Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. II ZR 18/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1072

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR 18/12
Verkündet am:

19. November 2013

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GmbHG § 64 Satz 1; [X.] §§ 94, 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1
Eine vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage zwischen rückständigen [X.]n des Geschäftsführers und dem gegen ihn bestehenden [X.] aus § 64 Satz 1 GmbHG ist nicht nach § 94 [X.] geschützt, wenn
die [X.] durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben wurde.
[X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 18/12 -
KG

[X.]

-
2
-
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17.
September 2013
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann, [X.] Dr. Strohn, die Richterinnen
Caliebe
und Dr.
Reichart und den Richter
Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 14.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Dezember
2011 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 7.
Zivilkammer des [X.]s
Berlin vom 10.
September 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.
April
2009 wirkungslos ist.
Die Kosten der
Rechtsmittel
trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Ver-mögen der C.

GmbH (künftig: Schuldnerin), das auf den [X.] vom 1. November 2007 am 10. Dezember 2007 eröffnet wurde. Er nimmt den Beklagten, der bis zum 30. Oktober 2007 Geschäftsführer der Schuldnerin war, auf Erstattung von Zahlungen der Schuldnerin im Zeitraum vom 1. bis 1
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3
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16.
Oktober 2007 in Höhe von 13.729,22

Schuldnerin sei zum 30.
September 2007 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.
Der Beklagte hat sich mit der Begründung, die Schuldnerin sei nicht zah-lungsunfähig gewesen und er habe zudem hinsichtlich der Zahlungen nicht schuldhaft gehandelt, gegen die Klage verteidigt. Das [X.] hat der Klage stattgegeben.
In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte zunächst mit der [X.], dem Kläger stehe entgegen der Ansicht des [X.]s kein Anspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. zu, gegen die erstinstanzliche Entschei-dung gewandt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat er
gegen die Klageforde-rung mit einem Teil seiner rückständigen Gehaltsforderungen
(Januar bis März 2007 in Höhe von 11.505

2.224,22

aufgerechnet,
die durch Urteil des [X.]s
Berlin vom 5.
Mai 2011 (5
O
190/10) rechts-kräftig als Insolvenzforderung gegenüber dem Kläger
in einer Gesamthöhe von 30.680

it von Dezember 2006 bis Juli 2007 festgestellt worden sind.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger die Klage in Höhe der Nebenforderung (vorgerichtliche Anwaltskosten)
mit Zu-stimmung des Beklagten
zurückgenommen. Der Beklagte hat erklärt, sich nur noch mit der erklärten Aufrechnung gegen die Klage verteidigen zu wollen.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision des [X.].

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3
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4
-
Entscheidungsgründe:

Die Revision des [X.] hat Erfolg und führt unter Aufhebung des Beru-fungsurteils zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung im Um-fang des vom Kläger nach [X.] noch verfolgten Klagebegehrens.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Aufrechnung des Beklagten gegen den Anspruch des [X.] aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. (= §
64 Satz
1 GmbHG) habe Erfolg und führe zum Erlöschen der Klageforderung (§
389 [X.]). Die zwischen der Forderung des [X.] und den Ansprüchen aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. vor In-solvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage (§
387 [X.]) habe zugunsten des Beklagten nach §
94 [X.]
fortbestanden.
Anhaltspunkte für Aufrechnungs-verbote nach §
96 Abs.
1 [X.] seien dem [X.] nicht zu entnehmen. Der Anspruch aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. schließe auch nicht seiner
Eigenart nach jede Aufrechnung aus. Das Berufungsgericht hat die
Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob der [X.] gegen eine Forderung aus §
64 Satz
1 GmbHG bzw. §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. mit vor Insolvenzeröffnung erworbenen [X.] aufrechnen kann.
II.
Die angefochtene Entscheidung hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
Dabei kommt es auf die Frage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, für die Entscheidung nicht an. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung ist schon gemäß
§ 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.]
insolvenzrechtlich unwirksam.

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-
5
-
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist das Berufungsge-richt zu
Recht
davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen den Beklagten eine Forderung aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F., gegen die der Beklagte aufge-rechnet hat, zusteht. Mit ihren insoweit erhobenen Gegenrügen kann die Revi-sionserwiderung nicht mehr gehört werden. Die Revisionserwiderung verkennt, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung das Bestehen der Klageforde-rung
ohne eigene Prüfungskompetenz
zu Grunde
zu legen hatte, nachdem der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nur noch mit der ([X.] gegen die Klage verteidigt hat (vgl.
[X.], Urteil vom 13. Juni 2001 -
VIII ZR 294/99, [X.], 2023, 2024 mwN; s. hierzu auch [X.], Urteil vom 13.
Februar 1996 -
XI
ZR
148/95, WM
1996, 1153
f.).

2. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den (aus [X.] bis April 2007) rückständigen [X.]n des Beklagten und dem Anspruch des [X.] aus § 64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F.
habe vor Insol-venzeröffnung eine Aufrechnungslage bestanden, wendet sich die Revision -
zu Recht
-
nicht.
Eine Aufrechnungslage besteht, wenn die in §
387 [X.] normierten [X.], Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der [X.] des [X.] gegeben sind (st. Rspr. siehe nur [X.], Urteil vom 19.
Mai 2011 -
IX
ZR
222/08, ZIP
2011, 1271 Rn.
6 mwN; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
387 Rn.
1). Zutreffend hat das Berufungsgericht die Merkmale der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der [X.] und (unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 16.
März 2009 -
II
ZR
32/08, ZIP
2009, 956 Rn.
20; ebenso [X.], Beschluss vom 23.
September 2010 -
IX
ZB
204/09, ZIP
2010, 2107 Rn.
13
ff.) der Erfüllbarkeit der Passivforderung aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. als gegeben angesehen.
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6
-
3. Das Berufungsgericht hat aber, wie die Revision zu
Recht rügt, ver-kannt, dass die nach seinen Feststellungen vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage (§ 387 [X.]) zwischen den rückständigen [X.] des Beklagten und dem Anspruch der Schuldnerin aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. nicht nach § 94 [X.] geschützt ist, weil zu Lasten des Beklagten das [X.] aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eingreift.
Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Dies setzt voraus, dass die [X.] in einer von §§ 130 ff. [X.] beschriebenen Weise anfechtbar erworben worden ist ([X.], Urteil vom 29. Juni 2004 -
IX [X.], [X.]Z 159, 388, 393; Urteil vom 14. Juni 2007 -
IX ZR 56/06, [X.], 1507, 1508; Versäumnisurteil vom 15. November 2007 -
IX ZR 212/06, [X.], 235 Rn.
9). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
a) Der Beklagte hat die Aufrechnungslage durch die (verbotenen) [X.] in der Krise der Schuldnerin herbeigeführt. Unter einer Rechtshandlung im Sinne der §§
129
ff. [X.] ist jedes von einem Willen getragene Handeln zu verstehen, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des [X.] zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (st. Rspr., siehe nur [X.], Urteil vom 7.
Mai 2013 -
IX
ZR
191/12, ZIP
2013, 1180 Rn.
6 mwN). [X.], ob die rechtliche Wirkung auf dem Willen des Handelnden beruht
oder -
wie hier
-
kraft Gesetzes eintritt, kommt es nicht an ([X.], Urteil vom 7.
Mai 2013 -
IX
ZR
191/12, ZIP
2013, 1180 Rn.
6).
b) Die (verbotenen) Zahlungen hatten eine Benachteiligung der [X.] zur Folge, weil sie zu einem Anspruch der Schuldnerin gegen den Beklagten und damit zu der Möglichkeit der Aufrechnung führten, welche den Erstattungsanspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. der Gesamtheit 12
13
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7
-
der Gläubiger entzog, während der Beklagte ohne die Aufrechnung nur eine Insolvenzforderung hätte geltend machen können.

c) Die Herstellung der Aufrechnungslage durch den Beklagten führte zu einer inkongruenten Deckung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).
Der Beklagte hatte ge-gen die Schuldnerin keinen Anspruch auf eine Begründung gegenseitiger [X.]
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 29. Juni 2004 -
IX [X.], [X.]Z 159, 388, 393
f.).
4.
Wegen der bereits insolvenzrechtlichen Unwirksamkeit der Aufrech-nung des Beklagten kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits
auf die Frage, ob die Eigenart des Anspruchs aus §
64 Abs.
2 Satz
1 GmbHG a.F. (=
§
64 Abs.
1 GmbHG) die Aufrechnung ausschließt (bejahend: [X.]/Kruth
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8
-
in Nerlich/[X.], [X.], 24.
Erg.L.
2012, §
94 Rn.
25 und §
96 Rn.
5),
nicht mehr an.

Bergmann

Strohn

Caliebe

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.09.2009 -
7 O 36/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 02.12.2011 -
14 [X.]/09 -

Meta

II ZR 18/12

19.11.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. II ZR 18/12 (REWIS RS 2013, 1072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1072

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XI R 44/20

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II ZR 18/12

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