Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.07.2019, Az. XI B 17/19

11. Senat | REWIS RS 2019, 5846

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Verfahrensfehler bei Unterstellung eines Sachverhalts, der von den tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird; Versagung des Vorsteuerabzugs bei Beteiligung an fremdem "Mehrwertsteuerbetrug" ohne Feststellungen zu diesem; bloße Nichtabführung der Umsatzsteuer ist kein "Mehrwertsteuerbetrug" i.S. der Rechtsprechung des EuGH


Leitsatz

1. NV: Das FG verletzt § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn es bei seiner Überzeugungsbildung von einer Sachverhaltsunterstellung ausgeht, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird .

2. NV: Nimmt ein FG an, der Vorsteuerabzug sei zu versagen, weil der Leistungsempfänger habe wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem "Mehrwertsteuerbetrug" des leistenden Unternehmers beteiligt, bedarf es tatsächlicher Feststellungen dazu, welchen "Mehrwertsteuerbetrug" der leistende Unternehmer begangen haben soll .

3. NV: Die Nichtabführung von Mehrwertsteuer ist zwar eine "rechtswidrige Handlung", aber kein "Betrug" i.S. des Art. 325 AEUV oder i.S. des im Jahr 2010 noch geltenden SFI-Übereinkommens vom 26.07.1995 (ABlEG Nr. C 316, S. 49; jetzt: Richtlinie 2017/1371/EU) .

Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 31.01.2019 - 1 K 2037/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt seit dem [X.] einen Großhandel mit Schmuck, Textilien und Kosmetik. Seine Umsätze versteuert er nach vereinnahmten Entgelten.

2

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) gibt der Kläger an, er habe im Jahr 2010 (Streitjahr) seine Anstellung bei einer Schmuckfabrik gekündigt und mit dem Handel von Altgold begonnen. Das Altgold habe er im Wesentlichen von vier Großlieferanten bezogen ([X.], [X.], [X.] und [X.]).

3

Das angekaufte Altgold verbrachte der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] zunächst physisch zu der [X.] (Scheideanstalt). [X.] wurde das Altgold allerdings von der [X.] (Bank), die nach Angaben des Klägers an der Scheideanstalt beteiligt sei. Der Gegenwert sei einem Edelmetallkonto gutgeschrieben worden. Damit habe er seine Lieferanten bezahlt.

4

Mit der Kündigung der Anstellung bei der Schmuckfabrik und dem Beginn des Handels mit Altgold stieg der Umsatz des Klägers extrem an (1. Quartal 2010: 14.852 €, 2. Quartal 2010: 106.156 €, 3. Quartal 2010: 6.065.631 €).

5

Am 19.08.2010 erstattete die Bank eine [X.] gegen den Kläger. Die Bank nahm seit Ende August kein Altgold mehr vom Kläger an. Danach lieferte der Kläger sein Altgold an die D.

6

Der Kläger erklärte in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 1. bis 3. Quartal des Streitjahres die Lieferungen von Altgold als steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz und zog u.a. die an die [X.], [X.], [X.] und [X.] gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

7

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung (zuletzt in dem während des Klageverfahrens ergangenen Umsatzsteuerbescheid) für das Streitjahr vom 25.08.2014 an, der Kläger sei kein Unternehmer und nicht der wahre Lieferer des Altgolds. Die [X.], [X.], [X.] und [X.] seien außerdem nicht die tatsächlichen Lieferer des Altgolds an den Kläger. Schließlich wiesen die Gutschriften und Rechnungen gravierende formelle Mängel auf. Der Kläger schulde Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), ohne zum Vorsteuerabzug aus den angeblichen Lieferungen der [X.], [X.], [X.] und [X.] berechtigt zu sein. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 27.07.2014).

8

Das [X.] Baden-Württemberg wies die Klage mit Urteil vom 31.01.2019 - 1 K 2037/18 (s. dazu Prätzler, juris [X.] Steuerrecht 23/2019, [X.]. 5) zum weit überwiegenden Teil ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, der Kläger sei zwar ein Unternehmer, der das Gold tatsächlich an die Bank geliefert habe. Er schulde daher auch keine Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 UStG. Weiter ließ das [X.] den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen mehrerer kleinerer Vorlieferanten zu. Außerdem nahm das [X.] an, die formellen Mängel in den Rechnungen der [X.] und der [X.] seien für den geltend gemachten Vorsteuerabzug unschädlich. Offen ließ das [X.], ob die [X.], [X.], [X.] und [X.] tatsächlich Lieferungen von Altgold an den Kläger ausgeführt hätten oder deren Rechnungen nur sog. Abdeckrechnungen seien. Jedenfalls sei der Vorsteuerabzug für diese Leistungsbezüge zu versagen, weil der Kläger habe wissen können, dass die betreffenden Umsätze in einen von den Vorlieferanten begangenen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen gewesen seien.

9

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger u.a. als Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) geltend, das [X.] habe nicht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens entschieden.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O). [X.]as angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O. [X.]as [X.] hat bei seiner Überzeugungsbildung gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verstoßen. [X.]ie tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen seine Annahme, dass der Kläger habe wissen "können", dass die Umsätze in einen von der [X.], [X.], [X.] und [X.] begangenen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen gewesen seien, nicht, weil das [X.] nicht festgestellt hat, welchen "Mehrwertsteuerbetrug" diese begangen haben sollen.

1. [X.]as [X.] hat, wie die Beschwerde in hinreichendem Maße deutlich macht, bei seiner Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Ein Verstoß dagegen liegt z.B. dann vor, wenn das [X.] von einer Sachverhaltsunterstellung ausgeht, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 06.12.1995 - I R 111/94, [X.] 1996, 554; [X.] vom 12.11.2008 - IX B 8/08, juris; vom 08.02.2013 - VI B 100/12, [X.] 2013, 951).

2. [X.]ies ist vorliegend im Hinblick darauf, dass die Erwerbe des [X.] in einen "Mehrwertsteuerbetrug" der [X.], [X.], [X.] und [X.] einbezogen gewesen seien, der Fall.

a) [X.]as [X.] hat diese Beurteilung zwar auf Seite 22 ff. des Urteils mit folgenden Umständen begründet:

-

[X.]er Kläger habe seine Umsätze vom 1. zum 3. Quartal um das 57-fache gesteigert;

-

die Betriebsstätten der [X.], [X.], [X.] und [X.] seien weit entfernt gewesen, ohne dass sich der Kläger gefragt habe, warum diese keine Scheideanstalten in ihrer Nähe nutzen;

-

im Kläger habe die Sorge aufkommen müssen, in "ggf. mit einem Mehrwertsteuerbetrug verbundene" Geldwäschegeschäfte verwickelt zu werden oder Hehlerei zu begehen;

nach Auskunft der [X.] seien der [X.] Kredite abgelehnt worden und es werde von einer Geschäftsbeziehung abgeraten, weshalb ein sorgfältiger Kaufmann in Kenntnis einer solchen Bewertung keine weiteren Geschäfte tätige;

-

die Firmenbezeichnung der [X.] deute darauf hin, dass sie einen Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienst betreibe, so dass die Lieferung von Altgold Anlass für Nachfragen gegeben habe;

nach Auskunft der [X.] könne für die [X.] keine Bewertung vergeben werden. [X.]ie Geschäftsentwicklung bleibe abzuwarten. Bezüglich einer an der [X.] beteiligten GmbH oder KG lägen Informationen zu einem Insolvenzverfahren vor sowie zu schuldnerregisterlichen Eintragungen des Geschäftsführers;

-

die [X.], [X.], [X.] und [X.] hätten erhebliche Mengen Gold ohne jegliche Sicherheit angeliefert;

-

auf die Weigerung der Bank, weiter Gold anzukaufen, habe der Kläger nicht nachgefragt, sondern das Gold an [X.] geliefert;

den Kläger entlaste nicht, dass die Scheideanstalt Gold nicht unmittelbar von der [X.], [X.], [X.] und [X.] erworben hätte. [X.]ies spreche eher dafür, dass diese in Fachkreisen (und damit auch für den Kläger) "verdächtig" gewesen seien, weshalb die Scheideanstalt damit gerechnet habe, dass mögliche Erwerbe in einen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen seien.

Ob Vorsatz des Klägers vorliege, ließ das [X.] dabei offen.

b) [X.]iese Würdigung des [X.] wäre zwar in einem gedachten Revisionsverfahren vom Senat nur in den Grenzen des § 118 Abs. 2 [X.]O überprüfbar (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 19.05.2010 - XI R 78/07, [X.] 2010, 2132, Rz 33).

c) [X.]em Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, welchen "Mehrwertsteuerbetrug" (oder welche "Mehrwertsteuerhinterziehung") die (gesetzlichen Vertreter der) [X.], [X.], [X.] und [X.] begangen haben sollen, in die die Erwerbe des [X.] einbezogen sein sollen. [X.]as [X.] hat dies ohne Feststellungen im Urteil unterstellt.

aa) [X.]as [X.] spricht im Rahmen seiner Subsumtion auf den Seiten 22 ff. des Urteils ganz allgemein von einem "Mehrwertsteuerbetrug" der [X.], [X.], [X.] und [X.], benennt deren vorsteuerabzugsschädliches Verhalten aber nicht konkret.

(1) [X.]ass die gesetzlichen Vertreter der [X.], [X.], [X.] und [X.] (nach nationalem Recht: vorsätzlich i.S. des § 370 der Abgabenordnung --AO-- oder leichtfertig i.S. des § 378 AO) unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hätten (nach nationalem Recht: § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hätten (nach nationalem Recht: § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen des [X.] nicht.

(2) [X.]as [X.] könnte möglicherweise auch so verstanden werden, dass es als "Mehrwertsteuerbetrug" eine missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichtung der Steuer (nach nationalem Recht: gewerbsmäßige oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens, § 26c UStG, oder Schädigung des Umsatzsteueraufkommens, § 26b UStG) durch die [X.], [X.], [X.] und [X.] ansehen könnte.

(3) Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) der Umstand, ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen Verkäufe der betreffenden Gegenstände (hier: möglicherweise durch die [X.], [X.], [X.] und [X.]) geschuldet war, tatsächlich (hier: von der [X.], [X.], [X.] und [X.]) an den Fiskus entrichtet wurde, für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung (vgl. [X.]-Urteile Optigen u.a. vom 12.01.2006 - [X.]-354/03, [X.]-355/03 und [X.]-484/03, [X.]:[X.]:2006:16, [X.] 2006, Beilage 2, 144, Rz 54; [X.] vom 06.12.2012 - [X.]-285/11, [X.]:[X.]:2012:774, [X.] --UR-- 2013, 195, Rz 28; [X.] vom 22.10.2015 - [X.]-277/14, [X.]:[X.]:2015:719, [X.], 917, Rz 45; [X.] 1 vom 09.11.2017 - [X.]-552/16, [X.]:[X.]:2017:849, [X.] --HFR-- 2018, 84, Rz 44; s.a. BFH-Urteile vom 24.02.1994 - V R 80/92, [X.], 468, [X.] 1994, 487; vom 27.03.2003 - V R 33/02, [X.] 2003, 1224). [X.]ie Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger nicht über die materiellen, technischen und finanziellen Mittel verfügt, um die angeführte wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und der Inhaber der Anteile einer Gesellschaft bereits mehrfach eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für Gesellschaften erhalten hat, die nie wirklich eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben, reichen allein nicht als Beleg dafür aus, dass es wahrscheinlich ist, dass dieser beabsichtigt, Steuern zu hinterziehen ([X.]-Urteil [X.] vom 14.03.2013 - [X.]-527/11, [X.]:[X.]:2013:168, [X.], 548, Rz 36 und 37).

(4) [X.]ie Nichtabführung von Mehrwertsteuer stellt außerdem nach der Rechtsprechung des [X.] unabhängig davon, ob sie vorsätzlich erfolgt oder nicht, keinen "Betrug" i.S. von Art. 325 des [X.] Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) oder des am [X.] in [X.] unterzeichneten Übereinkommens aufgrund von Art. [X.] des [X.] [X.] über den Schutz der finanziellen Interessen der [X.] ([X.] [X.] --ABlEG-- 1995, Nr. [X.] 316, S. 49 --SFI-Übereinkommen--; jetzt: Richtlinie 2017/1371/[X.] des [X.] und des Rates vom 05.07.2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der [X.] gerichtetem Betrug, [X.] [X.] Nr. L 198, S. 29 --Richtlinie 2017/1371/[X.]--) dar (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 02.05.2018 - [X.]-574/15, [X.]:[X.]:2018:295, Mehrwertsteuerrecht --[X.]-- 2018, 791, Rz 37 ff.). Sie ist zwar eine "rechtswidrige Handlung", durch die die finanziellen Interessen der [X.] i.S. des Art. 325 Abs. 1 A[X.]V beeinträchtigt werden und auf die daher effektive, abschreckende Sanktionen anzuwenden sind ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2018:295, [X.] 2018, 791, Rz 44), aber, wenn eine Erklärung abgegeben wurde, nicht so schwerwiegend wie die Fälle von Mehrwertsteuerbetrug ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2018:295, [X.] 2018, 791, Rz 41).

(5) [X.]eshalb müssten für die Annahme eines [X.] durch missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichtung der Steuer zur Nichtabführung andere objektive Anhaltspunkte hinzutreten. Umstände in der unter (3) und (4) genannten Art, die durch das Vorliegen anderer objektiver Anhaltspunkte bestätigt werden und die missbräuchliche Absichten des Steuerpflichtigen annehmen lassen, können im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Risikos der Steuerhinterziehung zu berücksichtigen sein ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2013:168, [X.], 548, Rz 36 und 37). [X.]azu fehlen indes jegliche Feststellungen. [X.]as [X.] hat diese lediglich zu Lasten des [X.] unterstellt.

bb) Ausgehend von den fehlenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] dazu, von welchem "Mehrwertsteuerbetrug" der [X.], [X.], [X.] und [X.] es ausgeht, tragen die bisher vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen seine Annahme, dass der Kläger von ihm hätte wissen können bzw. müssen, nicht. Ob der Kläger von dem jeweiligen Mehrwertsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen, kann erst beurteilt werden, wenn das [X.] zuvor festgestellt hat, worin dieser aus seiner Sicht besteht (vgl. auch zur Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung Beschluss des [X.] --BGH-- vom 11.10.2018 - 1 StR 138/18, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht --wistra-- 2019, 108, Rz 12); denn die vom [X.] angeführten Umstände sind je nach vorliegender Fallgestaltung bedeutsam oder unerheblich.

So hat das [X.] z.B. angenommen, dass der Kläger aufgrund der Auskunft der [X.] wissen konnte bzw. musste, dass Zweifel an der Bonität der [X.] bestehen. [X.]araus ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzlichen Vertreter der [X.] einen "Mehrwertsteuerbetrug" in Form von unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegenüber dem für die [X.] zuständigen [X.] begehen werden. Auch kann daraus nicht geschlossen werden, dass die gesetzlichen Vertreter der [X.] die Finanzbehörden von den Umsätzen der [X.] pflichtwidrig in Unkenntnis lassen. Selbst eine betrügerische Nichtentrichtung der Steuer durch die [X.] folgt allein aus der Auskunft der [X.] für sich genommen nicht, solange die für einen "Mehrwertsteuerbetrug" i.S. der Rechtsprechung des [X.] zusätzlich erforderlichen Umstände (vgl. dazu sowie zu deren Grenzen neben den o.g. Urteilen z.B. [X.]-Urteile Kittel und Recolta Recycling vom 06.07.2006 - [X.]-439/04 und [X.]-440/04, [X.]:[X.]:2006:446, [X.] 2006, Beilage 4, 454, Rz 53 ff.; [X.] vom 13.02.2014 - [X.]-18/13, [X.]:[X.]:2014:69, UR 2014, 861, Rz 31; [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 60 ff.) bei der [X.] hinzukommen und der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt (s. dazu [X.] vom 01.10.2013 - 1 StR 312/13, [X.]eutsches Steuerrecht 2014, 365; vom 19.11.2014 - 1 StR 219/14, [X.], 147; vom 29.01.2015 - 1 StR 216/14, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2015, 283; vom 02.09.2015 - 1 StR 239/15, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2016, 274) von diesen wusste oder hätte wissen müssen.

3. Aufgrund dieses Verfahrensfehlers erscheint es als sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, da beim derzeitigen Verfahrensstand von einer Revisionsentscheidung keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist (vgl. dazu z.B. [X.] vom 25.07.2017 - XI B 29/17, [X.] 2017, 1715, Rz 26; vom 08.05.2018 - XI B 5/18, [X.] 2018, 958, Rz 23).

4. Einer Zurückverweisung an einen anderen Senat des [X.] bedarf es nicht; denn das [X.] hat zutreffend angenommen, dass der Befangenheitsantrag des [X.] offensichtlich unzulässig war (vgl. allgemein [X.] vom 14.06.1994 - VII B 34/94, [X.] 1995, 131; vom 14.10.1999 - IV B 72/99, [X.] 2000, 459; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], § 51 [X.]O Rz 70). Allein der unterlaufene Verfahrensfehler rechtfertigt (wie jede [X.] oder verfahrensrechtliche Unrichtigkeit) die Zurückverweisung an einen anderen Senat nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2015 - XI R 27/13, [X.] 2016, 252, Rz 47, m.w.N.).

5. [X.]ie Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

6. [X.]er Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O). [X.]iese Vorschrift gilt auch im Falle des § 116 Abs. 6 [X.]O (vgl. [X.] vom 11.05.2015 - XI B 29/15, [X.] 2015, 1257, Rz 23; vom 25.10.2018 - XI B 57/18, [X.] 2019, 130, Rz 25).

Meta

XI B 17/19

03.07.2019

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 31. Januar 2019, Az: 1 K 2037/18, Urteil

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 26b UStG 2005, § 26c UStG 2005, § 370 AO, Art 325 AEUV, § 96 Abs 1 S 1 FGO, EGÜbk 1127/95, EURL 2017/1371

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.07.2019, Az. XI B 17/19 (REWIS RS 2019, 5846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5846


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI B 17/19

Bundesfinanzhof, XI B 17/19, 03.07.2019.


Az. 1 K 2037/18

Finanzgericht Baden-Württemberg, 1 K 2037/18, 31.01.2019.


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