Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2020, Az. V R 41/18

5. Senat | REWIS RS 2020, 3679

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Gegenstand

Keine Versicherungsteuerpflicht bei Versicherung von Risiken mit Bezug auf in einem Drittstaat registrierte Seeschiffe


Leitsatz

Wenn lediglich der Inlandsbezug eines der Tatbestände in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VersStG fehlt, die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen aber erfüllt sind, kann eine Versicherungsteuerpflicht nicht mit § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG ("andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände") begründet werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 05.10.2017 - 2 K 792/16 aufgehoben.

Die Versicherungsteueranmeldung für den Monat Februar 2014 vom 13.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 und die zu Protokoll des Finanzgerichts erklärte Änderung vom 05.10.2017 werden dahingehend geändert, dass die Versicherungsteuer um ... € niedriger festgesetzt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob von der Klägerin und [X.]evisionsklägerin (Klägerin) vermittelte Protection & Indemnity-Versicherungen (P&I-Versicherungen) für auf den [X.] registrierte Seeschiffe der Versicherungsteuer unterliegen.

2

Die Klägerin, eine GmbH, ist als Versicherungsmaklerin tätig. Sie vermittelt und betreut u.a. für Seeschiffe bestehende P&I-Versicherungen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Haftpflichtversicherungen für den Betrieb von Seeschiffen.

3

Die Klägerin betreut insbesondere ... in einem Drittland ansässige Schiffseigentumsgesellschaften, die jeweils für ihr Schiff eine P&I-Versicherung bei dem in [X.] ansässigen Versicherer [X.] (nachfolgend: [X.]) abgeschlossen haben, deren Versicherungsprämien die Klägerin für [X.] einzieht. Die Schiffe werden durch die W-GmbH als Vertragsreeder betreut und sind in keinem [X.] Schiffsregister, sondern ausschließlich im Schiffsregister der [X.] eingetragen. Von den Schiffsgesellschaften wurde die Klägerin zur Anmeldung und Abführung der Versicherungsteuer bevollmächtigt. In den [X.] ist unter der Bezeichnung "Member" neben der jeweiligen Schiffsgesellschaft ("[X.]egistered Owner") auch die inländische W-GmbH ("Manager") benannt. Nach den Versicherungsbedingungen des Versicherers [X.] haften alle in den [X.] aufgelisteten Personen gemeinsam und getrennt hinsichtlich sämtlicher Prämien, Zahlungsaufforderungen und anderer an den Schiffsverband hinsichtlich des beigetretenen Schiffes fälligen Beträge.

4

Für den [X.] (Streitzeitraum) gab die Klägerin am 13.03.2014 eine nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Versicherungsteueranmeldung über einen Versicherungsteuerbetrag ab, der u.a. die P&I-Versicherungen der genannten Schiffe berücksichtigte.

5

Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ([X.]) --nach teilweiser Abhilfe durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2017-- mit seinem in [X.] (DSt[X.]) 2018, 1293 veröffentlichten Urteil vom 05.10.2017 - 2 K 792/16 ab.

6

Die von der Klägerin im Februar 2014 vereinnahmten Beträge für die bei dem Versicherer [X.] abgeschlossenen P&I-Versicherungen seien als ein im Inland steuerbares und steuerpflichtiges Versicherungsentgelt anzusehen. Zwar sei ein Sondertatbestand für eine Versicherungsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Versicherungsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ([X.]) nicht erfüllt, da die Schiffe nicht in einem [X.] Seeschiffsregister, sondern jeweils in einem Schiffsregister der [X.], einem Drittland, und somit nicht im Geltungsbereich des [X.], eingetragen seien. Jedoch sei der Anwendungsbereich des [X.] nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] eröffnet. Eine Haftpflichtversicherung für den Betrieb eines Seeschiffes sei nicht bereits abschließend in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] geregelt. Dieser erfasse zwar auch [X.]isiken mit Bezug auf Seeschiffe, sei jedoch mangels [X.]egistereintragung der Schiffe in der [X.] ([X.]) nicht einschlägig. Vielmehr handele es sich bei den P&I-Versicherungen für die Schiffe um [X.], die sich auf ein "anderes [X.]isiko" bzw. einen "anderen Gegenstand" beziehen als in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] "genannt" sei. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] seien gegeben; insbesondere genüge es, dass mit der W-GmbH einer der Versicherungsnehmer im Inland ansässig sei.

7

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer [X.]evision, mit der sie die Verletzung materiellen [X.]echts rügt.

8

Die Klägerin macht geltend, das [X.] habe seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] zugrunde gelegt und insbesondere die [X.]eichweite seiner Sperrwirkung gegenüber der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] verkannt. Die gegenständlichen Versicherungen seien sachlich von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] erfasst, weil die betroffenen Seeschiffe abstrakt der Pflicht zur [X.]egistrierung im [X.] unterlägen. Es fehle jedoch am örtlichen Bezug, weil die Schiffe nicht konkret die [X.] Flagge führten, weshalb § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] das [X.]isiko nicht als in [X.], sondern als in dem Flaggenstaat und damit als auf den [X.] belegen ansehe. Entgegen der Auffassung des [X.] führe bereits die sachliche Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] dazu, dass die Anwendung von § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] aufgrund der Abgrenzung anhand der "in Satz 1 genannten [X.]isiken oder Gegenstände" ausgeschlossen sei. Nur diese Auslegung sei mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Die abweichende Auffassung des [X.] widerspreche der Vorgabe einer generellen und abschließenden Zuweisung des Besteuerungsrechts für fahrzeugbezogene [X.]isiken nach Art. 13 Nr. 13 Buchst. [X.]. Art. 157 Abs. 1 der [X.]ichtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des [X.]ates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der [X.]ückversicherungstätigkeit --Solvabilität II-- ([X.] --ABlEU-- vom 17.12.2009 Nr. L 335/1) --im Folgenden: [X.]ichtlinie 2009/138/[X.]. Da § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinsichtlich des Staates der [X.]egistereintragung nicht zwischen [X.] der [X.] (EU)/des Europäischen Wirtschaftsraums (EW[X.]) und Drittstaaten unterscheide, habe der [X.] Gesetzgeber das ihm nach den Vorgaben der [X.]ichtlinie eröffnete Besteuerungsrecht für in Drittstaaten registrierte Fahrzeuge nicht wahrgenommen.

9

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Versicherungsteuer unter Abänderung des Bescheids für Februar 2014 vom 13.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 (in der Fassung des Protokolls der mündlichen Verhandlung) um ... € herabzusetzen.

Der Beklagte und [X.]evisionsbeklagte (das [X.]) beantragt,
die [X.]evision zurückzuweisen.

Das [X.] habe die Klage zu [X.]echt abgewiesen. Der [X.]ichtliniengeber habe das Besteuerungsrecht anhand der Belegenheit des [X.]isikos dem [X.] zugewiesen. Hieran orientiere sich § 1 Abs. 2 [X.] für die Abgrenzung des [X.] Besteuerungsrechts im Verhältnis zu dem [X.]echt anderer EU-/EW[X.]-Mitgliedstaaten. Die Vorgaben des [X.]ichtlinienrechts seien jedoch nicht erschöpfend; so gebe es für Fahrzeuge, die außerhalb der EU-/EW[X.]-Mitgliedstaaten zugelassen bzw. registriert seien, keinen [X.]. Insoweit verwehre das [X.]ichtlinienrecht keinem Mitgliedstaat die Besteuerung von Versicherungsentgelten; diese erfolge aus autonomen [X.]echten des besteuernden Mitgliedstaats. Dementsprechend greife § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] bereits ein, wenn im konkreten Fall die [X.] nach § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu verneinen seien. Letztere erfassten in Nr. 2 zwar grundsätzlich [X.]isiken mit Bezug auf den Betrieb von Seeschiffen, jedoch fehle es im konkreten Fall an der erforderlichen Eintragung der Seeschiffe in einem inländischen [X.]egister. Nur bei Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat sei § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung richtlinienkonform auszulegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, die Zahlung der Versicherungsentgelte für die P&I-Versicherungen der auf den [X.] registrierten Seeschiffe unterliege nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] der Versicherungsteuerpflicht.

1. Nach § 1 Abs. 1 [X.] unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung des [X.] aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der [X.] oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] niedergelassen ist, so ist die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] u.a. bei der Versicherung von Risiken mit Bezug auf im Geltungsbereich des [X.] in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register einzutragende oder eingetragene und mit einem Unterscheidungskennzeichen versehene Fahrzeuge aller Art gegeben (Nr. 2). Sind durch die Versicherung andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände abgesichert, besteht die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] u.a., wenn der Versicherungsnehmer keine natürliche Person ist und sich bei Zahlung des [X.] der Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet (Nr. 2).

2. Nach diesen Maßstäben ist das [X.] zwar zu Recht davon ausgegangen, dass eine Steuerpflicht der Zahlung der Entgelte für die P&I-Versicherungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht besteht. Denn die Schiffe, auf die sich die von den P&I-Versicherungen erfassten Risiken beziehen, sind nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] nicht in ein inländisches Register einzutragen oder eingetragen ("in keinem [X.] Schiffsregister"), sondern ausschließlich im Schiffsregister der [X.].

3. Zu Unrecht hat das [X.] jedoch angenommen, dass die Zahlungen der Entgelte für die P&I-Versicherungen an den in [X.] und damit im Gebiet eines [X.]-Vertragsstaats ansässigen Versicherer gleichwohl nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] versicherungsteuerpflichtig sind. Denn durch die P&I-Versicherungen ist --unabhängig von der ausschließlichen Registrierung der Schiffe auf den [X.]-- ein in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] genanntes Risiko abgesichert, sodass ein Rückgriff auf die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] gemäß dessen Einleitungssatz ausgeschlossen ist. Dieser setzt u.a. voraus, dass durch die Versicherung "andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände" abgesichert sind. Dies ist nicht der Fall, wenn es --wie hier-- lediglich am Inlandsbezug eines der Tatbestände in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] fehlt, die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen aber im Übrigen erfüllt sind.

a) Die Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist umstritten. Die Finanzverwaltung und einzelne Stimmen in der Literatur bevorzugen zum Tatbestandsmerkmal "andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände" --ebenso wie das [X.]-- eine inlandsbezogene Auslegung (Schreiben des [X.] vom 15.05.2014, BStBl I 2014, 871; [X.], [X.] ab 01.01.2015, § 1 [X.] Rz 63 (Aktualisierung vom 23.05.2017)). Andere als in Satz 1 genannte Risiken oder Gegenstände seien bereits anzunehmen, wenn die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] nicht im Inland verwirklicht seien. Aufgrund richtlinienkonformer Auslegung gelte dies nicht, soweit die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] in einem [X.]-Mitgliedstaat oder in einem [X.]-Vertragsstaat verwirklicht sind (vgl. [X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 63). Andere Autoren hingegen legen das Tatbestandsmerkmal "risikobezogen" aus ([X.]/[X.], [X.], [X.], § 1 [X.] Rz 260 ff.; [X.]/Axer/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rz 348 ff.). Erfasst seien nur Risiken und Gegenstände, die ihrer Art nach --also unabhängig von ihrer [X.] nicht in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] genannt sind. Im Umkehrschluss handele es sich bei Fällen, in denen es lediglich an dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] vorausgesetzten Inlandsbezug fehlt, nicht um "andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände" im Sinne der Vorschrift. Daher seien --anders als nach der inlandsbezogenen [X.] auch die Fälle auszuklammern, in denen die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] in einem [X.] verwirklicht sind.

b) Der Senat schließt sich der "risikobezogenen Auslegung" an.

aa) Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] streitet entgegen der Auffassung des [X.] nicht nur für die inlandsbezogene Auslegung, sondern ermöglicht auch die "risikobezogene Auslegung" (vgl. [X.]/Axer/[X.], a.a.[X.], § 1 Rz 354 f.).

(1) Zwar spricht für das Wortlautverständnis des [X.], dass die Aufzählung in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit der Wendung "folgender Risiken" eingeleitet wird. Dies könnte dafür sprechen, die Tatbestände der folgenden Nr. 1 bis 3 insgesamt, also einschließlich des dortigen Inlandsbezugs, als Definition der erfassten Risiken zu verstehen. Allerdings stellt § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht nur auf die "in Satz 1 genannten Risiken", sondern auch auf die dort genannten "Gegenstände" ab und nimmt damit zugleich die in Satz 1 Nr. 1 unabhängig von ihrem Inlandsbezug bestimmten Gegenstände in Bezug.

(2) Zudem ist nicht zu verkennen, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 3 [X.] die Risiken und Gegenstände, auf die sich § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezieht, ohne Inlandsbezug definiert. Denn der Inlandsbezug wird in diesen beiden Fällen erst durch den der Risikodefinition jeweils angefügten Konditionalsatz hergestellt. Die davon abweichende Fassung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] beruht ersichtlich auf einer sprachlichen Verkürzung, die lediglich der Vermeidung von Wiederholungen dient. Im Übrigen verweist § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Abgrenzung nur auf "die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände" und verlangt damit gerade nicht die [X.] bei entsprechendem Inlandsbezug bestehende-- Steuerpflicht der Versicherung dieser Risiken nach § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 260).

bb) Dabei spricht der unionsrechtliche Kontext dafür, die Inbezugnahme der Risiken und Gegenstände der Sondertatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch dessen Satz 2 nicht zugleich auf den in den [X.] jeweils enthaltenen Inlandsbezug zu erstrecken.

(1) Nach Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 Alternative 1 Richtlinie 2009/138/[X.] unterliegen Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die in dem Mitgliedstaat des Risikos auf Versicherungsprämien erhoben werden. Das Besteuerungsrecht des Mitgliedstaats der Verpflichtung nach Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 Alternative 2 Richtlinie 2009/138/[X.] erfasst den --hier nicht vorliegenden-- Fall einer Lebensversicherung ([X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 63; [X.]/[X.], [X.] 2018, 1273, 1276; [X.], [X.] 2019, 2006, 2007).

Mitgliedstaat des Risikos ist gemäß Art. 13 Nr. 13 Buchst. b Richtlinie 2009/138/[X.] bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der [X.] (s.a. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., Rz 21.23). In [X.] nicht ausdrücklich in Art. 13 Nr. 13 Buchst. a bis c Richtlinie 2009/138/[X.] genannten Fällen ist Mitgliedstaat des Risikos der Mitgliedstaat, in dem der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers oder --wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person [X.] die Niederlassung des Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht, belegen ist (Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Richtlinie 2009/138/[X.]).

(2) Das ausschließliche Besteuerungsrecht ist demnach bei einer Versicherung von Risiken in Bezug auf Fahrzeuge, die --anders als im [X.] in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, dem anderen Mitgliedstaat zugewiesen (Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 13 Nr. 13 Buchst. b Richtlinie 2009/138/[X.]; vgl. zur Ausschließlichkeit des Besteuerungsrechts Urteile des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 14.06.2001 - [X.]/99, [X.]:C:2001:332, [X.] --[X.]-- 2001, 919, Rz 44 zu Art. 2 Buchst. d, 25 Abs. 1 der [X.], ABl[X.] vom 04.07.1988 Nr. L 172, S. 1 --Richtlinie 88/357/[X.], und "A" vom 17.01.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.], [X.], 218, Rz 29; Urteil des [X.] --BFH-- vom 11.12.2013 - II R 53/11, [X.], 56, BStBl II 2014, 352, Rz 24 ff. zu Art. 25 Richtlinie 88/357/[X.]). Ein Besteuerungsrecht [X.] kommt --neben den Fällen der Zulassung im [X.] [X.]falls bei der Zulassung in einem [X.] in Betracht (für ein Besteuerungsrecht in diesen Fällen [X.] 262/20, S. 21; [X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 63; [X.]/[X.], [X.] 2018, 1273, 1275; vgl. aber auch EuGH-Urteile [X.], [X.]:C:2001:332, [X.] 2001, 919, Rz 45 f. zur Vorgängervorschrift in Art. 2 Buchst. d, 25 Abs. 1 Richtlinie 88/357/[X.], und "A", [X.]:[X.], [X.], 218, Rz 30; offengelassen durch [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 265).

(3) Vor diesem Hintergrund würde eine "gespaltene Auslegung" des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] erforderlich, wenn die dortige Inbezugnahme der Risiken und Gegenstände des § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] --entsprechend der inlandsbezogenen [X.] auch den jeweiligen Inlandsbezug in Satz 1 Nr. 1 bis 3 umfasste (vgl. [X.]/Axer/[X.], a.a.[X.], § 1 Rz 367 f.). Denn sowohl in einem anderen Mitgliedstaat als auch in einem [X.] zugelassene Fahrzeuge erfüllen den Inlandsbezug des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht, sodass Versicherungsentgelte --folgte man der inlandsbezogenen [X.] in beiden Fällen unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] der Versicherungsteuer unterlägen. Wegen des fehlenden Besteuerungsrechts [X.] in den Fällen der Versicherung von Risiken mit Bezug zu Fahrzeugen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, wären diese jedoch in einem weiteren Schritt auszunehmen. Die daraus resultierende Differenzierung zwischen Versicherungen von Fahrzeugen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, und Versicherungen von in einem [X.] zugelassenen Fahrzeugen ist jedoch --anders als die Unterscheidung zwischen Risiko und Risikobelegenheit-- in § 1 Abs. 2 [X.] nicht angelegt.

(4) Zudem widerspricht die nach der inlandsbezogenen Auslegung erforderliche richtlinienkonforme Auslegung, mit der im Fall der Zulassung des Fahrzeugs in einem anderen Mitgliedstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht dieses anderen Mitgliedstaats gewahrt werden soll (vgl. [X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 63), dem Willen des Gesetzgebers. Denn mit der strukturellen Änderung des § 1 Abs. 2 [X.] durch das Verkehrsteueränderungsgesetz vom 05.12.2012 ([X.], 2431) [X.] sollte eine Regelung geschaffen werden, die insgesamt den Vorgaben der Solvabilität [X.] (Richtlinie 2009/138/[X.]) entspricht (BTDrucks 17/10039, S. 17).

cc) Im Übrigen hätte die inlandsbezogene Auslegung zur Folge, dass die sachliche Reichweite von § 1 Abs. 2 [X.] --jenseits der Differenzierung nach dem Staat, in dem der Versicherer niedergelassen [X.] derjenigen des Abs. 3 angenähert würde. Dabei ist der für die Begrenzung der autonomen Steuerhoheit der Mitgliedstaaten bedeutsame [X.] (sog. genuine link; vgl. insoweit Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 12.09.2019 in der Rechtssache [X.] - [X.]/18, [X.]:C:2019:728, Rz 42 ff.) aufgrund der Ansässigkeit des Versicherers in den Fällen des § 1 Abs. 2 [X.] in der Regel enger als bei § 1 Abs. 3 [X.] (s.a. [X.] in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., § 18 Rz 70).

dd) Die "risikobezogene Auslegung" des Tatbestandsmerkmals "andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände" wird schließlich durch die Genese der Vorschrift bestätigt.

Bei Versicherungsverhältnissen eines im Inland ansässigen Versicherungsnehmers mit einem Versicherer, der in einem [X.]-Mitgliedstaat oder in einem anderen [X.]-Vertragsstaat niedergelassen ist, war bis zur Änderung des § 1 [X.] durch das [X.] in [X.], 2431 "Voraussetzung der Steuerpflicht (...) bei der Versicherung von (...) 2. Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge aller Art, daß das Fahrzeug im Geltungsbereich dieses Gesetzes in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register einzutragen ist und ein Unterscheidungskennzeichen erhält" (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] a.F.).

Die frühere Rechtslage differenzierte danach eindeutig zwischen dem versicherten Risiko und der Belegenheit dieses Risikos (vgl. BFH-Urteil in [X.], 56, BStBl II 2014, 352, Rz 20 zu § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.] a.F.), weshalb die Versicherung von Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge nur im Fall der Registrierungspflicht im Inland steuerpflichtig war. Dies sollte mit den strukturellen Änderungen des § 1 Abs. 2 [X.] durch das [X.] nicht geändert werden. Diese Änderungen dienten vielmehr lediglich der Klarstellung im Hinblick auf die Einbeziehung des früheren Abs. 3 (BTDrucks 17/10039, S. 17; vgl. auch [X.]/[X.], [X.] 2018, 1273, 1274).

4. Die Sache ist spruchreif. Sind die in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten Risiken und Gegenstände nach dem Vorstehenden unabhängig von deren Inlandsbezug definiert, ist durch die P&I-Versicherungen, um die es hier geht, jeweils ein solches Risiko abgesichert. Denn die betroffenen Schiffe sind als im internationalen Verkehr betriebene Seeschiffe --bei unterstelltem [X.] in das Schiffsregister (§ 3 Abs. 1 Schiffsregisterordnung), in das [X.] (§ 21 Abs. 1 der Flaggenrechtsverordnung --FlRV-- i.V.m. § 3 des Flaggenrechtsgesetzes --[X.]--) und in das [X.] (§ 23 [X.]. § 12 [X.]) einzutragen und stellen damit --abstrakt-- Fahrzeuge i.S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] dar (s. zur Frage des maßgeblichen Registers [X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 56, sowie [X.]/Axer/[X.], a.a.[X.], § 1 Rz 318 ff.; vgl. auch [X.] Köln, Vorlagebeschluss vom [X.] - 2 K 434/16, [X.] 2020, 446). Demnach ist eine Versicherungsteuerpflicht der Entgelte für die P&I-Versicherungen (auch) nach § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] gemäß dessen Einleitungssatz ausgeschlossen. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.

5. Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O).

6. [X.] beruht auf §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 2 Satz 1 [X.][X.]

Meta

V R 41/18

12.11.2020

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 5. Oktober 2017, Az: 2 K 792/16, Urteil

§ 1 Abs 2 S 1 Nr 1 VersStG vom 05.12.2012, § 1 Abs 2 S 1 Nr 2 VersStG vom 05.12.2012, § 1 Abs 2 S 1 Nr 3 VersStG vom 05.12.2012, § 1 Abs 2 S 2 VersStG vom 05.12.2012, Art 13 Nr 13 EGRL 138/2009, Art 157 Abs 1 UAbs 1 EGRL 138/2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2020, Az. V R 41/18 (REWIS RS 2020, 3679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3679

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