Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2003, Az. 5 StR 457/03

5. Strafsenat | REWIS RS 2003, 384

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5 [X.]/03BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILvom 4. Dezember 2003in der [X.] versuchten Totschlags u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 2. und 4. Dezember 2003, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],[X.],Richter Dr. Brause,Richter [X.] beisitzende Richter,Oberstaatsanwalt beim [X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwaltals Verteidiger,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -in der Sitzung vom 4. Dezember 2003 für Recht [X.] Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] [X.] vom 14. Mai 2003 im Schuld-spruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte des ver-suchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperver-letzung sowie der vorsätzlichen Körperverletzungschuldig ist.2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft unddie Revision des Angeklagten werden verworfen.3. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten [X.] Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags [X.] mit schwerer Körperverletzung und wegen (vorsätzlicher) Körper-verletzung zu vier Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. [X.], mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwalt-schaft, die vom [X.] vertreten wird, hat mit der [X.], daß der Angeklagte nicht wegen versuchten Mordes verurteilt wordenist, Erfolg; dies zieht indes nicht die Aufhebung des [X.] sich. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten [X.] 4 -1. Der damals 16-jährige Angeklagte, der an einer leichten Intelli-genzminderung und einer Persönlichkeitsstörung leidet, zudem Alkoholmiß-brauch treibt, wurde in der Nacht zum 14. Dezember 2002 gegen 2 Uhr er-heblich alkoholisiert, jedoch nicht volltrunken aus dem Jugendclub [X.] hinausgeworfen.Hierüber —maßlosfi wütend schlug er einem Alkoholiker, über den ersich einige Zeit zuvor geärgert hatte, ein Fenster ein und brachte [X.] die 73-jährige Mutter des Mannes, die ihn zur Rede stellen wollte, [X.] gegen Gesicht und Körper zu Boden. Anschließend suchte [X.] nach einem Gesprächspartner. Nachdem ein Bekannter auf [X.] zur Nachtzeit nicht reagiert hatte, begab er sich in das unverschlos-sene Haus einer 38-jährigen schizophrenen Frau, zu der er seit [X.] eine —Beziehungfi aufzubauen begann und die ihm angeboten hatte, [X.] sie besuchen, um sich mit ihr zu unterhalten. Im Haus hörte der Ange-klagte, wie der Onkel der Frau im Wohnzimmer Geige spielte. Die Frau fander im Schlafzimmer schlafend in einem Doppelbett neben ihrer ebenfallsschlafenden 91-jährigen Großmutter. Die Großmutter hatte ihn einige [X.], als er ihre Enkelin hatte besuchen wollen, abgewiesen.In dieser Situation steigerte sich die Wut des Angeklagten noch, weiler sich gehindert sah, wie gewünscht, ungestört mit der Enkelin reden zukönnen. Er begab sich zunächst vor das Haus, um zu urinieren, und be-merkte eine Axt, die er ergriff. Er ging ins Schlafzimmer zurück und schlugder schlafenden Großmutter mit der stumpfen Seite des Metallkopfes denSchädel ein. Die [X.], deren Tötung der Angeklagte bei seinem Angriffjedenfalls für möglich hielt und in Kauf nahm, ist seitdem infolge der erlitte-nen schweren Kopfverletzungen ohne Besinnung und in Siechtum verfallen.2. Mit Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft bei diesen [X.], daß der Angeklagte nicht wegen versuchtenHeimtückemordes verurteilt worden ist. Dessen Ablehnung aus subjektiven- 5 -Gründen ist nicht nachvollziehbar, da das [X.] festgestellt hat, daßder Angeklagte [X.] eingestandenermaßen ([X.]) [X.] beim ersten Betretendes Schlafzimmers sah, daß beide Frauen schliefen, die Liegeposition derGroßmutter im Bett [X.] was ebenfalls aus seinen Angaben folgte ([X.]) [X.]erkannte und [X.] wovon sich die [X.] anhand der Lichtverhältnisserechtsfehlerfrei überzeugt hat ([X.]) [X.] ihren Kopf optisch wahrnahm, alser auf sie einschlug. Daß die Großmutter aufgrund ihres Schlafes arglos undinfolgedessen wehrlos war, verkennt die [X.] nicht ([X.]). [X.] keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dem Angeklagten der [X.] zuvor wahrgenommene Schlaf seines Opfers zum Zeitpunkt der Tö-tungshandlung nicht mehr bewußt gewesen wäre. Zumindest versteht es [X.] selbst, daß er [X.] selbst wenn er nicht —wissen konntefi, ob die Großmuttervielleicht inzwischen erwacht war ([X.]) [X.] damit rechnete, daß sie [X.], als er sie immer noch an der gleichen Stelle im Bett liegend [X.].Wer ein Opfer tötet, das, wie er bemerkt oder auch nur für möglichhält, schläft, weiß selbstverständlich um die aus dem wahrgenommenen Zu-stand folgende Arglosigkeit und die hierdurch bedingte Wehrlosigkeit [X.], die er mit Vornahme der konkreten Tötungshandlung in der erkann-ten Situation seines Opfers bewußt ausnutzt. Anders als bei anderen Fall-konstellationen der Heimtücke ist dieser klare Befund durch eine noch soheftige Gemütsbewegung des [X.] nicht in Frage zu stellen. Daß dieserseinen [X.] in gleicher Weise in die Tat umgesetzt hätte, [X.] das Opfer nicht im Zustand der Ahnungs- und Schutzlosigkeit angetroffenhätte, stellt die Erfüllung des [X.] nicht in Frage (vgl. zum Vorste-henden Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 34 mit [X.] [X.] hat demgegenüber zu weitgehende subjektiveAnforderungen an das Moment des [X.] beim Mordmerkmal [X.] gestellt, das sie infolge des Erregungszustandes des Angeklagten- 6 -bei Tatbegehung nicht als erfüllt ansehen wollte. Aus dem [X.] zu den Wahrnehmungen des Angeklagten bei Tatbegehung getroffenenFeststellungen ergibt sich zweifelsfrei, daß die [X.] bei zutreffen-dem Bewertungsmaßstab die Voraussetzungen dieses [X.] anzu-nehmen hatte. Der Senat sieht sich daher in der Lage, auf die Revision [X.] zum Schuldspruch [X.] der Anklage folgend [X.] von versuch-tem Totschlag auf versuchten Mord durchzuentscheiden.3. Im übrigen weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Vorteiloder zum Nachteil des Angeklagten auf. Die tatsächlichen Feststellungenberuhen insgesamt auf einer ausreichend abgehandelten Beweisgrundlage.Mord aus niedrigen Beweggründen schied aus subjektiven Gründen offen-sichtlich aus, ohne daß dies näher zu erörtern war. Den [X.] die [X.] ungeachtet des festgestellten Erregungszustandesdes Angeklagten bei Tatbegehung und des hieraus resultierenden unbe-dachten [X.] aus den zur Tathandlung und zu den [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ohneweiteres folgern.4. Trotz der Verschärfung des Schuldspruchs hat der [X.], dessen Begründung sonst keinen Rechtsfehler zum Vorteiloder zum Nachteil des Angeklagten erkennen läßt, aufgrund besondererUmstände des vorliegenden Einzelfalles Bestand.Der Strafrahmen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 JGG) bleibt unverän-dert. Die [X.] hat sich bei der Bemessung der Höhe der [X.] ange-sichts der Schwere der zweiten Tat milden, aber noch nicht rechtsfehlerhaftniedrig bestimmten [X.] Jugendstrafe gegen den zur Tatzeit erst 16-jährigen,nicht besonders gravierend vorbelasteten Angeklagten maßgeblich am Er-ziehungsgedanken orientiert. Die hierfür tragenden Gesichtspunkte werdendurch die weitere Erschwerung des Schuldspruchs nicht wesentlich [X.] wäre ein weiteres Aufschieben des rechtskräftigen [X.] bei dem psychisch erheblich gestörten Angeklagten [X.] auf den das Jugendstrafrecht beherrschenden Erziehungsgedankennachteilig. Es erscheint vielmehr dringend geboten, alsbald mit den Mittelndes Jugendstrafvollzugs [X.] dabei möglichst unter Anwendung geeigneter psy-chotherapeutischer Maßnahmen [X.] erzieherisch auf den Angeklagten einzu-wirken. Mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter und auf die zu seiner Per-sönlichkeit insgesamt getroffenen Feststellungen waren die Voraussetzun-gen für seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder gar in [X.] Krankenhaus (§ 7 JGG) ersichtlich zu verneinen; daß die[X.], die den Angeklagten durch einen psychiatrischen Sachver-ständigen hat untersuchen lassen, eine ausdrückliche Erörterung dieser Fra-gen unterlassen hat, begegnet bei der gegebenen Sachlage keinen durch-greifenden Bedenken.Der bei der [X.] und das in diesem Zusammenhang besonders [X.] zügiger Verfahrensförderung in [X.] würden durch eineAufhebung des Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zum Rechts-folgenauspruch wesentlich tangiert; dies hätte zugleich erhebliche strafmil-dernde Wirkung im Rahmen einer erneuten Strafzumessung. Bei der hiergegebenen besonderen Sachlage sieht sich der Senat in entsprechender- 8 -Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als befugt, trotz des nicht unerheblichenErfolges der staatsanwaltlichen Revision den Rechtsfolgenausspruch [X.].[X.] Häger BasdorfBrause Schaal

Meta

5 StR 457/03

04.12.2003

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2003, Az. 5 StR 457/03 (REWIS RS 2003, 384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 384

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