehmer für ihre ausschließlich in [X.], nämlich nach den Feststellungen des [X.] in [X.], in [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] i.S. von § 140 Abs. 2 [X.] tätig gewordenen Arbeitnehmer als Versicherte den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht erfüllen. Indes wird das [X.] den Sachverhalt anhand der vom Senat entwickelten Maßstäbe zu überprüfen haben. Dabei wird es auch der Frage nachzugehen haben, ob die Arbeitnehmer, soweit sie zwischenzeitlich im Inland tätig geworden sind, hier der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen (§§ 3, 4 SGB IV).

b) Es kommt auf die weiteren Feststellungen auch an. Denn die [X.] gemäß § 140 Abs. 2 [X.] ist nicht nach § 4 Nr. 3 [X.] steuerfrei. § 4 Nr. 3 [X.] nimmt von der Besteuerung aus die Zahlung des [X.] für "eine Unfallversicherung nach dem [X.], soweit sie nicht auf § 140 [[X.]] beruht". Da die [X.] auf § 140 Abs. 2 [X.] beruht, ist die Steuerbefreiung nicht anwendbar. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift ist auch nicht teleologisch oder verfassungsrechtlich korrigierbar. Zwar mögen sich aus der Gesetzeshistorie, wie sie die Klägerin darlegt, Widersprüche ergeben (vgl. dazu [X.], a.a.[X.], § 4 [X.] Rz 14). Indes ist die Vorschrift [X.], weil sie nur die Unfallversicherungen von der Steuerbefreiung ausnimmt, für die eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss besteht. Das ist bei den gesetzlichen Versicherungen nach dem [X.] der Fall, nicht hingegen bei denjenigen des § 140 [X.]. Auch wenn die [X.] einer gesetzlichen Versicherung ähnlich ist, besteht der auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes erhebliche Unterschied darin, dass ihr Abschluss freiwillig ist (vgl. zum Ganzen auch [X.], [X.], 2006).

3. [X.] wird dem [X.] nach § 143 Abs. 2 [X.]O übertragen.

Meta

V R 48/19

10.06.2020

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 6. Juni 2018, Az: 2 K 3284/17, Urteil

Art 13 Nr 13 EGRL 138/2009, § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 VersStG, § 1 Abs 2 S 2 Nr 4 VersStG, § 1 Abs 2 S 2 Nr 3 VersStG, § 1 Abs 2 S 2 Nr 7 VersStG, § 3 SGB 4, § 4 SGB 4, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7, § 9 SGB 7, § 104 SGB 7, § 140 Abs 2 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2020, Az. V R 48/19 (REWIS RS 2020, 3286)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3286

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 53/11 (Bundesfinanzhof)

Versicherungsteuerpflicht einer Garantieversicherung für Industrieanlage im Ausland - Einschränkung des Revisionsantrags gegenüber dem bisherigen Klagebegehren


II R 1/15 (Bundesfinanzhof)

Verkaufsaufschlag als Teil des Versicherungsentgelts


V R 41/18 (Bundesfinanzhof)

Keine Versicherungsteuerpflicht bei Versicherung von Risiken mit Bezug auf in einem Drittstaat registrierte Seeschiffe


II R 26/11 (Bundesfinanzhof)

Versicherungsteuerpflicht der Kautionsrückversicherung


II R 21/09 (Bundesfinanzhof)

Keine Versicherungsteuerpflicht bei entgeltlicher Haftungsfreistellung des Leasingnehmers durch Leasinggeber - Zivilrechtliche Risikoverteilung im Hinblick auf …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.