Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.08.2022, Az. B 1 KR 56/22 B

1. Senat | REWIS RS 2022, 5849

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Bezeichnung - Prozessurteil statt Sachurteil - Klageerhebungswille trotz untypischem Erscheinungsbild der Klageschrift - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Berichtigung des Passivrubrums - Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswerts - Abgrenzung der fehlerhaften Beteiligtenbezeichnung von der irrtümlichen Benennung einer falschen Person als Beteiligter


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8196,75 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]eteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

2

Eine bei der klagenden [X.] Versicherte wurde im Jahr 2014 vollstationär im [X.] behandelt, dessen Trägerin die [X.] gGmbH mit Sitz in der [X.], [X.] ist. Am 8.11.2018 ist beim [X.] ein als "Klage" bezeichnetes Schreiben der [X.] eingegangen. Es enthält ein Rubrum, in dem die [X.] als Klägerin und als [X.]eklagte die [X.], [X.], [X.] bezeichnet sind, nähere Angaben zum Gegenstand der Klage, einen Klageantrag sowie eine kurze [X.]egründung. Ebenfalls angegeben sind das [X.] ([X.]) 260590652 mit dem Vermerk "[X.]", die Versicherte, die Versichertennummer ([X.]), der Rückforderungsbetrag (8196,75 Euro) und der [X.]ehandlungszeitraum. Die Angaben befinden sich teilweise in grau hinterlegten Textfeldern. Das Schreiben trägt weder [X.]riefkopf noch Datum, der zuständige Sachbearbeiter und Verfasser ist nicht angegeben und das Schreiben trägt auch keine [X.]nterschrift. Das [X.] ist benannt, ergänzend ist aber nur dessen Fax-Nummer angegeben. Mit Schriftsatz vom 19.6.2019 hat die inzwischen anwaltlich vertretene [X.] beantragt, das [X.]assivrubrum zu berichtigen und in [X.] gGmbH zu ändern, hilfsweise die Klage im Wege der Klageänderung entsprechend umzustellen. Das [X.] hat die [X.] nach vorläufiger [X.]rüfung darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend um eine Klageänderung handeln dürfte. Die [X.]eklagte stimmte der Klageänderung nicht zu. Das [X.] hat die Klage mit der [X.]egründung abgewiesen, sie sei bereits nicht wirksam erhoben worden (Gerichtsbescheid vom 21.7.2021).

3

Im [X.]erufungsverfahren hat die [X.] beantragt, den Gerichtsbescheid des [X.] zu ändern, das [X.]assivrubrum von Amts wegen zu ändern und die [X.] gGmbH als [X.]eklagte zu führen, den Gerichtsbescheid des [X.] abzuändern und die [X.]eklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8196,75 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei [X.]rozentpunkten über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz seit dem 7.7.2015 zu zahlen. Das L[X.] hat die [X.]erufung der [X.] zurückgewiesen. Der erforderliche Klageerhebungswille sei objektiv anhand des Schreibens vom 8.11.2018 nicht erkennbar gewesen. Zwar sei für dessen Vorliegen keine [X.]nterschrift erforderlich; er könne auch auf andere Weise ersichtlich sein. [X.]ei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seien aber höhere Anforderungen zu stellen als bei natürlichen [X.]ersonen. In der Gesamtschau sei danach nur von einem Entwurf auszugehen. Hierfür spreche die Formatierung mit grau hinterlegten Textteilen und das Fehlen eines [X.]riefkopfes, aus dem der [X.]rheber des Schreibens hervorgehe. Eine Auslegung späterer Schriftsätze als Klageerhebung komme nach der ausdrücklichen Klarstellung der Klägerin, dass nur am 8.11.2018 Klage habe erhoben werden sollen, nicht in [X.]etracht; sie sei im Übrigen ohnehin fernliegend. Die [X.]erichtigung des [X.]assivrubrums scheide unabhängig davon aus ([X.]rteil vom 24.5.2022).

4

Die [X.] wendet sich mit ihrer [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]rteil des L[X.] und beantragt erneut die Änderung des [X.]assivrubrums von Amts wegen.

5

II. Die zulässige [X.]eschwerde der klagenden [X.] ist begründet. Das [X.]rteil des L[X.] beruht auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G; dazu 2.), den die [X.] entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G bezeichnet (dazu 1.). Die ausdrücklich erhobene Rüge der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache ist dagegen unzulässig (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G; dazu 3.). Dies eröffnet dem Senat die Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das L[X.] nach § 160a Abs 5 [X.]G (dazu 4.). Die Voraussetzungen für eine [X.]erichtigung des [X.]assivrubrums von Amts wegen im [X.] liegen nicht vor (dazu 5.).

6

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die [X.] bezeichnet den geltend gemachten Verfahrensmangel der gebotenen Sachentscheidung über eine nach §§ 90, 92 [X.]G wirksam erhobene, zulässige Klage anstelle des ergangenen [X.]rozessurteils hinreichend.

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die [X.]ezeichnung des [X.] die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer [X.]eeinflussung der Entscheidung besteht (stRspr; vgl [X.][X.] vom [X.] - [X.] 9 V 37/21 [X.] - juris Rd[X.] 8; [X.][X.] vom 1.2.2017 - [X.] 5 [X.]/16 [X.] - juris Rd[X.]2; [X.][X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]4). Diese [X.]egründungsanforderungen erfüllt die [X.]eschwerde der [X.]. Die [X.] hat zwar ausdrücklich nur eine Grundsatzrüge erhoben. Die von § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G geforderte [X.]ezeichnung des [X.] erfordert allerdings nicht, dass der gerügte Verfahrensmangel ausdrücklich als Verfahrensmangel bezeichnet, also ausdrücklich die Rüge eines [X.] erhoben wird. Denn auch sich auf einen Verfahrensmangel beziehende Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung und deren [X.]egründungen können implizit zugleich Verfahrensmängel bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die [X.] macht geltend, das L[X.] habe ihr unter [X.]erufung auf die Voraussetzungen der §§ 90, 92 [X.]G den Rechtsweg abgeschnitten. Sie begründet auch ausführlich, warum das L[X.] aufgrund der konkreten [X.]mstände einen Klageerhebungswillen nicht hätte verneinen dürfen und zu einer Entscheidung in der Sache hätte gelangen müssen.

8

2. Die [X.]eschwerde ist auch begründet. Das L[X.] hätte in der Sache entscheiden müssen. Das Ergehen eines [X.]rozessurteils anstatt des gebotenen [X.] ist ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G (stRspr; vgl nur [X.][X.] vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - [X.][X.]E 1, 283; [X.][X.] vom 19.5.2021 - [X.] 14 [X.]/20 [X.] - juris Rd[X.] 6). Von einem fortwirkenden Verfahrensmangel ist auszugehen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen [X.]rozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und das L[X.] das [X.]rozessurteil des [X.] bestätigt (vgl [X.][X.] vom [X.] - [X.] 8 [X.] 8/19 [X.] - Rd[X.] 6 mwN). So liegt der Fall hier. Das L[X.]-[X.]rteil beruhte auch auf diesem Verfahrensmangel.

9

Zwar ergibt sich die fehlende Sachentscheidung nicht bereits aus dem Tenor des angefochtenen [X.]rteils, mit dem das L[X.] die [X.]erufung "zurückgewiesen" hat. [X.]m den Sinn der [X.]rteilsformel zu ermitteln, sind die Entscheidungsgründe aber mit heranzuziehen (so zu einem vergleichbaren Fall bereits [X.][X.] vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - [X.][X.]E 1, 283, 285). Danach hat hier das L[X.] teilweise unter [X.]ezugnahme auf die Gründe des [X.] schon die Rechtshängigkeit einer Klage durch den am 8.11.2018 eingegangenen Schriftsatz der [X.] verneint. Damit hat es nicht zur Sache entschieden, sondern ein [X.]rozessurteil erlassen (vgl zum ähnlich gelagerten Fall der fehlerhaften Feststellung der Klagerücknahme als Verfahrensfehler [X.][X.] vom 14.5.2020 - [X.] 14 [X.]/19 [X.] - juris Rd[X.] 9; [X.][X.] vom [X.] - [X.] 8 [X.] 50/17 [X.] - juris Rd[X.] 4; beide Entscheidungen zur Klagerücknahmefiktion; [X.]FH vom 11.7.2007 - [X.]/07 - [X.]FHE 218, 20 = juris Rd[X.]3 f). Zu [X.]nrecht ist das L[X.] hierbei davon ausgegangen, es sei nicht feststellbar, dass die [X.] an diesem Tag den Willen zur Erhebung der Klage gehabt habe.

Ob und in welchem [X.]mfang eine Klage erhoben ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, für die die Auslegungsregel des § 133 [X.]G[X.] gilt. Hierfür sind auch die in der Klageschrift enthaltenen Angaben zu berücksichtigen. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des Gewollten, hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass der Kläger die Zweifel beseitigt. Ist dies nicht mehr rechtzeitig möglich, ist rechtlich maßgebender Erklärungsinhalt der Wille des Erklärenden, wenn er innerhalb der Klagefrist in der Erklärung einen erkennbaren, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, dh wie das Gericht und die übrigen [X.]rozessbeteiligten bei [X.]erücksichtigung aller ihnen erkennbaren [X.]mstände das [X.] verstehen müssen (vgl [X.][X.] vom [X.] - [X.] 12 KR 22/05 R - juris Rd[X.]9 mwN; [X.]FH vom 12.5.1981 - VIII R 24/78 - juris Rd[X.]0).

Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem am 8.11.2018 beim [X.] eingegangenen Schreiben um eine von der [X.] willentlich an das [X.] gesandte Klageschrift und nicht bloß um einen Entwurf. [X.]ngeachtet des ungewöhnlichen Erscheinungsbildes erfüllt das Schreiben alle an eine Klageschrift nach dem [X.]G zu stellenden Anforderungen. Das Schreiben der [X.] vom 8.11.2018 ist als Klage bezeichnet und nach § 57 Abs 1 Satz 2, § 90 [X.]G beim zuständigen [X.] eingegangen (dazu a). Es enthält sämtliche von § 92 Abs 1 Satz 1 [X.]G geforderten Muss-Angaben sowie weitere [X.] (dazu b). Auch aus dem untypischen Erscheinungsbild der Klageschrift kann nicht abgeleitet werden, dass der [X.] der Klageerhebungswille fehlte. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die formalen [X.]esonderheiten allein den allgemein bekannten, außergewöhnlichen [X.]mständen des Zustandekommens des Gesetzes zur Stärkung des [X.]flegepersonals ([X.]flegepersonal-Stärkungsgesetz <[X.]p[X.]> vom 11.12.2018, [X.]G[X.]l I 2394) geschuldet sind. Dies war für die Vorinstanzen und das beklagte Krankenhaus erkennbar (dazu c).

a) § 57 Abs 1 Satz 2 [X.]G bestimmt ua, dass der Sitz der juristischen [X.]erson des [X.]rivatrechts maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit des [X.] ist, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts klagt. Die Klage ist nach § 90 [X.]G bei dem zuständigen Gericht schriftlich oder zu [X.]rotokoll des [X.]rkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Hier klagt eine [X.] als öffentlich-rechtliche Körperschaft gegen eine GmbH als (vermeintliche) Krankenhausträgerin, die ihren Sitz im [X.]ezirk des [X.] hat. Das Schreiben vom 8.11.2018 ist ausdrücklich als "[X.]" bezeichnet. Es ist an das örtlich zuständige [X.] gerichtet und dort auch eingegangen.

b) Die Klage muss nach § 92 Abs 1 Satz 1 [X.]G den Kläger, den [X.]eklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die Angaben der [X.] sind sehr präzise und bestimmen den Streitgegenstand klar. [X.]enannt werden als Klägerin "[X.], vertreten durch ihren Vorstand [X.], [X.], [X.]" und als [X.]eklagte die "[X.]" mit Adresse. Außerdem werden die genaue Höhe des [X.] (8196,75 Euro), der Name der Versicherten mit Geburtsdatum, der [X.]ehandlungszeitraum und die "[X.]" zur Individualisierung des Sachverhalts angegeben.

Das Schreiben enthält außerdem einen ausdrücklichen, konkret formulierten Klageantrag (Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 3 [X.]G). Die Klage ist, wenn auch knapp, begründet. Die [X.] habe ohne Rechtsgrund 8196,75 Euro gezahlt. Deshalb stehe ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Das Schreiben schließt mit dem Satz: "Die weitere [X.]egründung der Klage erfolgt zeitnah."

[X.]nerheblich ist die fehlende [X.]nterschrift. Denn § 92 Abs 1 Satz 3 [X.]G bestimmt nur, dass die Klage vom Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten [X.]erson mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein soll, aber nicht muss. Gleiches gilt für die nähere Darlegung der Tatsachen zur [X.]egründung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs (Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 4 [X.]G).

c) Die klagende [X.] sah sich durch das Vorgehen des Gesetzgebers bei der Verkürzung der Verjährungsregelungen durch das [X.]p[X.] im Gesetzgebungsverfahren mit der Aufgabe konfrontiert, binnen weniger Tage [X.] durch mehrere hundert Klagen bis zum 9.11.2018 rechtshängig zu machen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, nachdem der entsprechende Änderungsantrag erst zwei Tage zuvor im [X.]undestagsausschuss eingebracht worden war. Dies dürfte einzelne formale Mängel im Erscheinungsbild der Klageschrift erklären.

Art 7 [X.] 8a (§ 109 Abs 5 [X.][X.] V) und [X.] 20 (§ 325 [X.][X.] V aF) des [X.]p[X.] bestimmen:

        

"§ 109 Abs 5 [X.][X.] V: Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des [X.], in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend."

        

"§ 325 [X.][X.] V aF: Die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ist ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und bis zum 9. November 2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden."

Diese Regelungen beruhten auf im [X.] zum Entwurf des [X.]p[X.] eingebrachten Änderungsanträgen der Fraktionen der CD[X.]/CS[X.] und der S[X.]D vom 5.10.2018 ([X.] 19[14]38.1). Ein Änderungsantrag betraf die Verkürzung der Verjährung nach § 109 Abs 5 [X.][X.] V. Diese Änderung sollte auch rückwirkend und ohne Übergangsvorschrift wirksam werden, sodass vor 2017 entstandene Ansprüche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des [X.]p[X.] zum 1.1.2019 verjährt wären. Der [X.] übernahm in seinen Empfehlungen diesen Antrag im Wesentlichen, änderte ihn aber insoweit ab, als er die Rückwirkung der neuen Verjährungsregelung nur für Forderungen der [X.]n und in einem neuen § 325 [X.][X.] V eine "Übergangsregelung" vorsah, die es den [X.]n ermöglichte, bis zum [X.] des [X.]p[X.] vor 2017 entstandene Ansprüche bei den [X.]en verjährungshemmend rechtshängig zu machen ([X.]T-Drucks 19/5593 [X.]). Die [X.] datiert vom 7.11.2018, die 2./3. Lesung erfolgte am 9.11.2018. Die Übergangsfrist betrug danach genau zwei Tage.

Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs und des damit einhergehenden enormen Zeitdrucks, der auf den [X.]n lastete, war es nachvollziehbar, dass es nicht allen [X.]n gelingen werde, die in großer Zahl zu erstellenden Klageschriften in der erwarteten formalen Qualität zu fertigen. Der Zeitdruck geht hier insbesondere aus den Textbausteinen mit ihren grau hinterlegten Freifeldern hervor, die individuell ausgefüllt werden mussten und von der [X.] auch ausgefüllt wurden. Die Klageschrift lässt ihrem Inhalt nach keinen Zweifel an dem Willen der [X.] erkennen, am 8.11.2018 einen bestimmten Anspruch auf Erstattung gezahlter [X.]ehandlungskosten gegen die [X.]eklagte gerichtlich durchsetzen zu wollen. Gerade der Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens beim [X.] spricht maßgeblich dafür, dass es der [X.] darum ging, innerhalb des vorgenannten engen zeitlichen Korridors ihre Rechte zu wahren. Hinzu kommt, dass nicht bloß die hier vorliegende Klageschrift, sondern zumindest etliche Erstattungsforderungsklagen der klagenden [X.], die im Zeitfenster bis zum 9.11.2018 bei Gericht eingingen, dasselbe ungewohnte formale Erscheinungsbild hatten. Dies steht der Annahme entgegen, dass das vorliegende Schreiben vom 8.11.2018 durch ein Versehen zum [X.] gelangt sein könnte. All dies war hier für die Gerichte und die [X.]eklagte erkennbar. Hingegen sind sonstige [X.]mstände nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die [X.] einen Grund gehabt haben könnte, die Verjährung der von ihr behaupteten Erstattungsforderung eintreten zu lassen.

3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von [X.]edeutung ist (vgl z[X.] [X.][X.] vom 17.4.2012 - [X.] 13 R 347/11 [X.] - [X.] 4-2600 § 72 [X.] 5 Rd[X.]7 mwN; zur verfassungsrechtlichen [X.]nbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.]VerfG vom 14.4.2010 - 1 [X.]vR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 24 Rd[X.] 5 ff mwN). Dem wird das [X.]eschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die [X.] formuliert als Rechtsfragen:

        

1) Steht die Verwendung von erkennbaren Textbausteinen/ auszufüllenden Feldern im Rubrum einer Klageschrift einer ordnungsgemäßen Klageerhebung gem. §§ 90, 92 [X.]G entgegen?

        

2) Kann aus dem Erscheinungsbild einer Klageschrift, das auf Verwendung erkennbarer Textbausteine/ auszufüllender Felder basiert, und eines fehlenden Datums hergeleitet werden, dass kein ernsthafter Wille beseht, Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen, soweit die nach § 92 [X.]G erforderlichen "Muss"- [X.]estandteile einer Klageschrift erfüllt sind?

Die [X.] verweist auf höchstrichterliche Rechtsprechung ([X.][X.] vom [X.] - [X.] 12 KR 22/05 R - juris). Sie setzt sich aber nicht mit der weiteren höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander (vgl dazu 2.). Sie zeigt keine eventuell verbliebene Klärungsbedürftigkeit auf. Mit den (Rechts-) Fragen greift die [X.] in der Sache nur die Auslegung der Klageschrift durch das L[X.] an. Die richtige Subsumtion eines Sachverhalts unter verfahrensrechtliche Regelungen und der sie [X.] höchstrichterlichen [X.] hat selbst dann keine grundsätzliche [X.]edeutung, wenn es eine Vielzahl gleichgelagerter rechtshängiger Sachverhalte gibt. Die unrichtige Anwendung von geklärten Verfahrensregelungen ist allein Gegenstand der Verfahrensrüge.

4. Nach § 160a Abs 5 [X.]G kann das [X.][X.] in dem [X.]eschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene [X.]rteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

5. Es kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Antrag auf [X.]erichtigung des Rubrums im Rahmen einer [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision prozessrechtlich nachgegangen werden kann. Insoweit mag ein Antrag auf [X.]rteilsberichtigung nach § 138 [X.]G vorrangig sein (vgl [X.][X.] vom 10.1.2005 - [X.] 2 [X.] 294/04 [X.] - juris). Jedenfalls im vorliegenden Fall kommt eine Änderung des [X.]assivrubrums aber von vornherein nicht in [X.]etracht (vgl zu einem gleich gelagerten Fall [X.][X.] vom [X.] - [X.] 1 KR 41/22 [X.]). Die [X.] ist eine juristische [X.]erson des [X.]rivatrechts, die unstreitig nicht Trägerin des [X.] ist, in dem die Versicherte der [X.] behandelt wurde. Die [X.] hat die [X.]eklagte in der Klageschrift nicht lediglich falsch bezeichnet.

Auch für die Frage, wer nach dem Willen des [X.] [X.]eklagter sein soll, ist der objektive Erklärungswert entscheidend, dh wie das Gericht und die übrigen [X.]rozessbeteiligten bei [X.]erücksichtigung aller ihnen erkennbaren [X.]mstände das [X.] verstehen müssen (vgl [X.]AG vom [X.] - A[X.] [X.] 58 zu § 4 [X.] 1969 = juris Rd[X.] 25). Für die Ermittlung der [X.]eteiligten durch Auslegung ihrer [X.]ezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen den in Wahrheit gemeinten [X.]eteiligten nicht an dessen fehlerhafter [X.]ezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen [X.]mstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen [X.]ezeichnung irrtümlich die [X.]ezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) [X.]erson gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welcher [X.]eteiligte tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften [X.]eteiligtenbezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche [X.]enennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten [X.]erson als [X.]eteiligter; diese wird [X.]eteiligter, weil es entscheidend auf den Willen des [X.] so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (vgl [X.]GH vom [X.] - [X.] - [X.], 420, Rd[X.]3). Hierbei sind jedenfalls ergänzend auch die Angaben des [X.] im [X.]rozess dann zu berücksichtigen, wenn sie sich im Einklang mit den sich aus der Klageschrift ergebenden objektiven [X.]mständen befinden. Entscheidend ist damit die Wahrung der rechtlichen Identität zwischen dem ursprünglich bezeichneten und dem tatsächlich gemeinten [X.]eklagten. [X.]leibt der [X.]eklagte nicht derselbe, schließt dies eine Rubrumsberichtigung aus, weil dann mit dem Rubrumsberichtigungsantrag im Wege des [X.]eteiligtenwechsels ein anderer [X.]eklagter in den [X.]rozess eingeführt werden soll (vgl [X.]AG vom 21.2.2002 - 2 [X.] - EzA § 4 nF [X.] [X.] 63 = juris Rd[X.]8). So verhält es sich hier.

Die Klageschrift bezeichnete vorliegend als [X.]eklagte ausdrücklich und eindeutig die [X.]. Der Klageschrift waren keine [X.]nterlagen und Rechnungen oder sonstige Anlagen beigefügt, die zur Auslegung dieser Angabe heranzuziehen gewesen wären. Auch eine Verwaltungsakte der [X.] war der Klage nicht beigefügt.

Die [X.] wollte danach zwar die Rechtsträgerin des Krankenhauses verklagen, befand sich jedoch im Irrtum über dessen organisatorisch-rechtliche Ausgestaltung. Hieran ändert auch die Angabe der [X.] des Krankenhauses in der Klageschrift nichts. Nach § 293 Abs 6 [X.][X.] V führen der Spitzenverband [X.]und der [X.]n und die [X.] ein bundesweites Verzeichnis der Standorte der nach § 108 [X.][X.] V zugelassenen Krankenhäuser und ihrer Ambulanzen. Das [X.] gibt zwar nicht unmittelbar und ohne Weiteres Aufschluss über den Rechtsträger des Krankenhauses (vgl zu ähnlichen Konstellationen L[X.] [X.]erlin-[X.]randenburg vom 10.6.2021 - [X.] 424/20 - juris Rd[X.] 21; L[X.] [X.]erlin-[X.]randenburg vom 22.1.2021 - [X.] 370/19 - juris Rd[X.]9). Das [X.] ist kein Rechtsträgerkennzeichen. Mit ihm lässt sich aber der Rechtsträger des Krankenhauses relativ schnell ermitteln. Die [X.] hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, einen bestimmten, wenngleich den falschen Rechtsträger dem [X.] zuzuordnen, also sich eine Auffassung über den vermeintlich richtigen [X.]eklagten gebildet und diese zum Ausdruck gebracht.

7. [X.] bleibt dem L[X.] vorbehalten. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Schlegel

        Scholz

zugleich für den krankheitsbedingt

an der qualifizierten elektronischen

Signatur gehinderten Richter [X.]

                 

Meta

B 1 KR 56/22 B

18.08.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dortmund, 21. Juli 2021, Az: S 78 KR 3628/18, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 57 Abs 1 S 2 SGG, § 90 SGG, § 92 Abs 1 S 1 SGG, § 92 Abs 1 S 3 SGG, § 92 Abs 1 S 4 SGG, § 109 Abs 5 SGB 5, § 293 Abs 6 SGB 5, § 325 SGB 5 vom 11.12.2018, PpSG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.08.2022, Az. B 1 KR 56/22 B (REWIS RS 2022, 5849)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5849

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1 BvR 2856/07

VII ZR 128/12

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